Von Wilfried Brade, Hannover/Dummerstorf
Die Rinderhaltung ist eine der Hauptquellen landwirtschaftlicher Emissionen. Diesbezüglich
werden vor allem die Methan (CH4)-Emissionen diskutiert, wenn es um die Frage der Reduzierung von Treibhausgas(THG)-Emissionen in der Rinderhaltung geht. Bei einer ausschließlichen Betrachtung der CH4-Emissionen bedingt durch die enterische Fermentation1) bleiben jedoch zahlreiche Aspekte einer ressourcen- und umweltschonenden Milcherzeugung mit Rindern unberücksichtigt.
Die Ökobilanz (engl: life cycle assessment, LCA) ist eine neuere Methode zur Messung von Umweltemissionen bei der Herstellung eines Produkts. Bei der Kalkulation von CO2-Fußabdrücke (engl.: Carbon Footprints, CFs) werden die Prinzipien von LCA genutzt. Für die Berechnung von CFs sind verschiedene Richtlinien (Guidelines) zwischenzeitlich erarbeitet worden, die sich jedoch zum Teil hinsichtlich der Behandlung von Koprodukten (zum Beispiel Allokation von Rindfleisch im Rahmen der Milcherzeugung), möglichen Auswirkungen einer veränderten Landnutzung oder bezüglich der Berücksichtigung von IPCC2)-Empfehlungen unterscheiden (9).
Vereinbarungsgemäß werden in deutschen Auswertungen auf Farmniveau (= bis zum "Hoftor") die Herstellung von Maschinen (zum Beispiel Traktoren/Melkmaschinen) in der Regel nicht mit berücksichtigt (und anderen Bereichen beispielsweise dem Maschinenbau zugeordnet). Der Verfasser hat deshalb bevorzugt, vergleichende Gegenüberstellungen von CF-Angaben – möglichst innerhalb derselben Berechnungsmethodik durch vergleichende Angaben innerhalb eines Autorenteams – nachfolgend vorgenommen.
Ökobilanzen oder Life Cycle Assesments (LCA) sind ein definiertes Tool zur Messung möglicher Umweltwirkungen bei der Erzeugung eines bestimmten Produktes; beginnend bei notwendigen Vorleistungen bis zum Verbrauch ("from cradle to grave"). Die Ergebnisse der Gesamtbewertung werden typischer Weise in Form von Carbon (CO2)-Footprints (CF) ausgedrückt, das heißt in der Regel in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2)-Äquivalenten (CO2-eq) je Produkteinheit angegeben (1).
CF-Analysen sollten – zumindest bei tierischen Erzeugnissen – die Methan (CH4), Lachgas (N2O) und Kohlendioxid (CO2)-Outputs bei der direkten Erzeugung (= On-Farm) sowie in den zugehörigen vor- und nachgelagerten Bereichen (zum Beispiel die Futtererzeugung oder die Exkrementbehandlung) umfassen und eine sinnvolle Allokation möglicher Co-Produkte (zum Beispiel die gleichzeitige Rindfleischerzeugung) einschließen. Zuvor werden die verschiedenen Treibhausgase (THG) auf der Basis ihres GWP (= Global Warming Potentials)3) umgerechnet. In der Abbildung 1 ist ein vereinfachtes Schema zur Quantifizierung von Treibhausgasen (THG) auf Farmniveau dargestellt.
Abbildung 1: Schema zur Quantifizierung von THG auf Farm-Basis (On-Farm) und in der weiteren Verarbeitung
Quelle: eigene Darstellung
Als Bezugsgröße für die Emissionen dient zum einen das (mittlere) Tier, zum anderen die mittleren Aufwendungen in den verschiedenen vor- oder nachgelagerten Produktionsphasen. Bereits die enormen tierindividuellen Unterschiede innerhalb und zwischen den Betrieben bewirken, dass eine erhebliche Variation der berechneten CF in praxi gegeben ist. Auch muss bereits an dieser Stelle erwähnt werden, dass kleine Verbesserung in der Stufe der Primärerzeugung (On-Farm) zu einer bemerkenswerten Reduzierung des CF für Milchprodukte (Käse, Butter etc.) führen kann (21).
