Von Clemens Dirscherl, Waldenburg-Hohebuch
Essen und Trinken gehören zu den Grundbedürfnissen menschlicher Existenz. Die Auswahl von Speisen und Getränken unterliegt jedoch jeweils kulturellen Bedingungen. Dies lässt sich besonders deutlich am Fleischkonsum aufzeichnen. War die Grundlage menschlicher Ernährung in der Frühgeschichte das Sammeln von Wurzeln, Beeren, Kräutern und Früchten, so ergänzten Jagdgesellschaften den Speiseplan durch erbeutete Wildtiere oder auch die Fischerei (Rosch/Heumüller 2008). In den archaischen Gesellschaftsformen fiel der Genuss von Fleisch mit vielfältigen Opferritualen zusammen. Das Erjagen von Tieren, deren Schlachtung, Opferung, entsprechende Zubereitung und sozial definierte Zuteilung zum Essensgenuss prägte über Jahrhunderte die Kulturform des Umgangs mit Tieren.
Auch in biblischer Überlieferung zeigen sich vielfältige Speisege- und -verbote wie religiöse Rituale im Alltag verankert (Brunn 2013). Zu den bekanntesten und kulturgeschichtlich bedeutendsten gehört das Verbot des Blutgenusses in der Tora, dem jüdischen Gesetz im Alten Testament. Danach wird die im Körper belebte Seele durch das Blut repräsentiert, weshalb es nicht verzehrt, sondern beim Schlachten auf die Erde gegossen wird. Schlachtvieh soll geschächtet werden. Darin zeigt sich ein tiefer Respekt vor allem Lebendigen, ebenso wie in der Unterscheidung von "reinen" und "unreinen" Speisen. Solche traditionellen religiösen Wertebezüge zum Fleischkonsum werden in einer säkularisierten Gesellschaft der Moderne immer weniger gelebt. Stattdessen erlangen neue ethische Wertvorstellungen im Umgang mit Tieren und deren Verwertung an Bedeutung.
Die besondere Beziehung zwischen Menschen und ihrem alltäglichen Umgang mit dem lebendigen Wesen, christlich gesprochen mit der Mitgeschöpflichkeit, kann als spezifische agrarkulturelle Form der Nutztierhaltung verstanden werden. Nimmt man den Begriff "Kultur" wörtlich und leitet ihn vom lateinischen "colere" ab, mit der Begriffsbestimmung "pflegen, hegen, Fürsorge haben", so zeigt sich der unmittelbare Bezug auch für den Umgang mit Nutztieren. Dieser war in der traditionellen Agrarkultur geprägt von einer vielfältigen Nutzung an Tieren und Rassen mit einer entsprechenden vielfältigen Verwertung für den Menschen (Brunner 1966): Schweine, Geflügel, Rinder, Kaninchen, Hasen. Der gesamte Schlachtkörper des Tieres wurde zum menschlichen Überleben genutzt: Fleisch zur Nahrung, Häute, Felle, Hörner, Knochen zur Herstellung von Alltagsgegenständen und Bekleidung. Im Mittelpunkt stand die subsistenzwirtschaftliche Eigenversorgung aus einer ganzheitlichen überschaubaren selbst bestimmten Produktionsweise (Tschajanow 1987). In diesem unmittelbaren Bezug zwischen Tiernutzer und Tier entstand auch eine besondere Form des Respekts, welche dem Tier Achtung entgegenbrachte und es nicht nur auf seine materielle Nutzung reduzierte. Damit wurde auch eine hauswirtschaftliche Ernährungskultur geprägt in eng miteinander verwobenen Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialkreisläufen, letztlich dem, was heute als Leitbild nachhaltiger Ernährung verstanden wird: in Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt sowie die nachfolgenden Generationen (Klevemann 1976).
Mit der Industrialisierung und ihren Auswirkungen auch auf die Landwirtschaft bildete sich nicht zuletzt durch die Integration aller agrarischer Produktionsketten das sogenannte Agribusiness aus der traditionellen agrarkulturellen Nutztierhaltung heraus, welches die Tierhaltung einem extremen ökonomischen Verwertungsdruck aussetzte. Kennzeichen solcher modernen landwirtschaftlichen Nutztierhaltung sind zunehmende Professionalisierung und Spezialisierung, Größenwachstum und Konzentrationstendenzen im Rahmen des agrarwirtschaftlichen Strukturwandels und nicht zuletzt zunehmende Arbeitsteilung und Kommerzialisierung der gesamten Prozesskette innerhalb der Tierhaltung aus Zucht, Futtermittelproduktion, Stallbau, Tierhygiene und Tiergesundheit, Transport, Schlachtung, Be- und Verarbeitung.
Wie nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland (Kluge 1989: 38ff), zeigt sich auch in der nachholenden Entwicklung von einstigen Agrarländern hin zu Industrieländern, dass Veränderungen der Ernährungspräferenzen symbolischer Ausdruck von persönlichem wie gesellschaftlichem Wohlstand sind. Die Zusammensetzung des Essens spiegelt den sozialen Aufstieg innerhalb der Gesellschaft wider. So ist die Zunahme von fleischlichen Erzeugnissen wie tierischer Produkte (Milch und Molkereierzeugnisse) erster Beleg für die verbesserten wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse der Bevölkerung: man kann sich Fleisch auf dem Teller leisten. Deshalb vollzieht sich gegenwärtig in den sogenannten "Wachstumsländern" China, Indien, Indonesien oder Brasilien ein Strukturwandel der Ernährung mit einem erheblichen Bedarf an Fleisch und tierischen Erzeugnissen. Dies ist ein erstes Szenario dafür, welcher Anstieg an Nahrung tierischen Ursprungs im globalen Maßstab mit entsprechenden Folgen für die Agrarwirtschaft erwartet wird, wenn das westliche Modell von Lebensqualität sich weltweit durchzusetzen vermag. Eine weltweite Massennachfrage nach Fleisch erfordert eine ebensolche größenbestimmte Produktion: eben in Massen, so dass davon auch die Tierhaltung unmittelbar betroffen ist.
Mit einem länger anhaltenden gesellschaftlichen Wohlstand verändern sich aber dann auch wiederum die individuellen Bedürfnisse der Menschen, wie sie in der Bedürfnispyramide nach Maslow zum Ausdruck kommen (Maslow 1977). Nachdem die materiellen Grundbedürfnisse aus Essen, Trinken und Schlafen gesättigt sind, die Sicherheitsbedürfnisse aus sozio-infrastruktureller und beruflicher Absicherung wie Wohnen, Krankheit, Arbeit gewährleistet werden können und soziale Bedürfnisse wie Freundschaft, Liebe und Gruppenzugehörigkeit erfüllt sind, verlangen immer stärker sogenannte Individualbedürfnisse nach sozialer Anerkennung und Geltung sowie Selbstverwirklichung nach ihrer Umsetzung. Dadurch erfahren materielle Werte eine zunehmende Relativierung und immaterielle Werte der Sinnbefriedigung steigen stattdessen in ihrer Bedeutung. Das wird auch durch Gesellschaftsanalysen bestätigt, wenn gravierende Verschiebungen im Wertesystem festgestellt werden (Opaschowski 2013). Betroffen ist davon auch der Blick auf das mitgeschöpfliche Umfeld mit seinen Existenzchancen, die Wahrnehmung des Lebensrechtes von Tieren und deren Inanspruchnahme durch die menschliche Nutzung (Gottwald 2004). Tierethische Fragestellungen werden daher immer stärker in den gesellschaftlichen Wertediskurs einbezogen und für Politik und Wirtschaftsakteure zu wichtigen Parametern ihres Handelns.
Die Einstellung zum Essen und die damit verbundenen Verbrauchererwartungen sind immer auch Spiegel gesellschaftlichen Zeitgeistes, nicht zuletzt auch von Modeströmungen. So bildet sich auch eine Kultur des Essens aus, von der auch der Verzehr von Fleisch betroffen ist. Dies lässt sich an der Einstellung zum Fleischkonsum nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland darlegen.
