Wie viel Markt und wie viel Regulierung braucht eine nachhaltige Agrarentwicklung?

Bericht über die 53. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues (GEWISOLA) e.V. vom 25. bis 27. September 2013

von ASTRID HÄGER, DIETER KIRSCHKE, WOLFGANG BOKELMANN, KONRAD HAGEDORN und SILKE HÜTTEL, Berlin

1 Einleitung

Die Gestaltung des Agrarbereichs im Spannungsfeld zwischen Markt und Regulierung ist ein altbekanntes Thema. Standen mit den Reformen der EU-Agrarpolitik zunächst Deregulierung und Liberalisierung im Vordergrund der Debatte, so bedingen Umwelt- und Ressourcenschutz sowie generell die Bereitstellung öffentlicher Güter offensichtlich geeignete staatliche Interventionen und Rahmenbedingungen. Heute wird der Ruf nach Regulierung lauter: Finanzkrise und volatile Agrar- und Rohstoffmärkte erschüttern das Vertrauen in Märkte; BSE, EHEC und GVO verunsichern die Verbraucher; und Klimaschutz und Energiewende sind ohne Politik nicht zu haben. Die Koordinationsmechanismen einer nachhaltigen Agrarentwicklung sind offensichtlich neu zu thematisieren. Auf welchen Politikfeldern führen Markt und Wettbewerb zu besseren Ergebnissen für Landwirtschaft und Gesellschaft, wo ist staatliche Regulierung erforderlich und wie ist das Zusammenspiel zwischen Markt und Regulierung im konkreten Fall zu gestalten?

Vor diesem Hintergrund fand vom 25. bis 27. September 2013 die 53. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues zum Thema "Wie viel Markt und wie viel Regulierung braucht eine nachhaltige Agrarentwicklung?" an der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Den Auftakt bildeten zwei Prä-Konferenz-Aktivitäten, in denen es zum einen um die Analyse des Strukturwandels in der Landwirtschaft und zum anderen um die institutionenökonomische Analyse von Landwirtschaft-Umwelt-Systemen ging. Die Plenarveranstaltung widmete sich generell dem Handeln in komplexen Systemen, und die abschließende Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Wissenschaft und Politik stand unter dem Thema "Niemand hat die Absicht, die Direktzahlungen abzuschaffen" oder: "Warum die Agrarpolitik (noch immer) nicht so ist, wie sie sein sollte".

Die 36 Arbeitsgruppenvorträge und 44 Posterpräsentationen widmeten sich dem Kernthema der Tagung aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Tagung wurde komplettiert durch vier selbstorganisierte Arbeitsgruppen mit ergänzenden Themen in unterschiedlichen Formaten.

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte der Plenar- und Arbeitsgruppenvorträge sowie über die Posterpräsentationen. Der Großteil der Beiträge wird im Tagungsband veröffentlicht werden, der in 2014 als Band 49 der "Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V." erscheinen wird.


2 Prä-Konferenz-Aktivitäten

2.1 Analyse des Strukturwandels in der Landwirtschaft – Stand der Forschung und neuere Entwicklungen

Der Prä-Konferenz-Workshop zum Thema "Analysis of Structural Change in Agriculture – State of the Art and Recent Developments" wurde von ODENING und GRETHE organisiert. Die Veranstaltung bildete zugleich die Abschlussveranstaltung einer von der DFG geförderten Forschergruppe zum Agrarstrukturwandel. Das Ziel der Forschergruppe bestand darin, die methodischen und theoretischen Grundlagen zur Analyse agrarstrukturellen Wandels weiterzuentwickeln, um auf dieser Grundlage den Entwicklungsprozess und die dahinter stehenden Triebkräfte besser zu verstehen sowie agrar- und umweltpolitische Instrumente zur Steuerung von Agrarstrukturwandel hinsichtlich ihrer Wirkung und Zielgenauigkeit bewerten zu können. Auf dem Workshop wurden ausgewählte Ergebnisse der Forschergruppe vorgestellt, die sich wie folgt zusammenfassen lassen.

Eine wesentliche Determinante von Betriebsaufgaben als strukturbeeinflussende Entscheidung stellt die ökonomische Effizienz der im (Agrar)Sektor interagierenden Betriebe dar. Normative und empirische Analysen bestätigen die Efficiency-Structure-Hypothese, der zufolge effiziente Unternehmen länger am Markt verbleiben als weniger effiziente. Allerdings erweist sich die korrekte Messung der ökonomischen Effizienz als schwierig, da Anpassungskosten und Unsicherheit der ökonomischen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen. Geschieht dies nicht, erscheinen Betriebe als "scheinbar ineffizient".
Eine wichtige Erkenntnis besteht darin, dass eine tiefgreifende Analyse von Agrarstrukturwandel auf einzelbetriebliche Entscheidungen zurückgeführt werden muss. Normative mikroökonomische Modelle, insbesondere dynamische stochastische Optimierungsansätze, sind bei dieser Analyse hilfreich, können tatsächliches Verhalten bei Investitionen und Betriebsaufgaben aber nicht hinreichend genau erklären. Vielmehr bedarf es einer Ergänzung durch verhaltensökonomische Erklärungsansätze, die systematische Abweichungen der Entscheidungen vom Rationalverhalten sowie die Persönlichkeit des Entscheiders als Prädiktor von Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen erfassen.

In der Forschergruppe wurde eine konsistente Modellkette zur Analyse von Allokations- und Verteilungswirkungen der EU-Agrarpolitik im deutschen Agrarsektor entwickelt und gezeigt, dass die Berücksichtigung von Anpassungseffekten gegenüber häufig angewendeten statischen Analysen von Verteilungswirkungen zu deutlichen Dämpfungen von Einkommensverlusten führt. Szenarioanalysen belegen zudem, dass die erste Säule der EU-Agrarpolitik in der derzeitigen Ausgestaltung kein effizientes Instrument zur Erreichung eines stärker gleichverteilten Einkommens ist. Simulationsexperimente mit dem agentenbasierten Agrarstrukturmodell AgriPoliS verdeutlichten, dass veränderte Rahmenbedingungen, wie die Einführung einer hoch subventionierten Technologie (zum Beispiel Biogasanlagen) oder deutliche Subventionskürzungen, komplexe strukturelle Anpassungsprozesse auslösen, die jeweils Gewinner und Verlierer schaffen.

2.2 Analytical Framework für die institutionenökonomische Analyse von Landwirtschaft-Umwelt-Systemen

Der Prä-Konferenz-Workshop zum Thema "Analytical Framework for Institutional Analysis of Agriculture-Environmental Systems" wurde von THIEL und SCHLEYER organisiert. Analytical frameworks werden als Möglichkeit diskutiert, verschiedene theoretische Ansätze für die Analyse Sozial-ökologischer Technischer Systeme (SETS) zusammenzuführen. Im Workshop wurde thematisiert, warum sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ein spezielles "analytical framework" entscheiden, wie ein Vergleich verschiedener Frameworks helfen kann, unser Verständnis von Institutionen im Grünen Sektor (Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Fischerei, Naturschutz) zu verbessern und wie ein solcher Vergleich gestaltet werden sollte.

Im Workshop wurde zunächst die Rolle von Frameworks bei der Analyse von SETS diskutiert. Frameworks können nicht als theorieneutral angesehen werden. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Frameworks mit ihren theoretischen Grundlagen und analytischen Schwerpunkten vorgestellt (IAD-SES, IoS, adaptives Management, Transaktionskostenökonomik). Festzuhalten ist, dass eine strukturierte Diskussion der Frameworks, ihrer analytischen Schwerpunkte und ihrer zugrundeliegenden Theorien unser Verständnis von SETS verbessern kann. Hierzu sollte eine gemeinsame Konzeptgrundlage entwickelt werden, mit deren Hilfe Frameworks verglichen und Gemeinsamkeiten entwickelt werden können.

Die weitere Diskussion fokussierte auf eines der prominentesten Frameworks in der institutionenökonomischen Analyse sozial-ökologischer Systeme, das von Ostrom und anderen entwickelte SES Framework. Nach einer Darstellung dieses Frameworks und seiner Bedeutung für das Forschungsprogramm der Ostrom-Schule wurden die Anwendung des SES Frameworks und spezielle Anwendungsprobleme evaluiert. Es wurde herausgearbeitet, wie die Nutzung eines analytischen Frameworks maßgeblich die Ergebnisse einer Analyse bestimmt. Hier ist generell Vorsicht geboten.
Im weiteren Verlauf des Workshops wurde eine Fallstudie zur Anwendung des SES Frameworks vorgestellt, in der es um die Analyse wetterinduzierter Störungen in Bewässerungssystemen und die Robustheit von Institutionen ging. In der Diskussion wurde der Nutzen von Frameworks betont, die Ergebnisse von Studien mit verschiedenen Methoden zu einem Untersuchungsgegenstand oder zu einer Fallstudie zusammenzubringen.

Im Ergebnis des Workshops wurden folgende Punkte unterstrichen: die Rolle von Induktion und Deduktion in der Konstruktion eines Frameworks und die Bedeutung der Vorgehensweise für die Methodenwahl, die Bedeutung des Forschungsgegenstands für die Konstruktion und Nutzung des Frameworks sowie die Diskussion über Frameworks im inter- und transdisziplinären Kontext. Übereinstimmend wurde die Bedeutung disziplinübergreifender Zusammenarbeit zu Forschungsfragen auf der Grundlage verschiedener Frameworks hervorgehoben.

3 Ergebnisse der Plenarveranstaltungen

3.1 Plenarveranstaltung "Handeln in komplexen Systemen"

In der Plenarveranstaltung wurde mit dem Thema "Handeln in komplexen Systemen" der Rahmen für die Tagung gesetzt. Zunächst gab es Beiträge aus der kognitiven Psychologie von DÖRNER und aus der Wirtschaftspolitik von FRATZSCHER. HOLM-MÜLLER, BALMANN und REISCH trugen dann zum Stand der Forschung in der Umweltökonomik, der Agrarökonomik und der Verbraucherökonomik vor.

3.1.1 Beiträge aus Psychologie und Wirtschaftspolitik

Mit seinem Vortrag "Fehler beim Handeln in Komplexität" bildete DÖRNER den Auftakt der Plenarveranstaltung und setzte sich aus Sicht der Psychologie mit den Möglichkeiten menschlichen Handelns in komplexen Systemen auseinander. Tatsächlich sind viele Probleme der modernen Gesellschaft durch einen hohen Grad an Komplexität gekennzeichnet, etwa im Vergleich zu menschlichen Alltagserfahrungen und zur Situation des Menschen früher in der Vormoderne oder gar in der Steinzeit. Menschen haben anscheinend Probleme beim Umgang mit komplexen Problemen, und das liegt vor allem daran, dass unser "Steinzeitgehirn" mit der modernen Komplexität nicht ganz so gut umzugehen gelernt hat. Was charakterisiert das Handeln von Personen beim Umgang mit Komplexität?