Anzumerken ist, dass tierische Lebensmittel in der Regel einen höheren Ressourcenverbrauch haben als pflanzliche (15). Für Milch wurden bereits mehrere CO2-Berechnungen – unter deutschen Bedingungen – durchgeführt. Ihr CF bewegt sich bei allen Quellen um rund ein Kilogramm CO2-eq pro Kilogramm Milch.
Durch landwirtschaftliche Aktivitäten werden vor allem Methan (CH4) und Lachgas (N2O) freigesetzt. CH4 entsteht beim mikrobiellen Abbau von organischen Stoffen unter anaeroben Bedingungen sowohl im Verdauungstrakt der Wiederkäuer und anderer Tiere als auch im Wirtschaftsdüngerlager sowie anderen Stoffumwandlungsprozessen unter Luftabschluss (Deponien). N2O bildet sich bei der mikrobiellen und chemischen Umwandlung von Stickstoff-Verbindungen, und zwar sowohl bei den oxidierenden (Nitrifikation) als auch den reduzierenden Umsetzungen (Denitrifikation).
Der Pansen von Rindern (Wiederkäuern) ist ein wohl bekanntes Habitat für Archaeen; zu der auch die sogenannten Methanbildner gehören. CH4 wird durch Methanogene produziert; eine vielfältige Gruppe obligat anaerober Archaea. Ihre Methansynthese kann als Endprodukt ihrer speziellen "Atmung" angesehen werden. Die Methanogene sind generell Substratspezialisten, die vergleichsweise nur sehr wenige Substanzen umzusetzen vermögen (Tabelle 1).
Tabelle 1: Einige ausgewählte Substrate für die Methan-Bildung | |
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Substrat | Gleichungen |
H2 und CO2 | 4 H2 + CO2 → CH4 + 2 H2O |
Ameisensäure | 4 HCO2H → CH4 + 3 CO2 + 2 H2O |
Essigsäure | CH3CO2H → CH4 + CO2 |
Quelle: (7), stark gekürzt
Häufig sind die methanogenen Archaea in spezifischen Symbiosen mit anderen Mikroorganismen (zum Beispiel Protozoen) im Vormagensystem der Rinder anzutreffen, so dass spezifische Einflussnahmen auf die Pansenmikrobenstruktur zwar intensiv diskutiert werden aber bisher (noch) nicht in praxi dauerhaft erfolgreich möglich sind. Die CH4-Bildung im Vormagensystem der Rinder ist aus zweierlei Hinsicht problematisch: Methan führt einerseits zu einem Energieverlust zwischen 6 bis 12 Prozent der Energieaufnahme (Abbildung 2). Und zum anderen ist es – wie bereits beschrieben - ein Treibhausgas.
Abbildung 2: Energetischer Abbau der Futtermittel im Tier
Quelle: eigene Darstellung
Bei Wiederkäuern werden in Abhängigkeit von der Tierkategorie, der Höhe der Futteraufnahme, der Rationsgestaltung, der Leistungshöhe und anderen Einflussfaktoren im Mittel zwischen etwa 20 bis 25 Gramm CH4 je kg verzehrte Futtertrockenmasse (T) ausgeschieden (7, 8). (12) geben folgende THG-Anteile bei der Roh-Milcherzeugung in industrialisierten Ländern an (Abbildung 3):
Abbildung 3: Anteil verschiedener THG bei der Milcherzeugung in den industrialisierten Ländern
Quelle: nach (12), eigene Darstellung
Aus Sicht der emittierten THG kommt der CH4-Bildung somit eine besondere Bedeutung zu (Abbildung 3). Milchprotein kann mit deutlich weniger Methananfall erzeugt werden als vergleichsweise essbare Proteine über Rinderfleisch (7). Gleichzeitig kann gezeigt werden, dass die Methanausscheidung bei höheren Leistungen generell ansteigt, je erzeugtes Produkt jedoch deutlich abnimmt (3, 5, 7,9). Mit zunehmender Leistungshöhe wird dieser Effekt allerdings immer geringer (Tabelle 2).