Kriegserfahrungen des Hungers und die Nachkriegszeit des Mangels ließ die Bevölkerung zunächst einmal nach Sättigung ihres Hungerbedürfnisses suchen. Dabei kam dem Verzehr von Fleisch eine besondere Bedeutung zu. Die Nachkriegswirren wiesen noch eine geringe landwirtschaftliche Produktivität auf, sowohl hinsichtlich der Getreideerträge, erst recht auch für die Haltung von Tieren und die Erzeugung tierischer Produkte. Von daher war ein Stück frisches Fleisch oder eine Scheibe Wurst etwas Besonderes, das man noch hoch wertschätzte. Die Aufbaujahre im Nachkriegsdeutschland sorgten dann aber für eine baldige wirtschaftliche Entwicklung, die sich in den 1960er-Jahren als "Wirtschaftswunder" niederschlug. Auch die Landwirtschaft konnte davon profitieren, nicht zuletzt durch die europäische Integration von Wirtschaftsinteressen in der anfänglichen sogenannten "Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG), wie sie nach der Erklärung von Stresa 1958 zugrunde gelegt wurde. Vorrangiges Ziel war die ausreichende Versorgung der Bevölkerung in den europäischen Kernländern mit Nahrungsmitteln und dies zu kostengünstigen Preisen. Darauf war auch die agrarpolitische Förderung ausgerichtet mit unterschiedlichen Ausbildungs-, Beratungs-, Investitions- und weiteren Förderprogrammen.
Das Wirtschaftswunder führte auch zu einer Agrarmodernisierung mit der Übernahme industrieller Produktions- und Organisationsprinzipien: mechanisch-technischer Fortschritt, biologisch-technischer Fortschritt und organisatorisch-technischer Fortschritt ermöglichten Rationalisierungsschübe und eine zunehmend arbeitsteilige Spezialisierung in der Landwirtschaft. In der tierischen Produktion zeigen sich solche Modernisierungen in der Fortentwicklung der Zucht, Tiergesundheit, Stallhygiene und Tierernährung, begleitet von baulichen Veränderungen der Stallanlagen und zunehmender Stalltechnik im Hinblick auf Fütterung, Melken, Entmisten und Lüftung. Die agrartechnischen Fortschritte führten zu einer weitgehenden Eingliederung der Landwirtschaft in die Industriegesellschaft. Wesentlich ist, dass die Landwirtschaft auf ein Glied in der Kette der Nahrungsmittelversorgung reduziert wurde und dabei ihre Autonomie mit der sprichwörtlichen "bäuerlichen Freiheit" verlor (Dirscherl 1989). Solch eine "Mechanisierung der organischen Substanz" (Giedion 1987: 157) aus Standardisierung, Zentralisierung und Automatisierung schuf entsprechend Produktionsmengen und damit auch neue Rentabilitätslogiken innerhalb der Ernährungswirtschaft und des Lebensmitteleinzelhandels. Davon war auch die Tierhaltung betroffen mit einer Ausweitung industrieller Produktion tierischer Erzeugnisse. Für den Fleischverzehr bedeutete dies, dass man nun "aus dem Vollen schöpfen konnte": "Schnitzel so groß wie Klodeckel" oder "die über den Tellerrand hängen" waren nun zunehmend Leitbilder des Konsums. Fleisch wurde als modernes Lebensmittel entdeckt, als "ein Stück Lebenskraft", so der Werbeslogan der Fleischwirtschaft, das Lebensqualität auch sozial neu bewertete. "Wer hat, der hat" wurde zum Leitspruch, mit dem auch ein mengenmäßiges, von Kalorienzählen gänzlich unbelastetes Ernährungsverhalten einherging: Fleisch und Wurst, Käse, Sahne, Butter, Eier, Speck – all das wurde zum Inbegriff von Wohlstandsentwicklung, erkennbar auch an dem sogenannten "Wohlstandsbauch" der Bevölkerung. Fleisch wurde zur für jedermann verfügbaren Speisequelle zu erschwinglichen Preisen und gehörte auf die tägliche Speisekarte.
Unter den ersten Vorzeichen von Grenzerfahrungen materiellen Wohlstandes, wie sie durch den Bericht des Club of Rome (Meadows et al 1972) und die so genannte Erdölkrise Anfang der 1970er-Jahre zum Ausdruck kamen, gab es neue Akzente innerhalb des Zugangs zum Fleisch: Weniger ist mehr. Symbolisch kann hierfür das Fleischfondue genannt werden: nicht mehr ganze Fleischstücke als Braten, Steak oder Schnitzel, sondern klein und fein gewürfelt und auch nur die besten Teile des Fleisches, wurden schön portioniert auf kleine Gabeln aufgespießt und in Pflanzenöl oder Bouillon zubereitet. Dazu gab es nicht mehr zugeschüttete Saucen sondern eine Vielfalt an kleinen "Dipps", welche mit den Fleischstückchen zusammen verspeist wurden. Damit entfaltete sich Fleischkonsum als "neuer, feiner Lebensstil", wie er dann durch die spätere Nouvelle Cuisine zunehmend ernährungskulturell zelebriert wurde.
In den 1980er-Jahren zeigte sich eine zunehmende Beschleunigung und Internationalisierung der Lebenswelt: die europäische Union wurde immer stärker erweitert, der gemeinsame europäische Binnenmarkt zeichnete sich ab, die Auslandsbeziehungen zu Südamerika und den sogenannten vier ostasiatischen Tigerstaaten wurden vertieft und die Kommunikationstechnologien entwickelten sich in enormer Geschwindigkeit: Beschleunigung und Globalisierung als gesellschaftliche Trends – mit Auswirkungen auch auf den Fleischkonsum. Die Fast Food Bewegung aus den Vereinigten Staaten fasste Fuß in Deutschland und neben der deutschen Wurst kam der sogenannte Burger als Standardschnellgericht auf den Markt. Parallel entwickelte sich das sogenannte Convenience Speiseangebot aus Teil- oder Ganz-Fertiggerichten, zunehmend auch als Tiefkühlware in breiter Varietät und unterschiedlichsten Zubereitungs- und Qualitätsstandards weiter.
In den 1990er-Jahren gab es dazu eine Gegenbewegung: die zunehmende Ökologisierung der Nahrung, welche sich schon in den 80er-Jahren als Alternativbewegung begann. Die Biowelle startete noch behutsam, aber unaufhaltsam. Damit zeichneten sich schon die ersten kritischen Stimmen zu einem unbeschränkten, weiter anwachsenden Fleischkonsum ab. Gleichwohl dominierte dann zu Beginn des neuen Jahrtausends die Discounter-Mentalität der deutschen Verbraucher. "Geiz ist geil" als Leitbild für Konsum zeigte sich auch immer mehr innerhalb der Fleischwaren. Statt regionaler Qualitätsware vom Metzger setzte sich zunehmend die Discounterisierung mit dem Übergang zu Selbstbedienungs-Fleischtheke durch. Der Lebensmittelhandel entdeckte Fleisch- und Wurstwaren als Leitsektor mit Lockangeboten für die Verbraucher, und bis heute überbietet man sich mit den günstigsten Preisen.