Komplexe Probleme sind durch verschiedene Strukturelemente gekennzeichnet. Es sind dies die Existenz vieler Variablen und ein hoher Vernetzungsgrad dieser Variablen; indirekte, unerwartete Effekte des Handelns; Undurchsichtigkeit und Zufälle; Zeitverzögerungen beim Auftreten von Effekten; und Interaktionen von Handlungen. Zur Analyse menschlichen Handelns bei Komplexität gibt es in der Psychologie verschiedene methodische Ansätze, zum Beispiel Beobachtungen, Experimente und Computersimulationen. Die Ergebnisse sind vielschichtig und zeigen typische Probleme menschlichen Handelns auf. Verbreitet sind die Reduktion von Erklärungsansätzen, ein Eine-Ursache-Denken und die Vernachlässigung von Nebenwirkungen. Zu finden ist auch "methodistisches Agieren", der Glaube an ein Handlungsmuster, dem die Annahme zugrunde liegt, dass die Bedingungen des Handelns immer gleich bleiben. "Ballistisch" agieren Menschen, wenn Maßnahmen durchgeführt, aber Effekte nicht kontrolliert werden; beliebt sind auch große Aktionen, der große Befreiungsschlag, der aber dann nicht hilft, und das Aufstellen von Verschwörungstheorien, wenn es nicht geklappt hat; und generell tut man lieber das, was man meint zu können, und nicht das, was man tun sollte.

Stimmen solche Beschränkungen menschlichen Handelns bei Komplexität pessimistisch im Gegensatz zu einem heute verbreiteten Glauben an politische Machbarkeit? Man sollte sich klarmachen, dass es sich bei den aufgezeigten Fehlern menschlichen Handelns nicht um Denkfehler oder logische Fehler handelt, diese Fehler sind vielmehr, im Sinne des Wortes, menschlich: Es ist so, dass wir bei hoher Komplexität falsche Annahmen über die Realität treffen und alles aussortieren, was unserer Sichtweise widerspricht, und das führt dann zu den falschen Verhaltensweisen. Nach DÖRNER sollten wir grundsätzlich davon ausgehen, dass jedes Problem neu ist, wir können lernen und besser agieren. Das ist mühsam, aber der einzige Weg, um mit unseren Defiziten beim Handeln in Komplexität umzugehen.

Ohne Zweifel stellt die Gestaltung von Wirtschaftspolitik ein komplexes Handlungsproblem dar. In seinem Vortrag "Investitionen für mehr Wachstum – Eine Zukunftsagenda für Deutschland" widmete sich FRATZSCHER der Entwicklung von Wirtschaft und Investitionen in Deutschland. Er skizzierte zunächst die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa im internationalen Kontext und wies auf die Probleme und Risiken im Euroraum hin. Auch für Deutschland gibt es Erfolge und Misserfolge. So ist Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit bei Exporten im Vergleich zu Industrieländern im letzten Jahrzehnt enorm gestiegen, und bei den Lohnstückkosten liegt Deutschland gegenüber dem Euroraum vorn. Andererseits waren das Wirtschaftswachstum schwach und die Produktivitätsentwicklung enttäuschend, die Reallöhne stagnierten und die Konsumausgaben entwickelten sich nur moderat.

FRATZSCHER wies insbesondere auf die niedrige und tendenziell weiter rückläufige Investitionstätigkeit in Deutschland hin. Besonders Bauinvestitionen und die sogenannten immateriellen Investitionen haben sich schwach entwickelt, über die Zeit habe sich ein erheblicher Investitionsrückstand aufgebaut. Auch die öffentliche Investitionstätigkeit ist auf niedrigem Niveau mit dem Resultat, dass das Staatsvermögen im letzten Jahrzehnt stark geschrumpft ist. Nachdenklich macht vor allem die im internationalen Vergleich langsame Entwicklung des immateriellen Anlagevermögens, des Wissenskapitals einer Gesellschaft, das für eine Wissenswirtschaft wesentlich ist, während die Lücken in der Verkehrsinfrastruktur und die Energiewende zusätzliche Anforderungen an die künftige Investitionstätigkeit stellen. Bemerkenswert ist, dass die Investitionslücke trotz hoher Ersparnisse entstanden ist; tatsächlich sind die Ersparnisse größtenteils ins Ausland geflossen und haben dort zu hohen Verlusten geführt, obwohl die Rentabilität von Investitionen in Deutschland hoch ist.

Angesichts dieser unbefriedigenden Situation plädiert FRATZSCHER dafür, jetzt zu beginnen, die Investitionslücke zu schließen, um die Substanz für künftige Generationen zu sichern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Er hält den gegenwärtigen Zeitpunkt für genau richtig, um eine Investitionsagenda zu beschließen: Es gibt finanziellen Spielraum und günstige Finanzierungsbedingungen; auch kurzfristig sind positive Wachstumsimpulse möglich; und eine solche Agenda wäre ein wichtiger Impuls für die europäische Wirtschaft und Beitrag zur Beendigung der europäischen Krise.

3.1.2 Beiträge aus Umweltökonomik, Agrarökonomik und Verbraucherökonomik

Im zweiten Teil der Plenarveranstaltung sprach zunächst HOLM-MÜLLER zum Thema "Umwelt- und Klimapolitik – Synergie oder Gegensatz?". Am konkreten Beispiel der Umwelt- und Klimapolitik konnte als wesentlicher Lerneffekt beim Handeln in komplexen Systemen herausgestellt werden, dass es von hoher Bedeutung ist, die Nebenwirkungen von Handlungen von vornherein mitzudenken.

Bis vor einigen Jahren wurde Klimaschutz als Teil des Umweltschutzes gesehen. Dies hatte gute Gründe, denn der anthropogen erzeugte Klimawandel, der durch Emissionen klimarelevanter Gase in die Umwelt verursacht wird, hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Menschen, Tieren und Pflanzen. Es war und ist auch durchaus richtig, die fossilen Energien als einen der wesentlichen Verursacher des Klimawandels zu identifizieren und nach Substituten zu suchen. Allerdings zeigte sich bald, dass der Versuch, nachwachsende Rohstoffe großflächig als Substitut für fossile Energie zu verwenden, große Probleme mit sich bringt, nicht zuletzt auch für den Umwelt- und Naturschutz. Gerade in Deutschland, wo vor allem die Förderung von Biogasanlagen sehr erfolgreich war, zeigen sich die Nachteile deutlich: Grünland wurde vermehrt umgebrochen; steigende Pachtpreise setzen Anreize für eine intensivere Nutzung der Flächen, wodurch sich gleichzeitig die Attraktivität von Extensivierungsprogrammen verringert; zudem führen der räumlich konzentrierte Anfall von Gärresten und Mängel bei der Erfassung der Nährstoffflüsse zu hohen Stickstoff- und Phosphatüberschüssen. Dabei ist noch nicht einmal klar, ob sogenannte "Carbon Debts", Emissionen aus der Umwandlung von Grünland oder vorher nicht landwirtschaftlich genutztem Land, den positiven Effekt durch die Substitution fossiler Energien nicht zunichtemachen. Vielleicht ist eine Änderung der Konsumgewohnheiten viel eher ein Weg, der nicht nur Klimaprobleme, sondern auch andere Umweltprobleme und eventuell sogar Gesundheitsprobleme reduzieren könnte.

Letztendlich resultieren die Probleme mit der Förderung von Bioenergie aus einer zu wenig integrierten Sichtweise. Es wurde zu wenig beachtet, dass die großflächige Nutzung der Ressource Land für die Energiegewinnung zwangsläufig zu Einbußen bei anderen Nutzungen führen muss. Ein vielversprechender Ansatz, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, ist der Nexus-Gedanke, der seit 2011 für den Zusammenhang Energie, Wasser und Lebensmittel propagiert wird. Hier wird gerade die endliche Verfügbarkeit der Ressourcen Wasser und Land mitgedacht und von daher von vornherein versucht, aufkommende Probleme rechtzeitig zu erkennen.

In seinem Beitrag zur Thematik "Wo stehen wir im Verständnis des Agrarstrukturwandels?" wies BALMANN zunächst darauf hin, dass derzeit viele strukturpolitische Fragen die öffentliche Debatte bestimmen. Beispiele seien die Kappung von Direktzahlungen, die Regulierung von Bodenmärkten oder auch Bestandsgrößen in der Tierhaltung. Zu beobachten ist, dass ein gesellschaftlicher Konsens zu solchen zentralen Themen derzeitig schwierig zu erreichen sein dürfte und dass sich die mediale Kompetenz zu diesen Themen weg von Wirtschaft und Wissenschaft hin zu zivilgesellschaftlichen Interessengruppen verlagert hat.

BALMANN sieht wesentliche Ursachen dieser Entwicklungen darin, dass Agrarstrukturen komplexe adaptive Systeme sind, in denen unterschiedlichste Akteure auf verschiedenen Ebenen in Zeit und Raum interagieren. Aufgrund der Komplexität sei davon auszugehen, dass diese Akteure ihre Umwelt nur subjektiv wahrnehmen und nur beschränkt rational agieren. BALMANN argumentiert, dass die beteiligten Akteure generell Defizite haben, Strukturen zu begreifen. Mangelndes Faktenwissen über Agrarstrukturen ebenso wie kognitive Schwierigkeiten ihrer Erfassung führen dazu, dass zu häufig in Kennzahlen wie "Anzahl Betriebe" und "durchschnittliche Betriebsgröße" gedacht wird. Indessen gilt auch für Betriebsgrößenverteilungen zumeist die bekannte Pareto-Regel, wonach die 20 bis 30 Prozent größten Betriebe etwa 80 Prozent der Produktion erzeugen. Deshalb mag eine Politik, die sich auf die anderen 70 bis 80 Prozent der Betriebe konzentriert, aus sozialen Erwägungen heraus verständlich sein, sie gehe jedoch an den Bedürfnissen der Hauptproduzenten vorbei. Hinzu kommt, dass selbst sozialpolitische Erwägungen an den eigentlichen Betroffenen vorbei gehen, wenn in unzutreffenden Stereotypen bzw. mentalen Modellen gedacht wird, wie etwa, dass kleine Betriebe viele Arbeitskräfte je Hektar beschäftigen würden und große wenige. In Ostdeutschland hingegen verläuft die Beschäftigungsintensität in Relation zur Betriebsgröße u-förmig; dort sind die großen juristischen Personen für die Beschäftigung im ländlichen Raum bedeutsamer als die Haupterwerbsbetriebe, erhalten je Arbeitsplatz aber weniger Subventionen.