Tabelle 2: CH4-Emissionen bei der Milcherzeugung durch die Fermentationsprozesse im Pansen oder Dickdarm von Holstein-Kühe (= enterische Fermentation) | ||||
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Jahresleistung* in kg Milch je Kuh und Jahr (oder kg Milchprotein je Kuh und Jahr) | T-Aufnahme** (kg/Tag) | Anteile verschiedener Futtermittel (in Prozent) Titel | CH4-Anfall je kg Milchprotein (kg/kg) | |
Raufutter | Kraftfutter | |||
4.000 (= 136) | 12 | 90 | 10 | 0,69 |
6.000 (= 204) | 15 | 80 | 20 | 0,53 |
8.000 (= 272) | 18 | 70 | 30 | 0,45 |
10.000 (= 340) | 21 | 60 | 40 | 0,40 |
12.000 (= 408) | 24 | 50 | 50 | 0,36 |
*Bedingungen: 650 kg LM, 42 g kg-1 Milchfett, 34 g kg-1 Milcheiweiß, kein Weidegang;
Zahl der Kälber pro Jahr als Funktion der Milchleistung
**T = Trockenmasse (Futter)
Quelle: (3)
Die CH4-Reduktion je Kuh und Jahr steigt mit zunehmender Leistungshöhe oder Futteraufnahme an. Demgegenüber ist eine gleichzeitige CH4-Reduktion je Produkteinheit zu erkennen (Tabelle 2). Dieser "Verdünnungs"-Effekt ist jedoch oberhalb von 12.000 Kilogramm Milch pro Kuh und Jahr nahezu zu vernachlässigen (7). Ähnliche Resultate haben auch (20) publiziert (Tabelle 3).
Tabelle 3: Methanproduktion der Kuh (650 kg LM) in Abhängigkeit von der Leistung | ||||||
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Milch (EKM)1 kg/Jahr | Futter-T2 g/kg LM | Methan | ||||
g/kgT | g/Tag | kg/305 Tage | kg/Jahr3 | g/kg Milch | ||
4.000 | 20,8 | 24,8 | 334 | 102,0 | 118,1 | 29,5 |
6.000 | 25,4 | 23,0 | 380 | 115,9 | 132,0 | 22,0 |
8.000 | 28,5 | 21,8 | 404 | 123,2 | 139,3 | 17,4 |
10.000 | 31,5 | 20,7 | 424 | 129,4 | 145,5 | 14,6 |
Erhaltung | 10,8 | 28,3 | 198 | - | 72,3 | - |
1EKM = energiekorrigierte Milch entspricht 4 Prozent Fett; 2T = Trockenmasse; 3einschließlich einer 60-tägigen Trockenperiode
Quelle: (20)
Eine zunehmende Leistung ermöglicht – bei konstanter Milcherzeugung auf Betriebsebene – eine Bestandsreduzierung (Tabelle 4).
Tabelle 4: CH4-Emission aus der Verdauung bei konstanter Milcherzeugung** auf Betriebsebene und unterschiedlicher Milchleistung | ||
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Jahresleistung (kg Milch je Kuh und Jahr) | Erforderliche Tierzahl (Kühe je Betrieb) | CH4-Anfall* aus der Milchkuhhaltung/Betrieb (Tonnen CH4 pro Jahr) |
4.000 | 200,0 | 18,7 |
6.000 | 133,3 | 14,9 |
8.000 | 100,0 | 12,3 |
10.000 | 80,0 | 10,8 |
12.000 | 66,7 | 9,8 |
* CH4-Emission nur aus der Verdauung (= enterische Fermentation); ** betriebliche Milchproduktion: 800.000 kg/Jahr
Quelle: (3)
Die Abnahme der Zahl der Kühe auf Betriebsebene – mit zunehmender Produktivität der Kühe – ist derjenige Faktor, der die CH4-Emission pro Produkteinheit am nachhaltigsten reduzieren lässt (Tabelle 4). In der Literatur werden sehr unterschiedliche Strategien zur Reduktion der ruminalen CH4-Produktion aufgezeigt (7). Dazu zählen – neben einem verbessertem Management und Züchtungsmaßnahmen (sowohl Züchtung faserarmer Futterpflanzen als auch gezielte weitere Milchrinderzüchtung) – fütterungsseitige Einflussnahmen wie:
Prinzipiell besteht hier noch ein erheblicher Forschungsbedarf (7). So ist bei einer kraftfutterreichen Rationsgestaltung ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Pansenacidose gegeben. Die Verabreichung große Mengen an Futterfetten gehen häufig mit Störungen des Pansenstoffwechsels einher und führen zu einer Anreicherung unerwünschter Fette in der Milch. Auch ist der Einsatz von lonophoren oder Halogenderivaten in der EU nicht erlaubt (7).