Fleisch- und Wurstwaren stehen zur alltäglichen Rundum-Versorgung zur Verfügung: morgens zum Frühstück, tagsüber durch verschiedene Imbissangebote als Snack, ob als Döner, Gyros, Burger, McNuggets, Würstchen, Schnitzelweck oder in sonstigen Variationen. Die Rationalisierung des Fleischkonsums führt dabei zu einer Verengung des Speiseangebots rund ums Fleisch. Dies entspricht dem allgemeinen Trend der Zeitreduzierung der mit der Nahrungsaufnahme verbundenen Arbeit. Ein breites Sortiment standardisierter, qualitativ gleichwertiger, abgepackter und konsumreifer Fleischwaren zum Kurzbraten bieten sich heute dem Verbraucher in den SB-Theken des Handels an. Aus dem einstigen agrarkulturellen ganzheitlichen Fleischverzehr hat sich eine hohe Spezialisierug ergeben: nur bestimmte Fleischstücke werden mehrheitlich von den Verbrauchern bevorzugt. Herz, Niere, Lunge, Leber, Hirn werden mehrheitlich als minderwertig, ja "eklig" kulturell geächtet, auch ganze Bratenstücke verschwinden zunehmend von den Speisezetteln. Stattdessen bilden preisgünstig erzeugtes Stückfleisch von Schwein, Rind und vermehrt Hähnchen und Pute, vorrangig als Kurzbratgut von Filet, Brust, Schenkel oder Flügel, ja sogar als separiertes Pressfleisch in Form von klein portionierten, mit Panade vorgewürzten Stücken, das Warenangebot. Der klassische Schweine- oder Rinderbraten, ob als Roll-, Schmor- oder Sauerbraten wird zunehmend verdrängt von Spießchen, Streifen, Filetstückchen, Steaks, Schnitzelchen, Hackbällchen – eben schnell in der Pfanne oder auf dem Grill zubereitbar statt länger im Topf oder in der Röhre köcheln zu lassen. Gegenüber solchem Fleischverzehr, in seinem Ursprung gar nicht mehr als von Tieren abstammend und als Massenware aus dem Agribusiness identifizierbar, zeichnet sich zunehmend ein neuer gesellschaftlicher Trend ab: nicht die Qualität des Endprodukts aus ernährungsphysiologischen, gesundheitlichen oder hygienischen Standards ist vorrangiges Kriterium für die Beurteilung von Fleisch, sondern die sogenannte "Prozessqualität" aus Fütterung, Transport und Schlachtung der Fleisch liefernden Tiere. Die "political correctness" der Nahrung, das Moralprofil von Fleischerzeugnissen wird immer stärker hinterfragt und damit auch die ethische Legitimation des Fleischgenusses. Damit verbunden sind grundsätzliche Anfragen an einen Paradigmenwechsel in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, bis hin, dass eine "Agrarwende", "Ernährungswende" oder "Konsumwende" gefordert wird (Kluge 2001).
Ethik kann als grundsätzliche wertefundierte Abschätzung von Meinungs-, Entscheidungs- und Handlungsalternativen verstanden werden. Daraus ergibt sich dann die Polarisierung dessen, was als gut vs. schlecht, richtig vs. falsch, gerecht vs. ungerecht, wahr vs. unwahr, fair vs. unfair oder auch differenziert vs. pauschal gegeneinander abgewogen wird. Zu einer ethischen Bewertung des Fleischkonsums können dazu unterschiedliche Perspektiven eingenommen werden.
Unter dem Blickwinkel einer Ethik der Mitgeschöpflichkeit besitzen Tiere eine eigene Würde, welche sich einer Versachlichung und vollständigen Materialisierung ihres Lebens widersetzen. Die Wahrnehmung eines Tieres hat damit nicht ihre ausschließliche Verwertbarkeit im Blick sondern stellt das Tier in Verbindung zu den menschlichen Lebensbedingungen unter Albert Schweitzers Maxime "Ich bin Leben inmitten von Leben, das leben will" (Schweitzer 1960: 330). Das jährlich millionenfache Töten männlicher Küken durch Vermusung, also die menschliche Entscheidung über deren Nichtwertigkeit zum Leben, weil sie sich den ökonomischen Verwertungsinteressen als Legehennen biologisch widersetzen, andererseits für eine Aufzucht als Masthähnchen aufgrund geringerer Produktionseffizienz als unbrauchbar oder unrentabel angesehen werden, stellt in extremer Form eine solche ethisch höchst problematische Entwicklung innerhalb der modernen Tierhaltung unter agrarindustriellem Ökonomisierungsdruck dar. Aus diesem Grund erhebt sich eine zunehmende Kritik anthropozentrischer Beurteilungskriterien gegenüber dem Tier, das den Menschen als "Krone der Schöpfung" apostrophiert (Singer 1982). Daraus ergibt sich dann eine grundsätzliche Ablehnung jeglichen Fleischkonsums, weil Tiere wie Menschen ein eigenes Lebensrecht zukommt. Folglich stellt sich für die menschliche Ernährung der Auftrag, tierische Erzeugnisse konsequent zu meiden. Unter dem Leitbild "Ich esse nichts, was Augen hat", wird dann als Sinn erfüllende Lebensform eine vegetarische oder sogar vegane Lebensweise eingeschlagen – ein Trend, der sich immer stärker gesellschaftlich ausbreitet, wenn eine gänzlich oder zunehmend reduzierte fleischlose Ernährung öffentlich propagiert oder doch zumindest diskutiert wird (Foer 2010, Duve 2011).
Das Wachstumsparadigma aus Massenkonsum, Massenproduktion und damit auch Massentierhaltung gerät unter Rechtfertigungsdruck. Damit verbunden ist die grundsätzliche Zivilisationskritik an einer rein auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftsweise (Altner 1977). Ein Konzept glücklichen, sinnstiftenden und befriedigenden Lebens wird durch eine Kritik an der Vermassung aller Lebensbereiche entwickelt. Masse erhält damit per se eine Negativbewertung: ob Massentourismus, Massenveranstaltung, Massenmedien, Massengeschmack, oder eben auch Massentierhaltung – alleine die schier unüberschaubare, quantitative Ansammlung von Angeboten führt zu einer Infragestellung ihrer Produktion und Verwertung, auch Minderbewertung ihrer qualitativen Beschaffenheit und wird von daher als per se unethisch betrachtet in ihrer Beliebigkeit, Anonymität, Standardisierung, Nivellierung, Generalisierung, eben all das, was spezifische, individuelle, authentische, menschlich berührende und auch ästhetisch ansprechende lebensbeglückende Erfahrungswelten ausmacht. Je mehr sich die Vermassung aller Lebensbereiche herausbildet, um so stärker wird von einer "seelenlosen Gesellschaft" (Bastian 2012) gesprochen, welche nur noch an optimierten Nutzungs- und Verwertungsbedingungen orientiert ist, denen Leben, ob von Mensch oder Tier, unterworfen ist.
Demgegenüber setzt ein Leitbild einer Ethik der Selbstbegrenzung, wie sie unter der Auseinandersetzung um "weniger ist mehr" oder "besser leben statt mehr haben" propagiert wird, auf eine Abkehr der Produktionslogik einer an ständigem Wachstum orientierten Industriegesellschaft. Das betrifft auch die landwirtschaftliche Tierhaltung, mit Forderungen überschaubarer Einheiten und Erzeugungsbedingungen, ohne extremen ökonomischen Verwertungsdruck. Das heißt dann für den Fleischkonsum: lieber weniger Fleisch, zurück zu zwei bis drei Mal wöchentlichem Konsum, wie über Jahrhunderte zuvor die Verzehrsgewohnheiten waren, und dafür teurer produziertes Fleisch aus regionaler Herkunft und entsprechenden Konsequenzen bei Zucht, Haltung und Fütterung.