Neben dem unzureichenden Verständnis von Strukturen sieht BALMANN ein weiteres Defizit darin, dass es Akteuren auch schwer falle, Strukturwandel zu begreifen. So deute vieles darauf hin, dass der landwirtschaftliche Strukturwandel pfadabhängig sei und suboptimale Strukturen lange Zeit überdauern. Daher unterscheiden sich auch fast 25 Jahre nach dem Mauerfall die Agrarstrukturen in Ost und West noch gravierend. Neben hohen und langanhaltenden versunkenen Kosten, wie für Gebäude oder Humankapital, sieht BALMANN weitere wesentliche Ursachen darin, dass politische Maßnahmen und institutionelle Regeln zu sehr auf die jeweils existierenden Strukturen zugeschnitten sind und nicht auf zukünftige Anforderungen. Beispiele seien die Milchquote, das Erbrecht oder die neu geschaffenen Zusatzzahlungen für die ersten Hektare. Derartige Politiken, die wohlgemeint sein mögen, setzen falsche Signale und führen häufig für die Nutznießer eher zu Abhängigkeiten als zu Zukunftsperspektiven.

Allerdings können sich Strukturen manchmal auch enorm schnell verändern. So ist die Eierproduktion innerhalb weniger Jahre von der Käfig- auf die Boden- und Freilandhaltung umgestiegen. Damit die Agrarökonomie zum besseren Verständnis des agrarstrukturellen Wandels beitragen kann, sind nach BALMANN geeignete Methoden und Konzepte erforderlich, die der Komplexität und des Umgangs damit gerecht werden. Diese Aufgabe wird im Zeitablauf nicht einfacher, wirtschaftliche Entwicklung geht mit der Zunahme von Komplexität einher. Vor diesem Hintergrund neigt die Wirtschaft dazu, die sozialen Kosten des Wandels zu ignorieren, was Widerstand hervorruft, während die Politik dazu neigt, den Status quo überzubewerten und überzuregulieren. Um dieses Dilemma zu überwinden, sind neue Lösungen erforderlich, insbesondere solche, die mit der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch die Wirtschaft soziale Transaktionskosten überwinden helfen.

Den Abschluss der Plenarveranstaltung bildete der Vortrag von REISCH zum Thema "Kann die Politik erfolgreich Verbraucherverhalten verändern? Empirische Befunde und Praxiserfahrungen der verhaltensbasierten Regulierung". Eine effektive Verbraucher- und Nachhaltigkeitspolitik zeichnet sich nach REISCH dadurch aus, dass Verbraucher ihr Kauf- und Konsumverhalten verändern: Konsum soll ökologisch verträglicher, sozial gerechter, gesünder und ressourcenschonender werden und den langfristigen Bedürfnissen der Menschen selbst sowie ihrer sozialen und ökologischen Umwelt besser entsprechen. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Politik bis heute stark auf Information und Wissen. Empirische Analysen zeigen allerdings, dass dem vorherrschenden "Informationsparadigma" in der Praxis viel engere Grenzen gesetzt sind als dies im Leitbild des "souveränen" und wohlinformierten Konsumenten angelegt ist. Seit einiger Zeit werden daher verstärkt andere Politikinstrumente sowie eine optimierte – und vereinfachte – Information und Beratung diskutiert und eingesetzt. Als besonders erfolgversprechende Optionen gelten neurowissenschaftlich und verhaltensökonomisch basierte Ansätze, die sogenannte "soziale Regulierung" oder "Nudging". Solche Ansätze sind vielversprechend: erstens im Bereich der Ausgestaltung von Verbraucherinformation und -kommunikation (framing, anchoring, Komplexitätsreduktion durch Vereinfachung, gute Verständlichkeit, Einsatz von emotionalen Elementen); zweitens im Gestalten von Wahloptionen durch ein gezieltes Design einer "Architektur der Wahl" (Defaults, Reduktion der Alternativen, Auslisten), um Heuristiken entgegenzuwirken, die eine optimale Konsumentscheidung verhindern (wie zu frühes Abbrechen der Informationssuche bei folgenreichen Konsum- oder Finanzentscheidungen); und drittens im systematischen Entgegenwirken verbreiteter Verhaltensweisen ("biases"), sich etwa tendenziell zu überschätzen (Overconfidence), Aufgaben hinauszuschieben (Prokrastination) sowie zukünftigen Nutzen übermäßig stark zu unterschätzen und den Gegenwartsnutzen zu überschätzen (hyperbolische Diskontierung). Besonders relevant für die Anwendung in der Verbraucherpolitik scheint die Idee der "Vereinfachung" von Information und Kommunikation, aber auch des Zugangs (Access) zu sein, beispielsweise das Anbieten klarer Wegweiser und der vereinfachte Zugang zu sozial erwünschten Optionen.

Empirische Erfahrungen mit verhaltensökonomisch – und zunehmend auch neurowissenschaftlich – basierten verbraucherpolitischen Instrumenten gibt es international insbesondere im Bereich der Finanzentscheidungen, der gesunden Ernährung und der körperlichen Bewegung sowie im Bereich des nachhaltigen Konsums, insbesondere in Bezug auf das Energienutzungsverhalten und die Wahl von Energieanbietern, energieeffizienten Geräten sowie umweltfreundlichen Automobilen. Für die Marketingforschung und -praxis sind diese Überlegungen keinesfalls neu; neu ist dagegen, dass verhaltensbasierte Instrumente systematisch und strategisch für verbraucherpolitische, gesundheitspolitische und nachhaltigkeitspolitische Ziele eingesetzt werden.

3.2 Podiumsdiskussion: "Niemand hat die Absicht, die Direktzahlungen abzuschaffen" oder: "Warum die Agrarpolitik (noch immer) nicht so ist, wie sie sein sollte"

Die Podiumsdiskussion zum Abschluss der Jahrestagung fand vor dem Hintergrund der Ergebnisse des Brüsseler "Trilogs" über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU nach 2013 statt. Im Fokus der Diskussion sollte nicht so sehr die Sinnhaftigkeit der Direktzahlungen an sich stehen, sondern vielmehr die Frage, warum es die Direktzahlungen überhaupt noch gibt, wenn so viele, anscheinend zwingende Gründe für ihre Abschaffung sprechen. Insbesondere Agrarökonomen haben viele Argumente gegen eine Fortführung der Direktzahlungen vorgetragen, die aber in der breiten Öffentlichkeit und unter Entscheidungsträgern wenig Beachtung gefunden haben. Auf dem Podium diskutierten FEINDT, NIEBERG, WEHRHEIM und WILLE unter der Moderation von VON CRAMON-TAUBADEL, die alle über umfangreiche Erfahrungen an den Schnittstellen zwischen (agrar)ökonomischer Forschung und angewandter Agrarpolitik verfügen. Nach Eingangsstatements der PodiumsteilnehmerInnen entwickelte sich eine rege Diskussion, an der sich auch viele Zuhörer mit Fragen und Wortbeiträgen beteiligten.

Vor allem die Frage, ob Agrarökonomen sich ausreichend bemühen würden, ihre Analysen an den Bedürfnissen von Entscheidungsträgern auszurichten und ihre Ergebnisse entsprechend verständlich zu kommunizieren, wurde aus verschiedenen Blickwinkeln thematisiert. Vor dem Hintergrund der in Anlehnung an einen Artikel von SCHMITT ("Warum die Agrarpolitik ist, wie sie ist, und nicht, wie sie sein sollte") gewählten Überschrift der Podiumsdiskussion wurde gefragt, ob es tatsächlich einen Konsens in der wissenschaftlichen Agrarökonomie darüber gibt, wie die Agrarpolitik sein sollte. Betont wurde die Bedeutung von Pfadabhängigkeiten in der agrarpolitischen Entscheidungsfindung, und es wurde festgestellt, dass die Debatte über die neueste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in einer Zeit stattfand, die weitgehend frei von exogenen Zwängen war, die Pfadbrüche im Sinne eines Instrumentenwechsels unumgänglich gemacht hätten. Im Gegenteil, eine radikale Reform der Direktzahlungen würde insbesondere die über Jahrzehnte austarierte Balance zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern in der EU stören, wofür es in Zeiten der Euro- und Finanzkrise keine politische Mehrheit gibt.

Es wurde daran erinnert, dass die Direktzahlungen selbst ein wirtschaftspolitisches Instrument darstellen, das in den 1970er-Jahren aus der Wissenschaft vorgeschlagen und zunächst von Politikern als völlig unrealistisch und nicht umsetzbar abgelehnt wurde, bevor dieses Instrument etwa 20 Jahre später von Agrarkommissar MacSharry schließlich doch aufgegriffen und eingeführt wurde. Die Geschichte der Direktzahlungen zeigt, dass agrarökonomische Forschung durchaus relevant für die Agrarpolitik ist, wenn auch die auf Basis dieser Forschung gewonnenen Erkenntnisse sich manchmal erst nach langer Verzögerung durchsetzen. Andererseits wurden die Direktzahlungen, anders als von Agrarökonomen gefordert, weder zeitlich befristet, noch personengebunden umgesetzt. Einige Teilnehmer an der Diskussion sahen hierin eine Bestätigung dafür, dass wissenschaftliche Agrarökonomen sich stärker mit den entscheidenden Diskurs- und Entscheidungsprozessen in der Politikgestaltung beschäftigen sollten. Zum Schluss der Veranstaltung wurden alle Podiumsteilnehmer nach ihrer Einschätzung zur Zukunft der Direktzahlungen gefragt. Es gab weitgehend Konsens darüber, dass die Direktzahlungen auch über 2020 hinaus ein Schlüsselelement der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU bleiben werden.

4 Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeitsgruppenvorträge

4.1 Verhalten landwirtschaftlicher Unternehmer

Die Beiträge von GRÜNER; LIEBENEHM und WAIBEL; sowie DÖRSCHNER und MUSSHOFF stellten auf das Verhalten landwirtschaftlicher Unternehmer ab.

Im Beitrag von GRÜNER wurden staatliche Eingriffe aus einer verhaltensökonomischen Perspektive untersucht. Dabei wurden Erkenntnisse aus der experimentellen Wirtschaftsforschung vorgestellt. Zunächst wurden systematische Abweichungen im menschlichen Verhalten vom Modell des rationalen Erwartungsnutzenmaximierers diskutiert und die politische Relevanz solcher Abweichungen für den Agrar- und Umweltbereich aufgezeigt. Nach einer Analyse unterschiedlicher Verhaltensmotive lag der Fokus auf den ökonomischen Kosten der Regulierung. Als zentrale Faktoren wurden neben der fehlenden Treffsicherheit der anvisierten Zielgröße nicht-intendierte Folgen und direkte Kosten der Politikfolgenabschätzung identifiziert und diskutiert. Festzuhalten bleibt: Um ein gegebenes Regulierungsziel zu erreichen, ist ein Abwägungsprozess zwischen der Vor- und Nachteilhaftigkeit von Markt- und Staatslösungen erforderlich.