Leider kann (bisher) von Seiten der Züchtung nur indirekt Einfluss auf die CH4-Bildung der Milchkühe genommen werden, da in praxi zurzeit noch keine umfassende, tierindividuelle Merkmalserfassung, als Grundlage für selektive Entscheidungen, gegeben ist.
Nutztiere produzieren selbst kein Lachgas (N2O). Enge Beziehungen bestehen jedoch zwischen der N- und dabei vor allem zwischen der Harnstoffausscheidung der Tiere und der potenziellen N2O-Bildung (3). Gleichzeitig sind solche Bedingungen beim Exkrementmanagement zu schaffen, die die Bildung von NH3, NO2, NO3 oder N2O soweit als möglich verhindern (Abbildung 4).
Abbildung 4: Lachgasbildung (N2O) aus Ammoniak (NH3)
Quelle: eigene Darstellung
Aus der Abbildung 5 geht hervor, dass auch diese Ausscheidungen je Kilogramm Produkt – mit zunehmender Leistung – relativ abnehmen (3).
Abbildung 5: N-Ausscheidungen pro Kuh und Jahr bei unterschiedlichem Leistungsniveau
Quelle: eigene Darstellung
N-Reduzierungspotenziale bestehen beim Wiederkäuer unter anderem in (3):
In Deutschland wurden bereits wiederholt CF für Rohmilch (On-Farm) errechnet (5, 10, 11, 13, 15, 24).
(24) bestätigen, dass sich die THG-Emissionen für die Milcherzeugung mit zunehmender Produktivität der Kühe reduzieren (Tabelle 5). Unter der Voraussetzung einer gleichzeitig konstanten Rindfleischerzeugung ist – bei sehr hohen Milchleistungen – leider zusätzlich die Mutterkuhhaltung auszudehnen. Sie führen zu steigenden THG-Emissionen in der Rindfleischerzeugung (Tabelle 5).
Tabelle 5: THG-Emissionen in der Milch-und Rindfleischerzeugung | |||
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Kenngröße | Scenario*/Leistungsniveau | ||
6.000 kg Milch/Kuh/Jahr | 8.000 kg Milch/Kuh/Jahr | 10.000 kg Milch/Kuh/Jahr | |
ohne Allokation für Rindfleisch: | |||
CO2-eq pro kg Milch (On-Farm) | 1,35 | 1,13 | 0,98 |
mit Allokation: | |||
CO2-eq pro kg Milch (On-Farm) | 1,06 | 0,93 | 0,89 |
CO2-eq pro kg Rindfleisch (On-Farm) | 10,75** | 13,13** | 16,24** |
*konstante Milch- und Rindfleischerzeugung vorausgesetzt;
**zunehmender Anteil der Fleischerzeugung mit Mutterkühen
Quelle: (24)
(23) haben CF-Werte zwischen 1,06 bis 1,23 Kilogramm CO2-eq je Kilogramm Milch unter britischen Bedingungen ermittelt. Über sehr ähnliche Werte berichtet Flysjö (2012) für die dänische Milcherzeugung. (22) haben CFs für Rohmilch in verschiedenen kanadischen Regionen veröffentlicht. Für Milch (On-Farm) wurden CF-Werte zwischen 1,14 (Atlantische Region) und 0,86 (British Columbia) ermittelt; im Mittel 1,07 Kilogramm CO2-eq je kg Rohmilch (= Farm-Grenze) und 1,10 je CO2-eq kg Rohmilch einschließlich Transport bis zur Molkerei. (12) zeigen deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen aus globaler Sicht. Für die Milcherzeugung im industrialisierten Europa nennen sie Werte um 1,2 bis 1,4 Kilogramm CO2-eq je kg Milch (Abbildung 6).