Grundsätzlich kann damit auch der Produktionsbegriff angewandt auf die Tierhaltung als problematisch hinterfragt werden. Wird damit rein sprachlich schon eine Naturaneignung durch den Menschen impliziert, die der eigenen Kreatürlichkeit des Tieres widerspricht? Diese werden ja nicht produziert, sondern entwickeln sich organisch in unterschiedlichen Lebensstadien aus einem natürlichen Entstehungszusammenhang heraus. Damit verbunden ist eine Absage an die modernen industriellen Produktionsrhythmen in der Tierhaltung, die sich nach den Prinzipien vollständiger computergestützter Organisation und Fertigung richten (Rotzetter 2012). Die Entdeckung der Langsamkeit, die Entschleunigung von Lebensgestaltung wird auch für die moderne Tierhaltung gefordert. Statt Tiere in immer kurzfristigeren Zeitperioden aufzuziehen, zu mästen und zu füttern unter Anwendung einer mechanisierten Steuerungstechnologie, sollen sie wieder ihrer eigenen Kreatürlichkeit entsprechend in ihrem organischen Wachstum sich entwickeln und reifen können. Damit steht das auf optimale Auslastung unter Effizienzgesichtspunkten ausgerichtete "Rein-raus-System" der modernen Tierhaltung in der Kritik, wo unter Ausnutzung aller Fütterungs- und Behandlungsmethoden aus Tierhygiene und Tiergesundheitsförderung eine schnellstmögliche Aufzucht und Mast tierischen Lebens und dessen Verwertung verbunden ist. Dies betrifft in extremer Form die Geflügel- und Putenmast, die Legehennenhaltung, die Schweinemast, aber zunehmend auch die Milcherzeugung. Das Leben des Tieres ist seiner optimalen Nutzungsperiode unterworfen: je höher die Legeleistung der Henne, die Milchleistung der Kuh, die Wurfleistung der Sau wird, um so stärker ergeben sich physiologische Begrenzungen ihrer Nutzungsdauer. So ist die moderne, auf Produktionseffizienz statt Lebensleistung ausgerichtete Tierzucht mit einem kürzeren Leben des Tieres verknüpft, was nicht nur als gesellschaftliches Wachstumsfetisch entlarvt, sondern zugleich auch als Überschreitung des Lebensrechts des Mitgeschöpfs Tier wahrgenommen wird.
Doch auch beim Menschen zeigt sich die ethische Erfordernis der Selbstbegrenzung innerhalb des maßlosen Massenkonsums an tierischen Erzeugnissen (Frey 2004): das Ansteigen von Zivilisationskrankheiten wie Gicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Darmkrebs als Ausdruck einer falschen oder einseitigen Ernährung mit zu viel Fleisch entspricht der Maßlosigkeit eines grenzenlosen Fleischkonsums. Zugleich entbrandet die Debatte um Antibiotikaresistenzen in der modernen Medizin, mit verursacht durch die moderne Tierhaltung: wo massenhaft Tiere für einen massenhaften Fleischkonsum erforderlich sind, ist eine möglichst schnelle Aufzucht damit verbunden, werden zunehmend pharmazeutische Hilfsmittel wie Antibiotika eingesetzt, welche sich dann auch über die menschliche Verzehrkette im menschlichen Organismus und die Ökologie der Gewässer ausspült mit entsprechenden negativen Folgewirkungen für Gesundheit und Umwelt.
Ganz aktuell zeigt sich eine Ethik der Selbstbegrenzung auch in der zunehmenden Skandalisierung von Missständen in der Fleischbranche wie bei Gammelfleisch oder Pferdefleischvermischungen. Das System vielgliedriger Produktions- und Lieferketten wird als Symbol einer internationalen Massenfleischproduktion wahrgenommen, die durch Anonymität, fehlende Überschaubarkeit von Prozessbeteiligten und einer mangelhaften Transparenz von Warenströmen und deren Dokumentation die Problematik einer modernen Massengesellschaft offenbart. So verfolgt eine Ethik der Selbstbegrenzung dann auch eine (Rück-)Besinnung auf den räumlichen Aktionsradius: statt globaler Produktions- und Verwertungszusammenhänge moderner Tierzucht, -fütterung, -haltung, -transporte, -schlachtung und -verwertung werden Alternativen räumlich begrenzter und überschaubarer Prozessketten propagiert, eben: "Regional ist erste Wahl". Regionale Vermarktungs- und Wertschöpfungsinitiativen sehen daher auch für die Tierhaltung Vorteile: regionalen Futteranbau, flächengebundene Tierhaltung, identifizierbare Akteure in Landwirtschaft, Schlachtung und Fleischerei sowie kürzere Tiertransporte.
Die Tierhaltung ist auch eingebunden in den ökologischen Kreislauf weltweiter natürlicher Ressourcen. Daraus ergibt sich eine besondere Ethik der Schöpfungsverantwortung innerhalb des modernen Systems der Tierhaltung. Je mehr Tiere gehalten werden, um den steigenden Bedarf nach tierischen Erzeugnissen zu befriedigen, umso mehr tritt die zunehmende Konzentration von Tierbeständen auch an ihre ökologischen Grenzen (Bäuerlein 2011). Dies betrifft zum einen den mit wachsenden Tierbeständen ebenfalls anwachsenden Anfall tierischer Exkremente. So gibt es in Deutschland Standorte, wo der Gülleüberschuss mit seinen anfallenden Ammoniak- und Nitratbelastungen die Qualität von Grundwasser und Fließgewässern beeinträchtigt und dabei mitunter zu erheblichen Problemen auch bei der Trinkwasserversorgung führt. Besonders in der Diskussion ist die zunehmende Konzentration von Tierbeständen auch im Konflikt mit dem Klimaschutz (Reichert 2013). Die modernen Tierhaltungssysteme mit ihrem international vernetzten Futtermittelmanagement führen zu klimarelevanten Emissionen aus Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Dies betrifft einerseits den Futtermittelanbau, insbesondere von Mais und Soja mit seiner zunehmenden Intensivproduktion in einseitigen Fruchtfolgen. Solche Monokulturen weisen eine hohe Bewirtschaftungsintensität unter Einsatz von Düngemitteln und Schädlingsbekämpfungsmitteln auf. Darüber hinaus können sie auch für das Boden-Ökosystem schädlich sein, wenn sie die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigen und somit auch zu Bodendegradation und Bodenerosion beitragen.
Ohne Futtermittelimporte wäre die deutsche und insgesamt europäische Fleisch- und Milcherzeugung heute gar nicht denkbar. Klimaprobleme ergeben sich zudem aus den mengenmäßig anfallenden Gülleüberschüssen, welche ebenfalls insbesondere zu Lachgas- und Methanemissionen in erheblichem Maße beitragen. Dabei muss gar nicht die besondere Belastung von Methanemissionen durch Wiederkäuer angeführt werden; denn unter schöpfungsethischer Perspektive ist der mit dem Wiederkäuen verbundene Methanausstoß Teil der von Konflikten geprägten Schöpfungsordnung, insbesondere weil Wiederkäuer die einzigen Grünlandverwerter sind (Idel 2010). Daher sind auch die Debatten um die Begrenzung des Methanausstoßes aus Rindermägen über medikamentöse Abgaben wie Tabletten, über die Umstellung des Fütterungsmanagements (zum Beispiel die erhöhte Zugabe von Kraftfutter) oder auch die Diskussion um den Methanausstoß in Relation zur Milchproduktivität einer Hochleistungskuh unter schöpfungsethischen Gesichtspunkten der Thematik nicht angemessen, wenn man die klimaschädlichen Emissionen ins Verhältnis der anthropogen verursachten Emissionen durch die Industrie oder den individuellen motorisierten Straßenverkehr setzt. Im Hinblick auf den Klimaschutz ergibt sich die Grundproblematik der anhaltenden Rodung von Regenwäldern in Südamerika. Flächen für den Soja-Futtermittelanbau der Intensivtierhaltung auch in Europa werden dafür geschaffen, aber ebenso für die Ausdehnung von Weideflächen neuer Rinderbestände, deren Fleisch auch für europäische Märkte bestimmt ist.
Grundsätzlich ergibt sich unter schöpfungsethischer Verantwortung schließlich die Frage nach der ökologischen Ressourceneffizienz des Fleischkonsums (Reller/Holdinghausen 2011). Die Erzeugung tierischer Lebensmittel ist mit einem deutlich höheren Einsatz von Wasser, Fläche und Energie verbunden, was im Wesentlichen durch den Anbau von Futtermitteln bedingt ist. Der Aufwand für die Produktion einer tierischen Kalorie ist bis zu siebenmal so hoch wie die einer pflanzlichen. Je mehr der Verzehr von tierischen Erzeugnissen wie Fleisch und Molkereiprodukten weltweit zunimmt, umso mehr werden die ökologischen Grenzen moderner Tierhaltungssysteme berührt. Wenn eine Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 den Konsum tierischer Erzeugnisse aufweisen sollte, wie er bereits heute für Europa und erst recht Nordamerika gilt, dann würden sehr schnell die Grenzen der Verfügbarkeit von Futtermitteln, der Entsorgung von Gülle und der Reduzierung klimarelevanter Emissionen erreicht (Dirscherl 2008).