In der Studie von LIEBENEHM und WAIBEL wurden zeitliche Präferenzen und Risikopräferenzen von kleinbäuerlichen Rinderzüchtern in Westafrika untersucht, und es wurde diskutiert, in welcher Beziehung demografische und sozio-ökonomische Merkmale zu diesen Präferenzen stehen. Die zeitlichen und die Risikopräferenzen sind mit einem Maximum-Likelihood-Ansatz geschätzt worden. Die Ergebnisse zeigen, dass westafrikanische Rinderfarmer Risikoinformationen wenig nutzen und im Allgemeinen risikoavers sind. Die ermittelten Zeitpräferenzen zeigen einen höheren Grad an Verharrungstendenzen als erwartet. Einkommen, Bildung und Religion sind mit den zeitlichen Präferenzen und den Risikopräferenzen hoch korreliert.

DÖRSCHNER und MUSSHOFF untersuchten in ihrem Beitrag, ob Änderungen in den Einkommensrisiken und individuelle Risikoeinstellungen die niedrige Akzeptanz von Agrarumweltmaßnahmen begründen. Dazu wurde ein normatives Modell entwickelt, das die Höhe der Prämien, die die Landwirte für die Anwendung von Umweltmaßnahmen fordern werden, unter Berücksichtigung von Einkommensrisiken und verschiedenen Risikoeinstellungen darstellt. Das Modell wurde für Agrarumweltmaßnahmen angewandt, die auf die Erhöhung der Artenvielfalt der Fauna abzielen. Gezeigt werden konnte, dass Änderungen der Einkommensrisiken und der Risikoeinstellungen die minimalen Kompensationsforderungen der Landwirte für die Teilnahme an Agrarumweltmaßnahmen signifikant beeinflussen können.

4.2 Internationale Nahrungsmittelmärkte

In der Arbeitsgruppe "International food markets" ging es um Entwicklungen auf internationalen Nahrungsmittelmärkten. GÖTZ et al. untersuchten Exportquoten für Weizen in der Ukraine, LEHECKA stellte eine empirische Analyse zur Integration von Nahrungsmittel- und Finanzmärkten vor, und HAILE und KALKUHL gingen auf die Implikationen der Volatilität auf den internationalen Nahrungsmittelmärkten für das Angebot von Agrarprodukten und die Markt- und Preispolitik ein.

Der Beitrag von GÖTZ et al. fokussierte auf die zeitweiligen Exportrestriktionen der Ukraine während der Preisspitzen auf den internationalen Getreidemärkten. Aus theoretischer Sicht wird erwartet, dass Exportrestriktionen zu Preisdifferenzierung und zu multiplen räumlichen Gleichgewichten auf Inlands- und Weltmärkten führen. Die von den Autoren durchgeführte Analyse ist insofern einzigartig als sie die Existenz linearer versus nicht-linearer Kointegration mit einem "smooth transition cointegration"-Modell überprüft. In Bezug auf die Weizenexportquoten in der Ukraine konnte zeigt werden, dass der Weizenpreis während der letzten beiden Preisspitzen etwa 30 Prozent unterhalb des internationalen Weizenpreises stabilisiert wurde. Der Weizenpreis in der Ukraine hätte sich im selben Maß erhöht, wenn kein Land weltweit zwischen 2006 und 2008 preisdifferenzierende Maßnahmen ergriffen hätte.

LEHECKA analysierte gemeinsame Preisbewegungen und diskutierte die mögliche Marktintegration zwischen aggregierten Nahrungs- und Rohstoffmärkten im Zeitraum 1990 bis 2012. Auf der Grundlage monatlicher Daten des FAO-Nahrungsmittelpreisindex und des MSCI-Weltrohstoffmarktindex wurden Korrelationen, Kointegration und Granger-Kausalitäten getestet, um besser zu verstehen, ob und warum sich Interdependenzen zwischen Nahrungsmittel- und Finanzmärkten verstärkt haben. Die empirischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass gemeinsame Preisbewegungen sich seit der Lehman-Krise und der Rezession merklich vergrößert haben, während es in Bezug auf strukturelle Änderungen, etwa als Folge von Agrarpolitikänderungen, gestiegener Nachfrage in den Schwellenländern, der Energiepolitik oder zunehmender Finanzialisierung der Nahrungsmittelmärkte, nur schwache Anzeichen für größere gemeinsame Preisbewegungen gibt. Die Schlussfolgerung ist, dass strukturelle Veränderungen nicht der Schlüsselfaktor für größere gemeinsame Preisbewegungen sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Rezession in den 2000er-Jahren, ökonomische Schwäche und Unsicherheit das Verhalten der Marktteilnehmer sowohl auf den Nahrungsmittel- als auch Finanzmärkten verändert haben, so dass diese Märkte heute verstärkt gemeinsame Preisbewegungen aufweisen.

HAILE und KALKUHL wollten mit ihrem Beitrag zu einem besseren Verständnis von Anbauentscheidungen von Produzenten und insbesondere zum Einfluss von Preisänderungen und Preisvolatilität beitragen. Sie schätzten globale "Anbau-Reaktions-Funktionen" für die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Weizen, Mais, Sojabohnen und Reis) und nutzten hierfür global aggregierte Zeitreihendaten und länderübergreifende Paneldaten. Die Analyse ist ein Beitrag zur Debatte über die Regulierung landwirtschaftlicher Märkte aus der Perspektive landwirtschaftlicher Produzenten. Die Ergebnisse bestätigen, dass höhere Outputpreise sicherlich Anreize zur Erhöhung des globalen Getreideangebots bieten; sie zeigen aber auch, dass die Volatilität von Outputpreisen eher demotivierend auf landwirtschaftliche Investitionen zur Ausdehnung der Getreideanbaufläche wirkt. Abhängig vom betrachteten Produkt liegt die kurzfristige Anbauflächenelastizität zwischen 0,05 und 0,25. Die Preisvolatilität trägt bei allen Produkten, mit Ausnahme von Sojabohnen, dazu bei, die Anbauflächenausdehnung zu reduzieren. Die Schlussfolgerung der Autoren ist, dass Instrumente des Risikomanagements, wie zum Beispiel eine Marktregulierung, aber auch marktbasierte Instrumente wie Warenterminmärkte oder Vertragslandwirtschaft, auf Produkte und Länder zugeschnitten sein müssen.

4.3 Ländliche Entwicklung und Ressourcen

Die Autoren befassten sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Problemen der ländlichen Entwicklung und der Ressourcennutzung. THIEL thematisierte Governance-Fragen bei der Nutzung von Wasserressourcen, MANN analysierte die Förderprogramme zur ländlichen Entwicklung in der Schweiz und KIRCHWEGER et al. untersuchten Wechselwirkungen zwischen der Investitionsförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen in Österreich.

Ausgangspunkt für den Beitrag von THIEL ist die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die die Bedingungen der Governance im Bereich der Ressource Wasser in Europa signifikant verändert hat. In dem Beitrag wird ein Framework zur Erklärung dieser Entwicklung vorgestellt, und dieses Framework wird für drei Fallbeispiele genutzt. Das Framework integriert verschiedene Theorien zum institutionellen Wandel, um den unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Akteure gerecht zu werden. Es führt zu zwei Erklärungsansätzen, wie Wasser-Governance organisiert wird: Sie kann einmal das Ergebnis der Verfolgung individueller Interessen der Akteure (interessenbestimmter Erklärungsansatz) und zum anderen das Ergebnis einer Kostenminimierungs-Strategie der Akteure sein (funktionalistischer Erklärungsansatz). Der entwickelte analytische Rahmen wurde in drei Fallstudien auf die Situation in Spanien, Portugal und Deutschland angewandt. Die Ergebnisse der qualitativen Fallstudien erlauben die Entwicklung erster Elemente einer Theorie der "scalar organisation". Die Autoren kommen zu der Schlussfolgerung, dass Veränderungen des Wertes von Ressourcen und von Produktionstechnologien die bevorzugten Ergebnisse und die mentalen Modelle der verschiedenen Akteure beeinflussen. Des Weiteren spielen Veränderungen bei Institutionen und Ideologien eine Rolle. Im Ergebnis verändern diese Faktoren die Transaktionskosten und den Nutzen spezieller Governance-Arrangements. Das sind jedoch noch keine notwendigen oder ausreichenden Bedingungen für eine "scalar reorganisation" der Governance im Bereich Wasser. Was Akteursgruppen aus Kosten-Nutzen-Sicht als vorteilhaft ansehen, hängt auch vom spezifischen institutionellen Umfeld ab. Um Veränderungen in dem zu erreichen, was Akteure als bevorzugte Ziele und Mittel ansehen, und um Kompetenzänderungen zu ermöglichen, müssen die betroffenen Akteure ihre Positionen in Verhandlungen und Änderungsprozesse einbringen können.

MANN widmete sich in seinem Beitrag dem in der ländlichen Entwicklung häufig anzutreffendem Problem diverser Förderinstrumente unterschiedlicher Institutionen. So wurde festgestellt, dass in zahlreichen Ländern sowohl vom Wirtschaftsministerium als auch vom Landwirtschaftsministerium Programme der ländlichen Entwicklung entwickelt und angeboten werden. In der Schweiz werden etwa Projekte zur Förderung der Wertschöpfung im ländlichen Raum sowohl unter dem Dach der Neuen Regionalpolitik als auch im Rahmen des Landwirtschaftsgesetzes gefördert. Die Analyse dieses Fallbeispiels führt zu der Forderung, die Instrumente stärker zu koordinieren und möglichst zu integrieren. Eine Angleichung der Förderrichtlinien könnte eine einheitliche Verlagerung der Entscheidungskompetenzen auf die kantonale Ebene und ein gemeinsames Wissensmanagement die Transparenz und die Effizienz der Regionalpolitik deutlich erhöhen.

Auch KIRCHWEGER et al. untersuchten Instrumente der ländlichen Entwicklung. In Österreich sind das Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) und das Investitionsförderprogramm neben der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete die wichtigsten Instrumente des Ländlichen Entwicklungsprogramms. Im Sinne eines effizienten Einsatzes staatlicher Mittel sind mögliche auftretende Zielkongruenzen zwischen diesen Förderinstrumenten von besonderem Interesse. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Umstellung auf eine biologische Wirtschaftsweise und die Inanspruchnahme von Investitionsförderung. Mit Hilfe statistischer Methoden wurde der Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme der Investitionsförderung und der Teilnahme an ÖPUL-Maßnahmen ermittelt. Darüber hinaus wurde der Einfluss von Wechselwirkungen der Fördermaßnahmen "Investitionsförderung" und "Umstellung auf die biologische Wirtschaftsweise" für den wirtschaftlichen Erfolg landwirtschaftlicher Unternehmen quantifiziert. Als Indikator für wirtschaftlichen Erfolg diente der Standarddeckungsbeitrag. Die Ergebnisse zeigen einen überwiegend positiven Zusammenhang zwischen Investitionsförderung und der Teilnahme an Maßnahmen des Agrarumweltprogramms ÖPUL, wobei es zwischen den einzelnen Betriebsformen erhebliche Unterschiede gab. Die detaillierte Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Investitionsförderung und der ÖPUL-Maßnahme "biologische Wirtschaftsweise" zeigte, mit Ausnahme der Veredelungsbetrieben, signifikant höhere Teilnahmeraten bei gleichzeitiger Inanspruchnahme einer Investitionsförderung.