Abbildung 6: Regionale CF-Unterschiede je kg Milch nach Angaben von (12) auf On-Farm-Basis
Quelle: eigene Darstellung
Deutlich höhere Werte sind für die extensive Milcherzeugung in Asien oder Afrika zu nennen (Abbildung 6).
(10) haben in einer dreijährigen Studie den Energieeinsatz und Treibhausgas-Emissionen in der ökologischen und konventionellen deutschen Milcherzeugung untersucht. Es zeigte sich, dass beide Betriebstypen im Durchschnitt umgerechnet etwa 2,3 bis 2,4 MJ Energie für ein Kilogramm produzierte Energie-korrigierte Milch (ECM) benötigen (10, 11). Auch die THG-Emissionen unterschieden sich bezüglich der beiden Produktionsformen kaum. Während in der ökologischen Erzeugung ein deutlich höherer Anteil der tierseitigen Methanerzeugung (relativer Anteile: 42 Prozent bei ökologischer Erzeugung, 30 Prozent bei konventioneller Produktion) ermittelt wurde, war die Futtererzeugung in der konventionellen Erzeugung deutlich nachteiliger (10).
Abbildung 7: THG-Emissionen je kg Milch innerhalb verschiedener Produktionsprozesse
Quelle: (10), eigene Darstellung
In beiden Produktionsformen verursachte die Milcherzeugung im Mittel umgerechnet ungefähr 1.000 bis 1.100 Gramm CO2-eq pro Kilogramm ECM (Abbildung 7). (10) zeigen, dass mit steigender Milchleistung die Emissionen aus Verdauung und Düngerlagerung abnehmen, dafür der Treibhausgas-Ausstoß bei der Erzeugung energiereicher Futtermittel zunimmt (Abb. 6). Mindern lassen sich Treibhausgas-Emissionen, nach Ansicht von (11) durch eine ausgeglichene Humus- und Nährstoffbilanz im Futterbau, eine verbesserte Nutzungsdauer und Milchleistung der Kühe sowie eine effiziente Färsenaufzucht möglichst bei einem gleichzeitig weiteren Verzicht auf Importfuttermittel (Soja).
(18) verglichen die CF für Rohmilch unter verschiedenen dänischen Bedingungen (konventionell, ökologisch). Die Tabelle 6 vermittelt einige wichtige produktionstechnische Kenngrößen der untersuchten Betriebe.
Tabelle 6: Produktionstechnische Kenngrößen der untersuchten dänischen Betriebe | ||
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Kenngrößen | konventionell | ökologisch |
Zahl ausgewerteter Betriebe | 35 | 32 |
Herdengröße (Kuhzahl) | 122 | 115 |
kg ECM pro Kuh | 8.201 | 7.175 |
Raufutteranteil (in Prozent der T-Aufnahme) | 55 | 69 |
Besatzdichte (GV pro Hektar) | 1,8 | 1,12 |
kg ECM pro Hektar | 8.701 | 4.780 |
Mineraldüngeraufwand (kg Stickstoff pro Hektar) | 68 | 0 |
T = Trockenmasse; ECM = energiekorrigierte Milch
Quelle: (18)
Sie ermittelten einen etwas höheren CF bei ökologischer Erzeugung - im Vergleich zur konventionellen Produktion (18), falls keine Allokation bezüglich der gleichzeitigen Fleischerzeugung mit Milchkühen erfolgt (Abbildung 8).
Abbildung 8: THG-Emissionen für Rohmilch (On-Farm-Basis) in der konventionellen und ökologischen Milcherzeugung unter dänischen Bedingungen
Quelle: (18), eigene Darstellung
Da die Fleischerzeugung unter ökologischen Bedingungen jedoch relativ größer ist (aufgrund der niedrigeren Produktionsintensität) verwischen sich diese Differenzen – nach Allokation mit der Fleischerzeugung – wieder (Abbildung 8).