Ein erst in den letzten Jahren mit der zunehmenden Konzentration von Tierbeständen an einzelnen Standorten diskutiertes ökologisches Problem stellt die Staub- und Geruchsbelastung dar. In großbetrieblichen Tierhaltungsanlagen mit zehntausenden an Hühner- oder Schweinebeständen ergeben sich Emissionen so genannter Bioaerosole, Kleinstteilchen von Luftpartikeln mit Geruchs- und Gesundheitsbelastungen. Daher wird der Einbau von Filter- und Reinigungsanlagen politisch ebenso gefordert wie die Einschränkung von Baugenehmigungen für neue Stall-Anlagen.
Ganz spezifischer Art sind Anfragen zur Tierethik einzelner Haltungsformen. Das beginnt schon bei der Frage des Zuchtsystems. Viele aus tierethischer Sicht problematische Entwicklungen gründen in der modernen Tierzucht. Entsprechend dem Leitbild größtmöglicher Produktivitätsfortschritte bei tierischen Erzeugnissen kam es zu extrem ökonomisch einseitig ausgerichteten Entwicklungen von Zuchtlinien bei nahezu allen Nutztieren. Ergebnis waren zum Beispiel Puten mit extrem ausgebildeten Brüsten, um das wachsende Bedürfnis der Verbraucher nach einem gesunden, fettarmen Fleisch, eben Putenbrust, anbieten zu können. Solche extrem auf Fleischmasse ausgerichtete Zuchtlinien gehen mit körperlichen Degenerationen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen einher; Puten mit vermehrten Gelenkproblemen oder Kreislaufbeschwerden. Ähnliches ist auch für eine einseitig auf Milchleistung ausgerichtete Zucht von Kühen festzustellen, wo extreme Milchleistungen von 12.000 und noch mehr Litern pro Jahr mit einer verkürzten Lebensdauer, erhöhten Euterkrankheiten und Fruchtbarkeitsstörungen bei der Milchkuh einhergehen.
Unter tierethischer Sicht stellt sich grundsätzlich die Frage, warum das Tier mit seinem Körper an die modernen Haltungssysteme angepasst werden soll anstatt die Haltungssysteme nach den tierischen Bedürfnissen auszurichten (KTBL 2006). Dadurch kommt es nämlich zu einer Vielfalt manipulativer Eingriffe am Tier, um eine standardmäßige, auf Produktivität ausgerichtete Tierhaltung und Tierleistung zu gewährleisten. So werden männliche Ferkel nach der Geburt bisher noch ohne Betäubung kastriert, um den hormonbedingten unangenehmen Ebergeschmack, der sich bei rund einem Drittel der männlichen ausgewachsenen Schlachtschweine herausbildet, zu verhindern. Aufgrund der hohen Bestandskonzentration mit oftmals extrem hohen Belegungsdichten in den Stallungen werden bei Tieren weitere Eingriffe vorgenommen: ob bei Jungrindern, deren Hörner entfernt werden, um die Verletzungsgefahr für Mittiere und Menschen zu vermeiden, ob bei Ferkeln, denen die Schwänze kupiert werden, um das gegenseitige Abknabbern mit negativen gesundheitlichen Folgewirkungen zu verhindern, oder ob beim Kürzen von Schnäbeln beim Geflügel, um das gegenseitige aggressive Picken oder Einhacken zu unterbinden. Allen Maßnahmen gleich ist die präventive Absicht, aggressive, verletzungsfördernde und gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen der Tiere innerhalb eines Bestands auszuschließen. Tierethologische Untersuchungen belegen indes, dass solche aggressive Verhaltensweisen auch Ausdruck von Haltungsformen sind, welche nicht dem natürlichen, artgemäßen Verhaltensbedürfnis des Tieres entsprechen: über einen ausreichenden Bewegungsradius für einen Auslauf zu verfügen, neugieriger Umweltwahrnehmung und Erkundung nachgehen zu können (zum Beispiel ihrem Bedürfnis nach Picken, Schnüffeln, Suhlen).
Um solche manipulativen Eingriffe und das Leiden des Tieres überflüssig zu machen, geraten dann auch einzelne Details der Stallausstattung vermehrt unter tierethischen Gesichtspunkten in den Blick (Busch/Kunzmann 2004, Grimm 2012): Auslaufmöglichkeiten, der Lichteinfall, die Belüftung, die grundsätzliche Bodenbeschaffenheit hinsichtlich Rutschfestigkeit und Liegemöglichkeit, die Ausstattung der Ställe hinsichtlich Beschäftigungsmaterial oder die Rückzugsmöglichkeit. Insgesamt wird die Frage des "Stallkomforts" für die Zielerreichung von mehr Tierwohl in der modernen Tierhaltung zunehmend diskutiert. Nicht zuletzt geraten auch Transportdauer und -bedingungen für die Tiere im Hinblick auf zeitlichen Umfang, räumliche Entfernung, Beschaffenheit der Wägen, die Tierbetreuung während des Transports ebenso wie die Schlachtung hinsichtlich ihrer Organisation und Durchführung zunehmend in den Blick.
Die politisch geführte Diskussion um die künftige Welternährungssicherung stellt die moderne Tierhaltung zunehmend auch hinsichtlich einer Sozialethik internationaler Verteilungs- und Beteiligungsgerechtigkeit auf den Prüfstand. Dabei geht es um die globale Flächennutzungskonkurrenz nicht nur zwischen "Teller und Tank", sondern auch zwischen "Teller und Trog", nämlich die Frage einer eher pflanzlich oder tierisch ausgerichteten Ernährungsweise (Albrecht/Engel 2009). Auftrieb bekommt die Debatte insbesondere durch die zunehmende Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zur Energieerzeugung und industrieller Grundstoffe. Es ergibt sich ein Zielkonflikt um die begrenzten global verfügbaren agrarischen Flächenpotenziale zur Nahrungsversorgung für die anwachsende Weltbevölkerung, ob stärker pflanzlich oder tierisch ausgerichtet, um den Anbau von Energiepflanzen als Ersatz für die knapper werdenden und klimaschädlichen fossilen Energieträger, um die Produktion agrarischer Substitute als Ersatz für auf Erdöl basierende industrielle Grundstoffe, um die Inanspruchnahme von Flächen für Siedlungs-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Freizeitflächen und schließlich um den Artenschutz, die Biodiversität von Pflanzen und Tieren. Damit erfährt die traditionelle Flächennutzungskonkurrenz zwischen Teller und Trog eine zusätzliche Verschärfung in dramatischem Ausmaße, nämlich zwischen Food (Nahrung), Feed (Futtermittel), Fuel (Bioenergien), Flora und Fauna sowie anthropogenem Flächenbedarf für wirtschaftliche Entwicklung (EKD 2008). Es stellt sich dann die Frage, wie viele von den 5,3 Milliarden Hektar Acker- und Weideland weltweit unter den begrenzt vermehrbaren Flächennutzungspotenzialen noch für die moderne Intensivtierhaltung weltweit zur Verfügung stehen können. Mit dieser Diskussion verbunden ist auch das Reizwort des sogenannten "virtuellen Land Grabbing": der indirekten Landnutzungsänderung in Entwicklungs- und Schwellenländern durch Umwidmung bisheriger agrarischer Flächen zur heimischen Nahrungssicherung oder produktiv ungenutzter Regenwald- oder Brachflächen zum exportorientierten Futtermittelanbau für die moderne Tierhaltung der Industrieländer.