4.4 Effizienz und Produktivität

Im ersten Beitrag der Arbeitsgruppe "Efficiency and Productivity" befassten sich PETRICK und KLOSS mit der Bestimmung der Faktorproduktivität in der EU-Landwirtschaft, KANTELHARDT et al. untersuchten die Entwicklung der Effizienz in der alpinen Landwirtschaft, und im Beitrag von SAUER, GORTON und DAVIDOVA ging es um Probleme der Migration und der Effizienz in der Landwirtschaft im Kosovo.

PETRICK und KLOSS stellten fest, dass das klassische Problem der Messung von Produktivität durch die jüngsten Preisanstiege auf den Weltagrarmärkten wieder neu von Interesse ist. Gleichzeitig gibt es eine neue methodische Debatte zur Berücksichtigung von Endogenitäts- und Kollinearitätsproblemen bei der Schätzung von Produktionsfunktionen. In dem Beitrag wurden die Plausibilität alternativer Identifikationsstrategien untersucht und zwei innovative Schätzer für die Landwirtschaft in sieben EU-Ländern unter Verwendung von Paneldatensets auf Betriebsebene getestet. Die Autoren hoben hervor, dass Kontrollfunktions- und dynamische Paneldaten-Ansätze attraktive konzeptionelle Verbesserungen darstellen. Trotzdem konnte die empirische Umsetzung nicht immer den Erwartungen gerecht werden. Das traf vor allem auf den dynamischen Panelschätzer zu, der meist keine vernünftigen Elastizitäten für die (quasi-)fixen Faktoren identifizieren konnte. Weniger anspruchsvolle Proxy-Ansätze stellen eine interessante Alternative für Anwendungen im Agrarsektor dar. Für die untersuchten EU-Länder fanden die Autoren sehr niedrige Schattenpreise für Arbeit, Land und fixes Kapitel. Die Produktionselastizität bei materiellen Inputs ist hoch, sodass Verbesserungen in der Verfügbarkeit von Umsatzkapital den besten Weg darstellen, die Produktivität der Landwirtschaft zu erhöhen.

KANTELHARDT et al. wandten sich in ihrem Beitrag dem Problem der Einführung neuer Technologien und der Modernisierung von Betrieben in der Berglandwirtschaft zu. Sie stellten fest, dass diese Prozesse hier aufgrund kleiner Betriebsgrößen, schwieriger klimatischer Bedingungen und steiler Hänge sehr kostspielig sind. Die Forschungshypothese der Autoren war deshalb, dass der technische Fortschritt in Bergregionen im Vergleich zum Flachland langsamer verläuft. Um diese Hypothese zu testen, wurde ein Modell entwickelt, das einen Malmquist-Index-Ansatz mit einer "Matching"-Analyse verbindet, und dieses Modell wurde anhand eines Paneldatensatzes, der Daten von 1.034 österreichischen Betrieben mit freiwilliger Buchführung für die Jahre 2003 bis 2009 umfasste, angewandt. Dabei wurden die Betriebe auf Basis des österreichischen Bergbetriebskatasters in fünf Gruppen nach dem Grad der Benachteiligung klassifiziert. Die Ergebnisse zeigten, dass der technische Fortschritt in Bergregionen signifikant langsamer verläuft als in Flachlandregionen und mit zunehmender Benachteiligung abnimmt. Dieses Ergebnis hing hauptsächlich ab vom Graslandanteil, während die Betriebsgröße von geringerer Bedeutung war. In Bezug auf Änderungen von Effizienz und Faktorproduktivität konnten die Autoren keine signifikanten Ergebnisse finden.

SAUER, GORTON und DAVIDOVA untersuchten in ihrem Beitrag die Problematik der Migration für die Effizienz in der Landwirtschaft im Kosovo. Wie die meisten ländlich geprägten Länder Zentral- und Osteuropas war auch der Kosovo mit einer erheblichen Auswanderung konfrontiert. Die Autoren untersuchten das Problem auf der Basis einer großen und repräsentativen Stichprobe von 2.217 landwirtschaftlichen Haushalten. Sie nutzten einen zweistufigen Schätzprozess: eine "Frontier"-Analyse, um den Effekt der Migration auf die Effizienz der Betriebe zu ermitteln, und eine "Matching"-Analyse zur Darstellung des Effizienzeffektes in Abhängigkeit vom Migrationsausmaß. Die Ergebnisse bestätigen, dass Migration die Effizienz senkt und dass dieser Effekt umso stärker ausfällt, je besser ausgebildet und älter die abwandernden Beschäftigten sind.

4.5 Bioenergie

In dieser Arbeitsgruppe wurden Ergebnisse ganz verschiedener Herangehensweisen an die Problematik der Bioenergieproduktion in der Landwirtschaft vorgestellt. HENKE und THEUVSEN stellten in einem "Social Life Cycle Assessment" eine sozioökonomische Analyse der Biogasproduktion vor. GRANOSZEWSKI und SPILLER diskutierten die vertragliche Zusammenarbeit von Landwirten bei der energetischen Biomasselieferung. Schließlich thematisierten SCHOLZ, MEYER-AURICH und KIRSCHKE Bestimmungsfaktoren der Silomaisproduktion mit einer räumlich-ökonometrischen Analyse.

In ihrem Beitrag stellten HENKE und THEUVSEN fest, dass die Biogasproduktion in Deutschland nach einer zunächst positiven öffentlichen Bewertung zunehmend kritischer diskutiert wird. Das gilt insbesondere für sozioökonomische Problemfelder wie die Auswirkungen der verursachten Strompreiserhöhung auf Konsumenten oder die Veränderung des Landschaftsbildes. Die Autoren stellten eine erstmalig durchgeführte ganzheitliche sozioökonomische Bewertung der Biogasproduktion mittels eines weiterentwickelten Social Life Cycle Assessments und im Vergleich mit anderen erneuerbaren Energien vor. In diesem Vergleich der sozioökonomischen Auswirkungen der Wertschöpfungsketten Biogas-, Wind-, Solar- und Wasserenergie wurde die Biogasproduktion deutlich schlechter bewertet.

GRANOSZEWSKI und SPILLER thematisierten in ihrem Beitrag die vertragliche Zusammenarbeit bei der energetischen Biomasselieferung. Ausgangspunkt war die Feststellung, dass im Zuge der Energiewende immer mehr Bioenergieanlagenbetreiber an Landwirte herantreten, um ihren Biomassebedarf langfristig vertraglich abzusichern. Mit der durchgeführten Untersuchung sollte die Kenntnislage über die Vertragsmotivationen von Landwirten verbessert werden. Dazu wurde von den Autoren zunächst auf Basis einer Befragung von 209 Landwirten eine Segmentierung von Betriebsleitern anhand ihrer unternehmerischen Einstellungen durchgeführt. Die identifizierten Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der wahrgenommenem Vertragsnutzen und der Bindungsbereitschaft. Langfristig bindungsbereite Vertragsbefürworter zeichneten sich durch eine geringe Autonomiepräferenz aus. Die in der Literatur häufig bestätigte Motivation, aus Risikogesichtspunkten Verträge einzugehen, konnte dagegen nicht nachgewiesen werden. Auf Basis der Ergebnisse konnten die Autoren Managementempfehlungen hinsichtlich der Akquise von Vertragslieferanten sowie Schlussfolgerungen für die Vertragsforschung geben.

Die Analyse der Bestimmungsfaktoren der Silomaisproduktion war das zentrale Thema des Beitrags von SCHOLZ, MEYER-AURICH und KIRSCHKE. Der Ausbau der Silomaisproduktion hat in den vergangenen Jahren eine dynamische Entwicklung erlebt. Dies geschah vor dem Hintergrund kontinuierlich abnehmender Rinderbestände und einem rasanten Anstieg der Biogasproduktion. Angaben zum tatsächlichen Anbauumfang von Silomais für die deutsche Biogaserzeugung divergieren allerdings für das Jahr 2010 zwischen 500.000 und 800.000 Hektar. Die Autoren stellten ein räumlich-ökonometrisches Schätzmodell für den Einsatz von Silomais in der Biogasproduktion und in der Milch- und Rinderhaltung im Bundesland Bayern vor. Der geschätzte Anteil von Silomais an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Bayern betrug 4,5 Prozent für die Biogasproduktion und 7,2 Prozent für die Milch- und Rindviehhaltung; für energetische Zwecke wurden demnach rund 40 Prozent der Silomaisproduktion eingesetzt. Den Autoren zufolge sollten mögliche Nutzungskonkurrenzen zwischen traditionellen Anbausystemen und der Biogasproduktion regional differenziert und auf einem möglichst hoch auflösenden räumlichen Aggregationsniveau betrachtet werden.

4.6 Governance und Arbeit

Zum Einstieg in die Arbeitsgruppe stellten HOOP et al. eine empirische Untersuchung zu Schweizer Familienbetrieben vor, die die Dynamik unterschiedlicher Institutionalisierungsformen landwirtschaftlicher Arbeit in den Fokus rückt. MÜLLER, VON DER LEYEN und THEUVSEN analysierten die Arbeitsplatzwahl von Saisonarbeitskräften vor dem Hintergrund der vollen Freizügigkeit für Arbeitnehmer, und im Beitrag von PATIL und GHOSH ging es um Governance-Aspekte in einem Bewässerungsprojekt in Indien.

In ihren Beitrag untersuchten HOOP et al. die Entwicklung des Arbeitskräfteeinsatzes von 2.000 Schweizer Buchhaltungsbetrieben zwischen 2004 und 2009. Dabei wurde nach dem Einsatz von Familienarbeitskräften innerhalb und außerhalb des Betriebs, Fremdarbeitskräften und Lohnarbeit von Dritten und für Dritte differenziert. Die Autoren konnten für über die Hälfte der Betriebe einen konstanten Arbeitseinsatz feststellen. Für die restlichen Betriebe ergab eine Clusteranalyse sieben verschiedene Muster der Veränderung des Arbeitseinsatzes. Ein interessantes Ergebnis der Studie war, dass sich in der Entwicklung des Einkommens die Cluster teilweise deutlich unterschieden, während in der Entwicklung der totalen Faktorproduktivität keine signifikanten Unterschiede ermittelt werden konnten.