Der ökologische Pflanzenbau muss gemäß seinen Richtlinien ohne die Ausbringung von Mineraldünger zurechtkommen. Dadurch liegen in der Regel die Ernteerträge pro Hektar um 10 bis 40 Prozent niedriger als in der konventionellen Landwirtschaft (15). Diese Ertragsdifferenzen haben auch Auswirkungen auf den Flächenbedarf der verschiedenen Produktionsformen. Zusätzlich kommen unterschiedliche Leistungsniveaus hinzu, die den Flächenbedarf weiter differenzieren. Für die Erzeugung von Milch haben Ökobetriebe generell einen höheren Flächenbedarf. Ökobetriebe benötigen – aufgrund der geringeren Erträge und der niedrigeren Milchleistung – zur Produktion von einem Kilogramm Milch knapp doppelt so viel landwirtschaftliche Fläche wie konventionelle Betriebe (konventionell: 1,2 m² je kg Milch; ökologisch: etwa 2,2 bis 2,3 m² pro kg Milch) (15).
Die konventionelle deutsche Tierhaltung hat jedoch längst einen nicht unerheblichen Teil ihres Flächenbedarfs "ins Ausland" verlagert (15); rund 25 Prozent der in Deutschland für den Anbau von Futtermitteln genutzten landwirtschaftlichen Flächen (ungefähr 2,6 Millionen Hektar). Durch Landnutzungsänderungen oder Waldflächenrodungen entstehen zwangsläufig zusätzliche negative Klimaeffekte in den Soja oder Getreide exportierenden Staaten, deren Auswirkungen auf die CF-Werte zukünftig korrekterweise noch zu berücksichtigen wäre.
Die Stufe der Primärerzeugung der Milch bis hin zur Lagerung On-Farm macht in den Industrieländern deutlich mehr als 50 Prozent der gesamten THG-Emissionen der Milch aus (21). Weitere Emissionen entstehen durch Transporte (zur Molkerei und in den Einzelhandel), durch die Milchbe- und -verarbeitung, durch die Verpackungsherstellung, durch Kühlprozesse oder durch den Endverbraucher selber (Einkaufsfahrten, Lagerung zu Hause, Zubereitungsart, Verluste etc.). Durch lange Lagerung, weite Transportwege und hohe Verschwendung kann der klimarelevante Beitrag des Verbrauchers allerdings einen großen Teil der gesamten produktbezogenen Treibhausgas-Emissionen ausmachen (21, 22). (9) hat CFs für verschiedene Molkereiprodukte der Firma Arla Foods errechnet (Abbildung 9).
Abbildung 9: Kalkulierte CFs für Milch und Milchprodukte in Dänemerk/Arla Foods
Quelle: (9), eigene Darstellung
Die Butterherstellung ist demnach mit einer deutlich höheren Umweltbelastung als die Käseerzeugung belastet. Die Weiterverarbeitung, Verpackung und Verteilung der Milchprodukte führen zu differenzierten CF-Werten je kg Produkteinheit: der CF für Käse (Mittel aus verschiedenen Sorten) erreichte einen Wert von 5,3 kg CO2-eq je Kilogramm und für Butter 7,3 kg CO2-eq je Kilogramm unter kanadischen Bedingungen (22). Bedingt durch die erheblich verschiedenen Proteingehalte der einzelnen Milchprodukte waren die Footprints – mit Bezug auf ein Kilogramm Protein – noch differenzierter; vor allem zwischen Käse und Butter. Der höchste Wert wurde hier mit rund 730 Kilogramm CO2-eq je Kilogramm Protein errechnet und zeigt damit gleichzeitig die eingeschränkte Vergleichbarkeit der CFs mit Bezug auf ein Kilogramm Milchprotein (Butter enthält weniger als ein Prozent Protein) (Abbildung 10).