Einen besonderen Akzent erhält die sozialethische Frage internationaler Verantwortung auch durch die Agrarexportorientierung von Industrieländern, wie sie innerhalb der Europäischen Union sogar politisch explizit gewollt und unter den Leitbildern globaler Welternährungssicherung oder internationaler Konkurrenzfähigkeit gefördert wird. Beispielhaft kann hierfür die entwicklungspolitische Debatte um "keine Chicken schicken" angeführt werden (Mari/Buntzel 2009). Sollen Produktionsüberschüsse aus der Europäischen Union, auch aus Deutschland, ob Milcherzeugnisse oder Fleisch wie eben auch Hühnchenteile, welche für den heimischen Absatz nicht verwertbar sind, in Entwicklungsländer exportiert werden? Werden unter Umständen sogar entwicklungspolitische Programme zur Unterstützung kleinbäuerlicher Produktionen und Absatzinitiativen für lokale Märkte durch sogenanntes "Exportdumping" der Industrieländer behindert oder sogar zerstört? Die ethische Debatte um die moderne Nutztierhaltung erhält zusätzlich auch noch eine grundsätzliche entwicklungspolitische Dimension.
Die gesamte gesellschaftliche Diskussion um die Zukunft der Nutztierhaltung betrifft auch die landwirtschaftliche Berufsethik. Dabei geht es um die polarisierend geführte Leitbilddebatte "Bauernhöfe statt Tierfabriken". Das bäuerliche Berufsethos in Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen Wasser, Boden, Luft und Klima, die Schöpfung nach bestem Wissen und Gewissen zu bebauen und zu bewahren, wird zunehmend auf seine landwirtschaftlich-unternehmensethische Orientierung hinterfragt, Grenzen des betrieblichen Handelns gegenüber Tieren, der Dorfbevölkerung, öffentlicher Meinung und gesellschaftlichen Erwartungen zu ziehen (Dirscherl 2005): welche Haltungsbedingungen, Größenordnungen, Flächenkonzentrationen, Leistungsoptimierungen können gegenüber dem Tierwohl noch verantwortet werden. Dabei geht es weniger um wirtschaftlich-technische Effizienzargumentationen, sondern um grundsätzlich gesellschaftsethisch verträgliche Leitbilder innerhalb der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Polemisch zugespitzt wird die Debatte um die Profitinteressen einzelner landwirtschaftlicher Unternehmer oder Unternehmen gegenüber dem Tierwohl und dem gesellschaftlichen Gemeinwohl geführt.
Aber auch für die landwirtschaftliche Unternehmerpersönlichkeit selbst gibt es zunehmend berufsethischen Klärungsbedarf. Innerhalb des Agribusiness wird der Landwirt mit seiner Familie auf ein untergeordnetes Glied innerhalb einer kommerziellen Verwertungskette reduziert. Damit wird er innerhalb solcher vertikaler Integrationsverbünde von vorgelagerten und nachgelagerten Bereichen aus Futtermittellieferanten, veterinärmedizinischer und seuchenhygienischer Prävention, Stallbaufirmen, Transport- und Schlachtunternehmen bis hin zu Zerlege- und Verarbeitungsbetrieben und nicht zuletzt dem Lebensmitteleinzelhandel in seinen betrieblichen Entscheidungsprozessen beschnitten, quasi unter formaler Dispositionsfreiheit als landwirtschaftlicher Unternehmer den Abhängigkeitsverhältnissen eines weisungsuntergeordneten Produzenten unterworfen. Damit ergeben sich nicht nur für investive, zeitliche, inhaltliche und räumliche Unternehmensentscheidungen erhebliche Begrenzungen für die sprichwörtliche "bäuerliche Freiheit", sondern auch erhebliche Folgen für das landwirtschaftliche Berufsverständnis.
Analog zu einer berufsethischen Orientierung für die Landwirtschaft gibt es auch eine verbraucherethische Orientierung für die Konsumenten von Fleisch und tierischen Erzeugnissen. Der einzelne Konsument ist mit seinem Einkaufs- und Ernährungsverhalten Teil des Systems moderner landwirtschaftlicher Tierhaltung, weil er mit seinen Bedürfnissen als Nachfrager Signale an das Marktangebot sendet. Und hier ist bekannt, dass insbesondere der deutsche Verbraucher trotz aller bekundeten Wertschätzung für artgerechte, ökologisch verantwortliche, regionale Lebensmittel hinsichtlich seines realen Einkaufs- und Ernährungsverhaltens das System des Agribusiness aus Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft fördert, wenn nicht sogar bedingt. Es gibt von daher auch für den Verbraucher eine ethische Verantwortung, grundsätzlich eine Werteabwägung hinsichtlich seines Verhaltens am Markt wahrzunehmen. "Maß statt Masse" lautet dann hinsichtlich des Fleischkonsums die Entscheidungsalternative – nämlich Waren mit regionalem, höherwertigem Tier- und Umweltstandard vorzuziehen (Dirscherl/Vogt 2004). Damit erhalten Fleisch und tierische Erzeugnisse ein Moralprofil, das durch den Verbraucher am Markt eine monetäre Neubewertung hinsichtlich der Auswirkungen des Konsums für die Mitgeschöpflichkeit von Tier und Umwelt erhält. Zudem drückt der Verbraucher auch seine Solidarität mit der heimischen Landwirtschaft aus, wenn diese ihrer unternehmensethischen Verantwortung für nachhaltiges Wirtschaften wahrnimmt, dessen Mehrwert durch einen höheren Erzeugerpreis vergütet wird.
Die vielfältigen Auseinandersetzungen um die moderne landwirtschaftliche Nutztierhaltung stellt die Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Akteuren vor die Herausforderung darauf zu reagieren. Auf Verbraucherseite ist die Infragestellung des Fleischkonsums eine mögliche Antwort darauf. Entsprechend steigt die Zahl der Voll- und Teilzeitvegetarier in Deutschland seit einigen Jahren kontinuierlich. Auch die Diskussion um den Umfang des Fleischkonsums ist voll im Gange: muss es jeden Tag Fleisch sein, kann der klassische Sonntagsbraten nicht Richtschnur des Fleischkonsums sein? Dabei ist zumindest für Deutschland ein leichter Rückgang des Fleischkonsums statistisch festzustellen und im Hinblick auf den demografischen Strukturwandel weiter zu erwarten (Agra Europe 2013): insbesondere bei Frauen, bei besser gebildeten Sozialschichten mit höherem Haushaltseinkommen und der jüngeren Bevölkerungsgruppe wird der Fleischkonsum zunehmend unter tierethischen aber auch gesundheitlichen und ökologischen Gesichtspunkten hinterfragt. Zugleich kommt es dabei zu einer Habitualisierung des Verbraucherverhaltens hinsichtlich eines sinnbewussten Fleischkonsums, wobei Haltungsformen (möglichst tiergerecht), Fütterung (heimisch und gentechnikfrei), Herkunft (regional aus bäuerlicher Erzeugung) eine größere Rolle spielen. Dabei wird der Fleischkonsum zunehmend auch sozial-kulturell unter ästhetischen Gesichtspunkten bewertet. Man unterscheidet den "feinen" Fleischkonsum, also zum Beispiel Fleisch von Weiderind, Lamm aus Deichhaltung, Geflügel aus Freilandhaltung gegenüber "ordinärem" wie Masthähnchen oder Schweinefleisch aus sogenannter agrarindustrieller Massentierhaltung aus anonymer Herkunft.
Innerhalb des Verbraucherverhaltens zeigt sich dabei auch eine gewisse Schizophrenie, wenn das Tier als Mitgeschöpf eine neue sinnstiftende Lebensqualität erhält, Fleisch verzehrt, zugleich aber das Töten verdrängt wird. Dass Leben in einer von Konflikten geprägten Schöpfungsordnung auch mit Leid, Schmerz und letztlich auch Tod verbunden ist, will man in einer Gesellschaft, die nach Genuss, Wohlfühlen und ständigem Glücksempfinden strebt, nicht wahrhaben. Damit ist auch die Verdrängung des eigenen Leidens, von Krankheit und auch von Tod verbunden. Deshalb erregen Bilder von tierquälerischen Haltungs- und Transportbedingungen, vom Schlachten der Tiere oder von Zerlegeprozessen Erregung und Empörung. Zugleich ist das Verbraucherverhalten mehrheitlich ausgeblendet von der eigenen individuellen ethischen Verantwortung. Daraus ergibt sich dann auch eine projektive Trennung der Wahrnehmung des Tieres mit seinem Leben als Mitgeschöpf gegenüber dem Fleisch als Ware, das dem tierischen Leben zwar entstammt und unter hygienisch einwandfreien Bedingungen, sauber verpackt eingeschweißt unter einer Klarsichtfolie aufbereitet, als Teilstück aber nicht mehr mit dem Tier als solches identifizierbar beim Metzger oder erst recht aus der Selbstbedienungstheke im Discounter zum Verzehr gekauft wird.