Im Mai 2011 stellte Deutschland als einer der letzten EU-Staaten die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger der acht neuen EU-Mitgliedstaaten her. Vor diesem Hintergrund untersuchten MÜLLER, VON DER LEYEN und THEUVSEN mögliche Auswirkungen auf den Einsatz von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft. Schon bislang konnten Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa eingesetzt werden, jetzt ergaben sich damit aber neue Herausforderungen im Bereich des Personalmanagements. Aufbauend auf verschiedenen theoretischen Ansätzen analysierte diese Studie daher, welche Faktoren die Arbeitsplatzwahl von Saisonarbeitskräften beeinflussen. Die empirische Untersuchung zeigte, dass mit zunehmender Arbeitszufriedenheit sowie zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit, dass Arbeitskräfte in der Landwirtschaft bleiben, steigt. Aus den empirischen Ergebnissen schlussfolgerten die Autoren, dass landwirtschaftliche Betriebe für ein gutes Betriebsklima sorgen, die psychischen Kosten für die Arbeitnehmer möglichst gering halten und in erfolgreiche Netzwerke mit Saisonarbeitskräften investieren sollten, um einem Arbeitgeberwechsel vorzubeugen.

Den Hintergrund für die Untersuchung von PATIL und GHOSH bildet das in Entwicklungsländern häufig anzutreffende Prinzip, durch Infrastrukturprojekte, zum Beispiel Bewässerungsprojekte, verdrängte Landwirte monetär zu entschädigen. Die Annahme ist, dass hierdurch der vorhandene Lebensstandard gewahrt bleibt. Insbesondere erhalten Landwirte oft ein Vielfaches des registrierten Landwertes an monetärer Entschädigung; sie sollen auf diese Weise annähernd Marktpreise für das verlorene Land erhalten, um sich wieder vergleichbares Land kaufen zu können. Dennoch hat ein großer Teil der bäuerlichen Bevölkerung nach einer solchen Entschädigung keinen vergleichbaren Landbesitz mehr und wird weiter marginalisiert. Es gab daher in jüngster Zeit Versuche, den Entschädigungsmechanismus zu reformieren. Im Fokus der Autoren stand ein neues Gesetz in Indien: das in 2001 verabschiedete Landbeschaffungs-, Rehabilitierungs- und Siedlungsgesetz, dessen Entstehungsgeschichte von den Autoren ausführlich beschrieben wird. Nach dem neuen Gesetz wird den Landwirten im Fall von Bewässerungsprojekten durch die Umsetzungsbehörde selbst eine minimale Landfläche zu Verfügung gestellt. Die Autoren untersuchten Governance-Aspekte des neuen institutionellen Rahmens mit Hilfe der Transaktionskostenanalyse. Die zentrale Frage war, ob der neue Entschädigungsmechanismus effizienter ist als der bisherige.

4.7 Milcherzeugung und -verarbeitung

Den Auftakt in dieser Arbeitsgruppe gestalteten KIEFER, BAHRS und OVER mit einer Darstellung der potenziellen Vorteile der Vollweidehaltung in der Milchproduktion. BRONSEMA, SONNTAG und THEUVSEN thematisierten die Determinanten der Wettbewerbsfähigkeit von Milchviehbetrieben außerhalb von Erzeugungszentren. RATINGER und BOSKOVA untersuchten Herausforderungen für die tschechische Milchindustrie mit dem Fokus auf Innovations- und Wissenstransfer.

Ziel des Beitrags von KIEFER, BAHRS und OVER war es, die Vorzüglichkeit verschiedener Weidesysteme in der Milchproduktion zu ermitteln. Untersuchungsgegenstand waren mit Unterstützung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg 81 zufällig ausgewählte Milchviehbetriebe in Süddeutschland mit Weidehaltung im Haupterwerb. In diesen Betrieben wurden die Arbeitswirtschaft, die Betriebszweigauswertung Milchvieh/Jungvieh, einzelbetriebliche Buchführungsergebnisse sowie die Produktionstechnik der Weidewirtschaft über drei Wirtschaftsjahre (2009 bis 2011) analysiert. Aus den Untersuchungen ging hervor, dass vor allem durch ökologische und grundfutterbetonte Milchproduktion mit intensiver (Voll-)Weidenutzung auf arrondierten Grünlandflächen hohe Grundrenten pro Hektar erzielt werden konnten. Im Vergleich zu konventionellen Spitzenbetrieben mit ganzjähriger Stallhaltung wiesen die untersuchten Weidebetriebe eine gute Wettbewerbsfähigkeit auf. Daher ist davon auszugehen, dass sich insbesondere die Vollweidehaltung in Verbindung mit ökologischem Landbau vor allem auf marginalen Grünlandstandorten weiter ausdehnen kann, sofern die ökologisch wirtschaftenden Betriebe weiterhin mit vergleichbaren Preisaufschlägen für ökologisch gegenüber konventionell produzierter Milch sowie mit bisherigen Förderniveaus rechnen können. Die Autoren argumentierten, dass die Ausdehnung dieser Weidemilcherzeugung für Grenzertragsregionen einen Mehrwert liefern könnte sowie einen Beitrag zur Erreichung gesellschaftlich gewünschter Nachhaltigkeitskriterien darstellt.

BRONSEMA, SONNTAG und THEUVSEN stellten zunächst fest, dass das Forschungsinteresse zu den Wettbewerbsbedingungen in der Milchproduktion vielfach auf Erzeugungszentren gerichtet ist. In ihrem Beitrag standen jedoch landwirtschaftliche Gemischtregionen, die sich durch Produktionsvielfalt ohne eindeutige Schwerpunktbildung auszeichnen, im Mittelpunkt. Durch die Konkurrenz mit anderen Produktionszweigen und aufgrund anderer Rahmenbedingungen unterscheidet sich die Wettbewerbssituation der Milchproduktion in diesen Gebieten von der in den Intensivregionen. Grundlage der Analyse war eine empirische Erhebung. Anhand einer Faktoranalyse konnten sowohl allgemeingültige als auch regionsspezifische Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit identifiziert werden. In einer anschließenden Regressionsanalyse ließ sich ein signifikanter Einfluss vornehmlich der allgemeingültigen Faktoren, namentlich der Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren, der Spezialisierungsneigung und der Präferenz für die Milchviehhaltung, nachweisen.

RATINGER und BOSKOVA untersuchten in ihrem Beitrag Innovationsaktivitäten und Wissenstransfer in der Milch verarbeitenden Industrie in der Tschechischen Republik. Um das Potenzial für die Steigerung einer nachhaltigen Milchproduktion beurteilen zu können, lag der Fokus insbesondere auf Unternehmen mit einer engen Zusammenarbeit mit Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen. Die meisten der interviewten Milchverarbeiter unterstrichen, dass Nachhaltigkeitsziele innerhalb der Unternehmensstrategie keinen hohen Rang haben, obwohl sich hier ein großes Potenzial für Innovationen zeigt. Aus den Interviews und auch aus der Statistik wurde ersichtlich, dass das Niveau der Zusammenarbeit bei Innovationen in der tschechischen Nahrungsmittelverarbeitung und insbesondere bei den Milchverarbeitern eher niedrig ist. Das geringe Kooperationsniveau bereitet nicht nur Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen, sondern auch den Landwirten und anderen Akteuren Sorge. Den Autoren zufolge lässt sich dieser Mangel an Kooperation teilweise auf den Schutz von Eigentumsrechten und auf die Notwendigkeit, Wettbewerbsvorteile zu erlangen, zurückführen. Weiterhin zeigte sich, dass Unternehmen mit eigenem Forschungs- und Entwicklungspersonal eine höhere Absorptionsfähigkeit für Innovationen und demzufolge auch ein höheres Bedürfnis nach Kooperation mit Forschungsunternehmen haben. Vielfach waren solche Firmen nicht zufrieden mit dem Innovationsangebot in der Tschechischen Republik und suchten ausländische Unterstützung. Kritisch wurden aktuelle Unterstützungsprogramme gesehen: Sie erhöhten zwar die Innovationsaktivität im Sektor, beanspruchten aber zugleich Kapazitäten der insgesamt zu geringen nationalen Forschungsbasis.

4.8 Konsumentenpräferenzen

Die drei in der Arbeitsgruppe "Consumer Preferences" vorgestellten Papiere beschäftigten sich aus unterschiedlicher Perspektive mit den Präferenzen von Konsumenten. Im Beitrag von ILLICHMANN und ABDULAI stand die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für ökologische Produkte im Mittelpunkt. HESS et al. stellten neue Erkenntnisse aus einer Meta-Analyse zur Konsumentensicht auf die "grüne" Biotechnologie vor. Und CORDTS et al. untersuchten das Potenzial für einen niedrigeren Fleischkonsum in Deutschland und die Effekte eines niedrigeren Konsums in OECD-Ländern auf den Weltmarkt und die Nahrungsmittelpreise.

Choice-Experimente bildeten die Grundlage für die Untersuchung von ILLICHMANN und ABDULAI zu Konsumentenpräferenzen und Zahlungsbereitschaft für Bioprodukte. Um die Heterogenität der Konsumenten bezüglich der Präferenzen berücksichtigen zu können, wurde ein gemischtes Logit-Modell verwendet. Die empirischen Ergebnisse zeigten eine signifikante Heterogenität der Präferenzen der deutschen Konsumenten bei Bioäpfeln, Biomilch und Biorindfleisch. In Bezug auf die ermittelten Zahlungsbereitschaften hatten die befragten weiblichen Personen eine höhere Zahlungsbereitschaft bei Äpfeln, wogegen das bei den männlichen Befragten für Milch- und Rindfleischprodukte der Fall war.

Die von HESS et al. vorgestellte Meta-Analyse fokussierte auf Studien, die eine deskriptive Statistik präsentierten, sich mit der Konsumentensicht auf Biotechnologie in Nahrungsmitteln befassten und die Ergebnisse in einer numerischen Skalierung lieferten. Um die Skalen vergleichbar zu machen, haben mehrere Evaluatoren zufällig und wiederholt die vorgefundenen Skalen mit ihren jeweiligen Endpunkten auf der Grundlage einer gemeinsamen Skala neu skaliert. Dieser Ansatz erlaubte es den Autoren, Informationen aus 1.673 Untersuchungsfragen aus 214 verschiedenen Studien, die 58 Länder und mehr als 200.000 Befragte umfassten, zusammenzuführen. Die Ergebnisse zeigen, dass Fragen mit positiver (negativer) Konnotation zur Biotechnologie tendenziell mit einer positiven (negativen) Bewertung korrelieren. Hier war das Ergebnis für die EU und viele der Mitgliedstaaten eher insignifikant. Die Bewertung der Biotechnologie ist weitgehend unabhängig vom betrachteten Nahrungsmittel. Dokumentierte Vorteile der Biotechnologie bei Nahrungsmitteln führen zu keiner signifikant positiven Einschätzung, mit der Ausnahme von in die Nahrung eingebauten medizinischen Eigenschaften. Dafür bedingen Preisabschläge, Produktionssteigerungen und verschiedene empfundene Risiken signifikant negative Bewertungen. Die Autoren stellten weiterhin fest, dass gemeinsame Forschungsprojekte zwischen Forschungseinrichtungen und Industriekonsortien mehr positive Einschätzungen hervorbringen als jeder andere Publikationstyp.