Abbildung 10: CFs für kanadische Milchprodukte
Quelle: (22), eigene Darstellung
In diesem Zusammenhang ist auch die Arbeit von (21) für die US-amerikanische Milchindustrie zu nennen. Sie berechneten einen mittleren CF von 1,23 kg CO2-eq je Kilogramm Rohmilch (bis zur Farmgrenze). Der weitere Transport zur Molkerei und die dortige Weiterverarbeitung einschließlich Verpackung, notwendiger Transport und Verkauf im Einzelhandel ergab einen CF von 2,05 kg CO2-eq je Kilogramm "konsumierter" Milch mit einem 90-prozentigem Konfidenzintervall zwischen 1,77 und 2,4 kg CO2-eq je Kilogramm Konsummilch (21). Hierbei kalkulierten (21) einen Verlust von zwölf Prozent beim Verkauf im Einzelhandel und einen weiteren Verlust beim Verbraucher selbst ein. Die wichtigste THG-Quelle blieb erwartungsgemäß die Rohmilcherzeugung auf Farmebene (Abbildung 11).
Abbildung 11: Anteil verschiedener Produktionsprozesse am CF von konsumierter Milch in den USA
Quelle: (21), eigene Darstellung
Anmerkung: Die Futtererzeugung schließt die Mineraldüngererzeugung und Bodenbearbeitung mit ein; zusätzlich wird ein 20-prozentiger Verlust durch Abfall/Müll in der Konsumtionsphase angenommen.
Kritisch ist bei der Berechnung von CFs für Molkereiprodukte anzumerken, dass die Allokation der verschiedenen Molkereiprodukte an der gesamtverarbeiteten Milch auf Molkereiebene nicht ganz leicht ist (22).
Der CO2-Fußabdruck ist ein Maß für die von einer Person oder einem Produkt verursachten Treibhausgasemissionen. Durch diese Footprints soll unter anderem eine Sensibilisierung von Erzeugern und Verbrauchern bezüglich eines effektiven Einsatzes fossiler Kohlenstoff-Quellen sowie eine persönliche Anregung zum Schutz der Umwelt gegeben werden (1, 9).
Der persönliche CO2-Fußabdruck ist die Bilanz der Treibhausgasemissionen, die durch den individuellen Lebensstil beeinflusst wird. Ein wichtiges Argument für die konsequente Verwendung von produktbezogenen CO2-Footprints (hier: Lebensmittel) ist, dass die in der Vergangenheit häufig einseitig dargestellten ökologischen Bewertungen der verschiedenen Tierprodukte – ausschließlich auf der Basis zum Beispiel der Methanproduktion – tatsächlich bestehende Zusammenhänge nicht korrekt wiedergeben.
Einseitig publizistische Darstellungen – aufbauend ausschließlich auf dem Methananfall – etwa nach dem Motto "die Kuh als Klimakiller" waren die Folge und sind so schlicht weg falsch!
Es genügt nicht, ausschließlich den Methananfall zu beachten. Lachgas hat – wie bereits dargestellt – beispielweise ein mehr als 10-mal höheres Treibhauspotenzial vergleichsweise gegenüber Methan oder ein etwa 300-mal größeres Potenzial als CO2 (17). Die CO2-Footprints je kg Milch sind bei ökologischer Milcherzeugung im Vergleich zur konventionellen Erzeugung nicht notwendigerweise besser.
Zweifellos sind einzelne Emissionsquellen (zum Beispiel für die Mineraldüngererzeugung) deutlich verschieden. Der intensivere Einsatz rohfaserreicher Futtermittel oder auch die generell geringere Leistungshöhe im ökologischen Landbau bedingen jedoch demgegenüber häufig höhere Methanemissionen je Kilogramm Milch. In der Summe heben sich die Vor- und Nachteile häufig auf, so dass die kalkulierten CO2-eq pro Kilogramm erzeugte Milch (On-Farm-Basis) zwischen konventioneller und ökologischer Produktionsweise wenig verschieden sind.