Auch die Ernährungs-, insbesondere die Fleischwirtschaft reagiert auf solch eine Beziehungssegregation zwischen Fleischware und Tierleben, indem sie bei der Präsentation ihres Warensortiments mögliche Verbindungslinien weitestgehend vermeidet. Das Stück rote Masse, welches zum Verzehr bestimmt ist, soll keinerlei Erinnerung oder gar Empfindung mit dem lebendigen Wesen Tier beim Verbraucher assoziieren. Auf tatsächliche oder vermeintliche Fleischskandale reagiert die Wirtschaft dann mit verstärkten Zertifizierungsmaßnahmen aus Qualitätssicherungs- und Kontrollsystemen. Damit soll konsequentes Handeln im Interesse der Verbraucher für eine vertrauensvolle Warenherkunft und einwandfreie Fleischqualität garantiert werden. Zunehmend wird dabei nicht nur die Produktqualität, sondern auch der gesamte Prozess von Tierhaltung, Fütterung, Schlachtung mit in den Blick genommen. Daher sind gegenwärtig auch Bestrebungen zwischen Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel in Gange, den Aspekt der Tiergerechtheit und des Tierwohls in entsprechende Qualitätskriterien mit aufzunehmen. Auch der Deutsche Tierschutzbund hat Anstrengungen unternommen, um das ethische Kriterium Tierwohl als Qualitätskennzeichen am Fleischmarkt gemeinsam mit Schlachtunternehmen und Lebensmitteleinzelhandel zu positionieren. Damit erfolgt eine zunehmende Marktsegmentierung, welche "Masse" von "Klasse" unterscheiden möchte und damit auch dem Verbraucher entsprechende Entscheidungsalternativen, nicht zuletzt auch ethisch begründet, ermöglicht.
Infolge einer globalisierten Agrar- und Ernährungswirtschaft positioniert sich die Wirtschaft zunehmend mit der Regionalisierung von Lebensmitteln, so dass neben Tierwohlkennzeichen oder ökologisch ausgerichteten Standards immer mehr auch die regionale Herkunftsangabe als Qualitätskriterium für Fleischerzeugnisse herausgestellt wird. Schließlich versucht die Lebensmittelwirtschaft verstärkt auch der ansteigenden Zahl von Voll- oder Teilzeitvegetariern mit einem diversifizierten Warenangebot in fleischähnlicher Aufmachung gerecht zu werden, zum Beispiel Steak, Buletten, Würstchen und ähnliches, hergestellt aus Soja oder Tofu.
Auch die Landwirtschaft reagiert auf die gesellschaftlichen Diskussionen um Tierschutz und Fleischkonsum. Somit kommt es auch hier zu einer Ausdifferenzierung der Marktsegmente: einerseits nach wie vor Größenkonzentration für den Massenmarkt unter kostengünstigen Produktions- und Absatzgesichtspunkten, andererseits zunehmende Premiumstandards und Formen der Regional- oder Direktvermarktung. Für landwirtschaftliche Betriebe, die sich bewusst auf die Wachstumsmärkte im Ausland mit einer Exportstrategie ausrichten, ergeben sich dann erhebliche gesellschaftliche Konfliktlinien. Auch deshalb ist der landwirtschaftliche Berufsstand verstärkt bemüht, gemeinsam mit Schlacht- und Fleischwarenunternehmen eine sogenannte Branchenkommunikation aufzubauen und seine Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken. Aktionen wie offene Stalltüren, die Mitwirkung an Tierwohl-Marktaktivitäten und Programmen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Tierhaltung stehen ganz oben auf der Agenda der Verbände. Das kann jedoch nicht verhindern, dass der agrarische Strukturwandel sich fortsetzt. Zahlreiche Betriebe stehen vor der schwierigen Frage, wie sie ihre Tierhaltung weiter ausrichten: reicht die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche sowie das Investitionskapitel aus, um auf Größenwachstum und Exportmärkte zu setzen und die kostenaufwändigen baulichen Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls zu finanzieren? Erhöhte Tierhaltungsanforderungen sind von daher oftmals auch Beschleunigungsfaktor des agrarischen Strukturwandels. Landwirte agieren daher oftmals defensiv, indem sie ihre bisherige Haltungsform verteidigen: die frühere Tierhaltung sei wesentlich schlechter gewesen, die heutigen Tierleistungen belegten das Wohlbefinden der Tiere und schließlich sei das Thema Tierschutz ein "Luxusproblem" einer Überflussgesellschaft insbesondere vor der Herausforderung der Welternährungssicherung.
Wo gesellschaftliche Meinungsströmungen und Konfliktpotenziale sich ändern oder zunehmen, ist auch die Politik gefordert. Das zeigt sich ganz besonders an der Agrar- und Tierschutzpolitik. Sowohl auf europäischer, auf Bundes- wie auf Länderebene wird die Frage der Tierwohls innerhalb der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung mit besonderem Augenmerk verfolgt. Die bisherigen Tierschutzstandards werden einer Prüfung unterzogen, wie die Tierhaltungsverordnungen für Legehennen, Puten, Schweine, Kaninchen oder auch Rinder belegen. Zugleich werden zunehmend Dokumentationsverpflichtungen im Interesse einer höchstmöglichen Transparenz und Rückverfolgbarkeit der Landwirtschaft auferlegt, wie zum Beispiel bei der Vergabe von Arzneimitteln. Auch die Agrarinvestitionsprogramme werden neu ausgerichtet, so dass die finanzielle Förderung von Stallanlagen verstärkt unter Tierschutzgesichtspunkten vorgenommen werden soll. Nicht zuletzt zeigt auch die Kommunalpolitik, insbesondere an den Standorten mit hoher Tierkonzentration, eine neue Ausrichtung im Hinblick auf die Genehmigungsverfahren vor Ort für neue Großstallanlagen. Davon betroffen sind auch die politischen Debatten um die baurechtliche Privilegierung gewerblicher Tierhaltungsanlagen im Außenbereich sowie die Zulassung größerer Stallanlagen unter verstärkter Berücksichtigung immissionsschutzrechtlicher Vorgaben für Abluftreinigungsanlagen. Von Seiten der Politik werden zudem Initiativen für Markenfleischprogramme unterstützt, welche das Tierwohl im Zentrum ihrer Qualitätsausrichtung haben.
Die moderne landwirtschaftliche Nutztierhaltung wird nicht nur von der öffentlichen Meinung geprägt, sondern ist nicht zuletzt auch Verstärker für entsprechende Stimmungslagen und Meinungsströme. Tiere allgemein und die landwirtschaftliche Nutztierhaltung im speziellen werden zunehmend als Thema entdeckt, dem ein hoher öffentlicher Aufmerksamkeitswert beigemessen wird. Dies zeigt sich in der sich wiederholenden Skandalisierung von Fehlverhalten bei Tierhaltung, -transporten, -schlachtung, -fütterung sowie der Be- und Verarbeitung von Tieren zu Fleischerzeugnissen. Fast mehrfach jährlich sind tatsächliche oder vermeintliche Tierhaltungs- und Fleischskandale Gegenstand breitester öffentlicher Diskussion, welche dann fast wochenlang Medien, Verbände und Politik in Aufregung versetzen. Auch die Thematisierung eines bewussten, ethischen, moralischen, nachhaltigen oder wie auch immer zu nennenden werteorientierten Fleischkonsums werden innerhalb der gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsdebatte verstärkt geführt. Ob Wissenschaft oder Medien, Wirtschaft oder Verbände, auch von kirchlicher Seite wird unter einer Neuorientierung zu einem nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsstil auch der Fleischkonsum immer wieder als Herausforderung behandelt. Dabei nimmt auch das Interesse an den Hintergründen für eine vegetarische Ernährung mit der Möglichkeit einer gesundheitlich ausgewogenen Ernährung unter Zugabe von Rezepten immer breiteren Raum in Beratungsliteratur, Zeitschriften sowie im Fernsehen ein.