Ausgangspunkt der Untersuchung von CORDTS et al. war, dass die Produktion tierischer Lebensmittel auf Grund ihrer hohen Ressourcenintensität und negativer Umwelteffekte zunehmend kritisch diskutiert wird und ein hoher Fleischkonsum negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Konsumenten hat. Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich der Beitrag mit den Möglichkeiten und Folgen einer Reduktion des Fleischkonsums in Industrieländern. Anhand der für Deutschland repräsentativen Ernährungsdaten der Nationalen Verzehrsstudie II wurde untersucht, ob und in welchem Maße eine Bereitschaft zur Reduktion des Fleischkonsums besteht und durch welche Lebensmittel ein verringerter Fleischverzehr substituiert wird. Die für Deutschland ermittelten Ergebnisse wurden dann auf die übrigen OECD-Länder übertragen. Das so ermittelte Reduktionspotenzial bei Fleisch und die damit verbundenen Nachfrageverschiebungen auf Agrarmärkten waren Grundlage für eine Modellsimulation, um Auswirkungen auf internationale Märkte einzuschätzen. Im Ergebnis zeigte sich, dass bei einer Verringerung des Fleischkonsums keine vollständige Substitution durch andere Lebensmittel erfolgt, stattdessen sinkt mit dem Fleischverzehr auch der Konsum einiger anderer Lebensmittel. Kernergebnis der Modellsimulation war, dass ein Rückgang des Fleischverbrauchs in den Industrieländern zwar durch Anpassungseffekte gedämpft werden würde, es allerdings zu deutlichen Preissenkungen von etwa zehn Prozent für Fleisch und bis zu 3,1 Prozent für einzelne Getreidearten käme. 

4.9 Politische Rahmenbedingungen und Unternehmensmanagement

Zu Beginn dieser Arbeitsgruppe diskutierte SUCHOŃ die rechtlichen Prinzipien des Managements von landwirtschaftlichen Flächen in Polen und deren Einfluss auf den Agrarstrukturwandel. NÜRNBERGER et al. untersuchten mit einer Simulationsstudie unerwünschte Effekte der Einkommenssteuergesetzgebung auf die Wahl waldbaulicher Alternativen. Und NÄTHER et al. stellten Ergebnisse einer ökonomischen Bewertung alternativer Tierseuchen-Bekämpfungsstrategien am Beispiel der Klassischen Schweinepest vor.

Der Beitrag von SUCHOŃ begann mit einer Darstellung der Aktivitäten der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien in Polen als bedeutender Institution auf dem Grundstücksmarkt. Hauptaufgabe der seit Januar 1992 arbeitenden Agentur war die Übernahme und das Management des gesamten staatlichen landwirtschaftlichen Eigentums. Daran anschließend analysierte der Beitrag die grundlegenden Regeln des Verkaufs und der Verpachtung. Rechtstitel gab es sowohl für Familienbetriebe als auch für große Unternehmen; die Agentur informierte auch über Möglichkeiten des unbefristeten Nießbrauchs. Weiterhin diskutierte die Autorin EU-Instrumente mit Einfluss auf den Agrarstrukturwandel, insbesondere die Förderung des landwirtschaftlichen Vorruhestands und von Junglandwirten. Die Autorin hielt fest, dass der polnische Gesetzgeber neue Lösungen für das Management der landwirtschaftlichen Flächen geschaffen hat und die Agrarstruktur stark von den Aktivitäten der Agentur für landwirtschaftliche Immobilien beeinflusst wird. Tatsächlich sind die polnischen Betriebe, verglichen mit Betrieben in den alten Mitgliedstaaten, noch nicht groß genug, und strukturelle Veränderungen sind weiterhin notwendig.

Die Arbeit von NÜRNBERGER et al. untersuchte anhand einer Simulationsstudie, ob die Einkommensteuervergünstigung des Paragraf 34b EStG Einfluss auf das waldbauliche Optimum risikomeidender Investoren hat und inwieweit ein solcher Effekt aktuellen forstpolitischen Zielsetzungen zuwiderläuft. Als Grundlage dient ein Optimierungsansatz, der ein optimales Portfolio aus waldbaulichen Aktivitäten für die Bewirtschaftung eines fiktiven Waldbestandes im Kleinprivatwald zum Ziel hat. Es standen 22 mögliche Portfoliokomponenten zur Verfügung, die durch die gewählte Baumart (Fichte oder Buche) und den Einschlagzeitpunkt der Verjüngungsnutzung gekennzeichnet sind. Der finanziellen Betrachtung lagen Annuitäten zu Grunde; zudem wurden Kalamitäten mittels Überlebenswahrscheinlichkeiten auf Bestandsebene mit eingebunden. Die Position des risikomeidenden Entscheiders wurde mit dem Value-at-Risk-Ansatz abgebildet. Die Ergebnisse zeigten einen deutlichen Einfluss der Einkommensteuervergünstigung auf das Portfolio-Optimum. Die Autoren argumentierten, dass die Berücksichtigung der Regelungen des Paragrafen 34b EStG als eine Waldbaustrategie interpretiert werden kann, die tendenziell zu gleichaltrigen Reinbeständen mit höheren Anteilen an risikoreichen Baumarten führt. Dies stehe im Widerspruch zu den aktuellen forstpolitischen Bemühungen eines Waldumbaus hin zu widerstandsfähigen, gemischten und gestuften Wäldern.

NÄTHER et al. stellten zunächst fest, dass der Ausbruch einer Tierseuche weitreichende volkswirtschaftliche Auswirkungen hat und für betroffene landwirtschaftliche Betriebe eine existentielle Gefahr darstellen kann. Im Beitrag wurden die gesamtwirtschaftlichen Kosten eines Ausbruchs der Klassischen Schweinepest (KSP) anhand von 24 Szenarien unter verschiedensten Annahmen (Viehdichte, Anzahl der Ausbrüche, geografische Lage) untersucht. Konkret wurden die ökonomischen Konsequenzen eines KSP-Ausbruchs für die beiden Bekämpfungsstrategien "Keulen" oder "Beobachten" analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass keine der beiden Strategien grundsätzlich überlegen ist. Um die Kosten eines Seuchenausbruchs gering zu halten, sind nach den Autoren drei Punkte von entscheidender Bedeutung: Die Seuche sollte möglichst kurz andauern; eine geographische Ausbreitung sollte verhindert werden; und eine Bekämpfungsstrategie sollte möglichst schnell beschlossen und umgesetzt werden.

4.10 Agrarumweltprogramme und Entscheidungsverhalten

In dieser Arbeitsgruppe stellten zunächst HOLST, MUßHOFF und DÖRSCHNER die Ergebnisse eines "Framed Field Experiments" zur Abschätzung der Politikfolgen einer Förderung des Blühstreifenanbaus vor. LATACZ-LOHMANN, SCHULZ und BREUSTEDT bewerteten mit einem "Discrete Choice Experiment" voraussichtliche Reaktionen der Landwirte auf neue "Greening"-Vorschriften. Und SAUER, WALSH und ZILBERMAN präsentierten Ergebnisse zur Wirkung von Agrarumweltpolitiken auf der Erzeugerebene.

Ausgangspunkt der Untersuchung von HOLST, MUßHOFF und DÖRSCHNER war die Entwicklung der Maisanbaufläche in Deutschland, die in den vergangenen Jahren aufgrund der steigenden Anzahl von Biogasanlagen stark gestiegen ist. Jedoch sprechen aus gesellschaftlicher und ökologischer Sicht einige Argumente gegen den Anbau von Mais. Es werden deshalb alternative Biogassubstrate, wie zum Beispiel spezielle Blühmischungen, diskutiert, die eine hohe Methanausbeute pro Hektar liefern und einen Zusatznutzen für die Umwelt aufweisen. Mit einem Unternehmensplanspiel wurde untersucht, ob Landwirte bei einer Belohnungs- und Bestrafungspolitik Blühflächen in ihr Anbauprogramm aufnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine solche Politik tatsächlich eine anbaufördernde Wirkung auf die Blühfläche hat. Eine Bestrafungspolitik würde zudem eine stärkere verhaltenssteuernde Wirkung haben als eine Belohnungspolitik, obwohl sich die Politikmaßnahmen hinsichtlich ihrer Gewinnwirksamkeit nicht unterschieden. Die Ergebnisse weisen ferner darauf hin, dass der Blühflächenanbau durch soziodemografische Parameter in unterschiedlicher Weise beeinflusst wird.

In der Analyse von LATACZ-LOHMANN, SCHULZ und BREUSTEDT wurden die voraussichtlichen Reaktionen der Landwirte auf neue "Greening"-Vorschriften untersucht. In einem Discrete-Choice-Experiment mit 128 deutschen Landwirten wurden diese gebeten, zwischen einer "Greening"-Option mit entsprechenden Managementauflagen und als Alternative einem Verzicht auf diese Option bei festgelegter Kürzung der Direktzahlungen zu wählen. Zur Identifizierung der Variablen, die die Wahrscheinlichkeit der Wahl der "Greening"-Option beeinflussen, wurde ein binäres Logit-Modell geschätzt. Im Ergebnis konnten die Autoren ermitteln, dass die Wahl der Landwirte von den Merkmalen der "Greening"-Politik, den persönlichen sowie den betrieblichen Charakteristika und den Interaktionen zwischen diesen zwei Variablengruppen beeinflusst wird. Die Landwirte nehmen das "Greening" zwar als kostspielige Auflage wahr, aber es sind nicht alle Landwirte gleich stark betroffen, und nicht alle Bedingungen für das "Greening" werden als gleich anspruchsvoll eingeschätzt. Der Beitrag schloss mit Empfehlungen für die Verbesserung der Ausgestaltung dieser Politikmaßnahme.