Auch kann mittels der Berechnung von CFs gezeigt werden, dass zum Beispiel eine Verringerung des Treibhauspotenzials durch den Einsatz von Biogasanlagen in Rinderhaltungen möglich ist. (15) zeigen, dass ein (mittleres) Reduktionspotenzial durch den Einsatz einer Biogasanlage in Milchkuhbetrieben (bei konventioneller Milcherzeugung) von ungefähr 0,112 kg CO2-eq je Kilogramm Milch (ungefähr 10 bis 13 Prozent) vorhanden ist.
Die Angabe eines CO2-Fußabdruckes auf Lebensmitteln (produktbezogener CO2-Fußabdruck), wie er beispielsweise in Großbritannien seit Jahren erfolgt, ist in Deutschland jedoch (noch) umstritten (19). Bei aller Kritik am CO2-Fußabdruck wird seitens der Milchindustrie nicht grundsätzlich eine Berechnung und Veröffentlichung von umwelt- und klimarelevanten Daten abgelehnt. Entscheidend ist, dass die Berechnungsgrundlage nachvollziehbar offengelegt und tatsächlich die gesamte Erzeugerkette für ein Produkt korrekt erfasst wird.
IPCC oder IDF (= International Dairy Federation) haben Richtlinien zur Kalkulation von CO2-Fußabdrücke/Ökobilanzen auf internationaler Ebene erarbeitet, die einzuhalten sind (16, 17).
Ein Label zur Ökobilanz, der die mittlere CO2-Bilanz für ein Lebensmittel hinreichend korrekt aufzeigt, erstellt von zugelassenen und unabhängigen Instituten nach einem akkreditierten Verfahren, sollte langfristig hilfreich sein (1).
Die Ökobilanz der Milcherzeugung mit dem Wiederkäuer "Kuh" ist im Vergleich zu anderen Lebensmitteln tierischer Herkunft (Fleisch) vergleichsweise vorteilhaft (8, 15, 23). Im Hinblick auf die Offenlegung dieser Tatsache – für Verbraucher und auch Politik – sollte davon künftig bewusst, sowohl im Berufsstand als auch in der Werbung, mehr Gebrauch gemacht werden. Milch ist ein Lebensmittel mit besten Zukunftschancen!
Die Rinderhaltung erfuhr in den zurückliegenden Jahren - aufgrund ihrer umwelt- oder klimarelevanten gasförmigen Ausscheidungen - weltweit zunehmendes öffentliches Interesse. Unter gleichzeitiger Berücksichtigung der verschiedenen Treibhausgase erfolgte in jüngster Zeit wiederholt die Ableitung von sogenannten Carbon Footprints (CF). Mit der vorliegenden Arbeit soll ein aktueller Überblick zu dieser Thematik gegeben werden.
In the past years, cattle farming saw growing public interest worldwide due to bovine gaseous emissions and their effect on the environment and climate. Recently, calculations of so-called carbon footprints (CF) were made on various occasions, taking into account the effects of different greenhouse gases. With this work the authors would like to provide an update on this issue.
Au cours des dernières années, l’élevage bovin a connu un réel intérêt dans le monde entier en raison des gaz émis par les déjections et de leur impact sur l’environnement et le climat. Récemment, les empreintes carbone (carbon footprints, CF) ont à nouveau été déterminées tout en tenant compte des différents gaz à effet de serre. Le présent travail donne un aperçu actuel sur ce thème.
1) tierseitige Emission aufgrund des mikrobiellen Abbaus organischer Stoffe unter anaeroben Bedingungen sowohl im Verdauungstrakt der Wiederkäuer als auch anderer Tiere; engl.: enteric fermentation
2) IPCC = Intergovernmental Panel on Climate Change (in Deutschland als Weltklimarat bekannt)
3) nach der Empfehlung von IPCC (2007): 1 kg CO2= 1 kg CO2-eq; 1 kg CH4 = 25 kg CO2-eq; 1 kg N2O = 298 kg CO2-eq
Prof. Dr. WILFRIED BRADE, Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo); zurzeit: Leibniz-Institut (FBN) für Nutztierbiologie Dummerstorf, Wilhelm-Stahl-Allee 2, 18196 Dummerstorf