Damit zeigt sich, dass die ethischen Konfliktlinien, welche heute innerhalb der Gesellschaft für die moderne Nutztierhaltung in der Landwirtschaft gezogen werden, bereits eine große Resonanz innerhalb der Öffentlichkeit, Politik und auch Wirtschaft erreicht haben. Angesichts der globalen ökologischen und sozialen Herausforderungen, werden diese Fragestellungen auch künftig unter dem Leitbild der Nachhaltigkeit geführt werden.
Fleischkonsum und moderne Tierhaltung werden zunehmend gesellschaftlich hinterfragt. Der Beitrag zeigt auf, dass dadurch auch eine ethische Legitimation der Landwirtschaft gefordert ist. Dies beinhaltet die Frage nach einer Ethik der Mitgeschöpflichkeit, nach der den Tieren eine eigene Würde zukommt.
Unter dem Wachstumsparadigma werden auch Massenkonsum und Massentierhaltung kritisch hinterfragt. Als Alternative wird dazu eine Ethik der Selbstbegrenzung propagiert des "Weniger ist mehr", womit auch ein maßvoller Fleischverzehr verbunden ist. Eine Entschleunigung von Produktionsprozessen wird dann auch für die Landwirtschaft gefordert, um die ausschließliche Fixierung auf Leistungseffizienz aus dem modernen System der Tierhaltung herauszunehmen. Unter ökologischem Bezug richtet sich der Blick immer stärker auch auf eine Ethik der Schöpfungsverantwortung, wobei die zunehmende Konzentration von Tierbeständen in Bezug zu ihren ökologischen Folgen gesetzt wird: Gülleüberschüsse mit anfallenden Ammoniak- und Nitratbelastungen, klimarelevante Emissionen aus der Tierhaltung sowie die Intensivproduktion im Futtermittelanbau mit einseitigen Fruchtfolgen und schädlichen Auswirkungen auf das Boden-Ökosystem.
Letztlich ist auch der Fleischkonsum im Hinblick auf seine ökologische Ressourceneffizienz, nämlich dem höheren Einsatz von Wasser, Fläche und Energie in der Diskussion. Ganz spezifisch sind dann die tierethischen Anfragen der Haltung hinsichtlich der Aufstallung, der Belegungsdichte, des Auslaufs, der artgerechten Haltung, des Tiertransports und der Schlachtung. Die Frage einer globalen Flächennutzungskonkurrenz wird nicht nur hinsichtlich der Agroenergiediskussion zwischen "Teller und Tank" geführt, sondern auch zunehmend zwischen "Teller und Trog". Damit gerät eine Sozialethik internationaler Verteilungs- und Beteiligungsgerechtigkeit auf den Prüfstand. Solche ethischen Fragestellungen stehen auch in Beziehung zu einer landwirtschaftlichen Berufsethik und verbraucherethischen Orientierung. Darauf reagieren die gesellschaftlichen Akteure in unterschiedlicher Weise, ob von Seiten der Verbraucher, der Fleischwirtschaft, der Landwirtschaft, der Politik und letztlich auch die öffentliche Meinung.
Meat consumption and modern livestock farming are increasingly challenged by society. This contribution reveals that as a result an ethical legitimation of agriculture is required as well. This includes the ethical question of considering animals as fellow creatures with their own dignity. Under the growth paradigm, mass consumption and intensive livestock farming, too, have become issues that are critically scrutinised. An ethic of self-limitation, a "less is more" approach, is propagated as an alternative, which also involves moderate meat consumption.
It is claimed that production processes shall be slowed down in agriculture in order to eliminate the exclusive fixation on efficiency from modern livestock farming. With regard to ecology, more and more attention is focused on the ethical question of assuming responsibility for creation, putting the increasing concentration of livestock numbers in relation to the ecological consequences: a surplus of slurry including the pollution through ammonia and nitrate, climate-relevant emissions from livestock farming as well as intensive forage production with an unbalanced crop rotation and harmful effects on the soil ecosystem.
Ultimately, meat consumption is being discussed with regard to its ecological resource efficiency, in particular the extra requirements for water, land and energy. Very specific ethical questions regarding animal husbandry concern the housing system, stocking density, free-range management, species-appropriate husbandry, transport and slaughtering. The question of a global competition for land use is discussed not only with regard to the use of agricultural resources for either human consumption or as a source of energy but there is also the question of feeding humans rather than livestock.
This puts the social ethics of an international distributive and participatory justice to the test. Ethical questions like these are related to the professional ethics of agriculture and a consumer-ethical orientation. They are responded to in various ways by the various players of society – consumers, the meat sector, the agricultural sector, politicians and, ultimately, public opinion.
La consommation de viande et l’élevage moderne sont de plus en plus remis en question par la société. L’article montre qu’une légitimation éthique de l’agriculture est ainsi également exigée. Ceci inclut la question d’une éthique du statut de cocréature, accordant aux animaux une dignité qui leur est propre. Sous le paradigme de la croissance, la consommation de masse et l’élevage intensif font aussi l’objet de critiques. L’alternative mise en avant est une éthique de l’autolimitation, du "Moins, c’est plus", alliée également à une consommation modérée de viande.
Une décélération des processus de production est alors aussi exigée de l’agriculture, afin d’extirper du système moderne de l’élevage la fixation exclusive sur l’efficience des performances. Du point de vue écologique, le regard se tourne aussi de plus en plus vers une éthique de la responsabilité à l’égard de la création, en confrontant la concentration croissante des troupeaux à ses conséquences écologiques : excédents de lisier à l’origine de nuisances par émanations d’ammoniac et formation de nitrates, rejets de l’élevage impactant le climat ainsi que production intensive de cultures fourragères, avec rotations limitées et effets nocifs sur l’écosystème des sols.
Enfin, la consommation de viande fait aussi débat dans l’optique de son efficience écologique par rapport aux ressources, à savoir l’utilisation importante d’eau, de surface et d’énergie. Les interrogations éthiques à propos de l’élevage sont à cet égard très spécifiques en ce qui concerne la stabulation, la densité animale, la sortie en plein air, le bien-être, le transport et l’abattage des animaux. La question d’une concurrence mondiale pour l’occupation des sols se discute non seulement dans l’optique des agro-énergies et de la bataille entre "l’assiette et le réservoir", mais aussi, de plus en plus, entre "l’assiette et l’auge".
Une éthique sociale de la justice en matière de répartition et de participation internationale se retrouve ainsi sur la sellette. Ces interrogations éthiques sont aussi corrélées à une éthique de la profession agricole et à l’orientation éthique du consommateur. Les acteurs de la société y réagissent de manière différente, qu’il s’agisse des consommateurs, de la filière de la viande, de l’agriculture, de la politique et finalement aussi de l’opinion publique.
Dr. Clemens Dirscherl arbeitete in der agrar- und ernährungssoziologischen Forschung von 1984 bis 1991 an der Universität Freiburg und der TU Berlin. Er ist Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg und Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Landwirtschaft und Ernähung. Er vertritt die EKD in zahlreichen Gremien, unter anderem in der Deutschen Tierschutzkommission, dem Beirat zum Tierwohllabel des Deutschen Tierschutzbundes und im Dialogforum "Nachhaltigkeit" der deutschen Ernährungswirtschaft.
c.dirscherl@hohebuch.de