In ihrer empirischen Studie untersuchten SAUER, WALSH und ZILBERMAN die Effekte verschiedener Agrarumweltprogamme in Großbritannien (Environmental Stewardship Scheme und Nitrate Vulnerable Zones) auf das individuelle Verhalten der Erzeuger. Die Autoren betrachteten die Effekte auf Intensität, Leistung und Struktur der Produktion für Getreideanbaubetriebe im Zeitraum 2000 bis 2009. Ökonometrisch basierte die Untersuchung auf einem Distanzfunktions-Ansatz und einem Matching-Ansatz. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass beide Programme das Produktionsverhalten wirksam beeinflussen. Die Agrarumweltprogramme hatten jedoch nur sehr geringe Effekte auf die technische und Allokationseffizienz der Betriebe, sodass die Autoren folgerten, dass Betriebe, die sich für Agrarumweltmaßnahmen verpflichten, ihre Produktionsentscheidungen effizient auf die Bedingungen des jeweiligen Programms anpassen. In Bezug auf die Produktionsstruktur tendierten diese Betriebe dahin, weniger spezialisiert und stärker diversifiziert zu sein. Freiwillige Agrarumweltprogramme scheinen das Verhalten der Erzeuger in einem weit höheren Maße zu beeinflussen als nicht-freiwillige Programme. Als methodische Neuheit in ihrer Forschung verwiesen die Autoren auf die Nutzung eines gut fundierten Multi-Output-Multi-Input-Ansatzes, um eine differenzierte Maßnahmenanalyse in Bezug auf Intensität, Leistung und Struktur der Produktion durchführen zu können.

4.11 Entwicklungsökonomik

Die drei Vorträge in der Arbeitsgruppe "Development economics" hatten sehr unterschiedliche Themen zum Inhalt. KALKUHL befasste sich zunächst mit den Bestimmungsgründen der Preisvolatilität bei Nahrungsmitteln in Entwicklungsländern. Dann folgten NIELSEN und ZELLER mit einer Untersuchung zum Einfluss von Schocks auf die Risikopräferenzen von Kleinbauern in Vietnam. Im dritten Beitrag setzten sich SHAUMAROV und BIRNER mit dem Wandel von Trockenlandweidesystemen in Usbekistan auseinander.

Auf der Grundlage theoretischer Überlegungen diskutierte KALKUHL zunächst ökonomische, agrarwirtschaftliche und politische Determinanten der Preisvolatilität auf Nahrungsmittelmärkten in Entwicklungsländern. Ein dynamisches Panel wurde genutzt, um länderspezifische Effekte und die Entwicklung der Volatilität zu ermitteln. Darauf folgten zwei Schätzansätze, um den Einfluss der zeitunabhängigen Variablen zu bestimmen: die verallgemeinerte Momentenmethode, die Niveaus anstatt Differenzen verwendet, und eine zweistufige Instrumentalvariablen-Schätzung, die die Restgrößen aus der ersten Schätzung nutzt. Der Autor kam zu dem Ergebnis, dass Lagerbestände, Produktion, internationale Preisvolatilität und Governance die einheimische Preisvolatilität signifikant beeinflussen. Die Preise könnten durch eine verbesserte Funktionsweise der Märkte und reduzierte Transaktionskosten stabilisiert werden. In Bezug auf Agrarpolitiken schien öffentliche Lagerhaltung mit weniger Volatilität verbunden zu sein, während Handelsbeschränkungen die Preisstabilisierung nicht verbessern. Abschließend zeigten Länder ohne Meerzugang eine geringere Volatilität der Getreidepreise, während afrikanische Länder volatilere Preise hatten als Länder anderer Kontinente.

Ausgangspunkt der Untersuchung von NIELSEN und ZELLER war die Hypothese, dass Schocks der Grund dafür sein können, dass Haushalte in eine Armutsfalle gelangen und dort auch wegen risikoaversen Verhaltens verbleiben. Allerdings gab es bisher keine Analyse zu der Frage, ob Schocks die Risikoaversion in einem Entwicklungsland verstärken. Vor diesem Hintergrund untersuchten die Autoren, ob Schocks bei Kleinbauern im Nordwesten Vietnams deren risikoaverses Verhalten von der "mageren" Jahreszeit bis zur Erntesaison vergrößern. Der methodische Ansatz zur Bestimmung der Risikopräferenzen umfasste ein nicht-hypothetisches Lotteriespiel und sechs hypothetische Methoden. Bis auf eine Bewertungsmethode erwiesen sich die Risikopräferenzen als nicht stabil. Der Einfluss von Schocks auf Änderungen bei den Risikopräferenzen variierte in Abhängigkeit von der benutzten Methode. Die Autoren fanden jedoch Anzeichen dafür, dass Schocks, für die die Regierung weitreichende ex-post-Unterstützungen bereitstellt (Dürren und tierische Todesfälle), die Risikoaversion nicht erhöhen, während Schocks, wo das nicht der Fall ist (Krankheit, Tod, Überflutung oder Ernteverluste durch Krankheiten), die Risikoaversion vergrößern. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Politik durchaus in der Lage ist, einen Anstieg der Risikoaversion bei Kleinbauern als Folge von Schocks zu verhindern.

Hintergrund des Beitrags von SHAUMAROV und BIRNER ist, dass in Usbekistan nach nur zwei Jahrzehnten heute etwa 40 Prozent des Weidelandes aufgrund von nicht funktionsfähigen Wasseranlagen und Degradation der Weiden nicht mehr genutzt wird. Im Rückblick wurde das Weideland in der früheren Sowjetunion produktiver genutzt, sozio-ökonomische Vorteile der Weidenutzung kamen den ländlichen Räumen zugute, und Landdegradation wurde erfolgreich verhindert. Hier stellt sich die Frage, wie in dem stark zentralisierten sowjetischen System eine solchermaßen produktive Nutzung möglich war, wo doch nach weit verbreiteter Einschätzung Weideland als Common-pool-Ressource am besten von den lokalen Gemeinden genutzt werden sollte. Nach der historischen Analyse der Autoren war die nachhaltige Nutzung im damaligen System einerseits durch intensive agrarwissenschaftliche Forschung und andererseits durch eine effektive institutionelle Struktur möglich. Nach Ansicht der Autoren haben vor allem geeignete politische Anreize das System funktionieren lassen. Die Autoren stellten auch die Frage, warum Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht für die gegenwärtigen Reformen im Weidesystem genutzt werden, um dieses nachhaltiger und produktiver zu machen.

4.12 Regulierung und Adaption neuer Techniken

SEYOUM und WELCH befassten sich in ihrem Beitrag mit dem Trade-off zwischen Nutzungsbeschränkung und Nutzenteilung beim Transfer genetischen Materials im Agrarbereich. HERTEL und MENRAD stellten am Beispiel der Gartenbaubranche eine Untersuchung zur Adoption energieeffizienter Techniken in kleinen und mittleren Unternehmen vor. Den Abschluss bildeten LEUFKENS und SCHRÖCK mit ihrer Untersuchung zu regulierungspolitischen Effekten geschützter geografischer Herkunftsangaben der EU.

SEYOUM und WELCH untersuchten Trade-offs beim Transfer genetischer Ressourcen bei Nutzungseinschränkung für die Abnehmer und Nutzenteilung zwischen Anbietern und Abnehmern. Die der Untersuchung zugrunde liegenden Daten stammten von Wissenschaftlern in Universitäten und Regierung der Vereinigten Staaten. In ihren Ergebnissen konnten die Autoren zeigen, dass bei Transfers mit Vorauszahlungen von den Abnehmern keine Beteiligung an monetären oder nicht-monetären Vorteilen erwartet wurde und es auch keine Restriktionen bezüglich des transferierten Materials gab. Wenn andererseits die Anbieter an Informationen über Projektergebnisse interessiert waren, verlangten sie meist keine Vorauszahlungen für die Lieferung des genetischen Materials. Wissenschaftler aus dem Ausland tendierten dazu, genetisches Material zu den entstandenen Kosten und einer zusätzlichen Gebühr zu erwerben. Die Autoren betonten die Bedeutung von Vorauszahlungen und begrenzten Nutzungseinschränkungen für den verbesserten Austausch und die Nutzung von genetischem Material in der öffentlichen Forschung.

HERTEL und MENRAD postulierten zunächst, dass die Effizienz des Produktionsfaktors Energie durch steigende Energiekosten und die nationalen CO2-Emmissionsziele an Bedeutung gewinnt. In Deutschland existiert im produzierenden Gewerbe sowie in der Landwirtschaft eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen, deren Energieproduktivität durch die Anwendung innovativer, energieeffizienter Produktionstechniken gesteigert werden kann. Die Adoption effizienter Produktionsmethoden wird dabei nicht nur durch die Rendite der Investition bestimmt, sondern unterliegt ebenso persönlichen und umfeldbezogenen Faktoren der Entscheider. In einer empirischen Untersuchung konnten die Autoren auf der Grundlage einer Datenerhebung in 104 produzierenden Unternehmen der Gartenbaubranche eine Diskrepanz zwischen der Investitionsabsicht und der tatsächlichen Technikadoption feststellen, welche mit Investitionsrestriktionen begründet wird. Mit verschiedenen Modellen wurde die Adoption konkreter energieeffizienter Techniken erklärt. So konnten die personenbezogenen Merkmale "Innovativität" und "Absorptionsfähigkeit" als stärkste Prädiktoren der Technikadoption ermittelt werden. Umweltbewusstsein sowie die Eigenschaften der betrachteten Innovationen waren andererseits für den Technikeinsatz eines Unternehmens kaum relevant.

Der in den vergangenen Jahrzehnten auftretende strukturelle Wandel in Produktion und Vermarktung von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln hin zu stärker verarbeiteten und differenzierteren Produkten wurde mittels der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 für geografische Herkunftsangaben durch die EU stark reglementiert. Der Beitrag von LEUFKENS und SCHRÖCK analysierte die regulierungspolitische Funktion des europäischen Schutzes qualifizierter Herkunftsangaben mit einer dynamischen und qualitätspolitischen Perspektive. Mittels wohlfahrtsökonomischer und spieltheoretischer Ansätze der Innovationsökonomie konnte gezeigt werden, dass trotz der geforderten überdurchschnittlichen Produktqualität die europäische Regulierung Ineffizienzen erzeugen kann. Hedonische Preisanalysen für die Fleischerzeugnisse Rohschinken und Bratwurst offenbarten des Weiteren eine heterogene Verteilung der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für geschützte Produkte. Die empirischen Ergebnisse unterstrichen nach Meinung der Autoren die Divergenz zwischen dem Ziel und der Umsetzung einer eindeutigen Qualitätsorientierung; deshalb wurde Handlungsbedarf zur Anpassung der aktuellen Regulierung geschützter Herkunftsangaben gesehen.

5 Ergebnisse der selbstorganisierten Arbeitsgruppen

5.1 Schutz von Bodenressourcen: Interdisziplinäre Forschung und Implementierung von Forschungsergebnissen

Die selbstorganisierte Arbeitsgruppe zum Thema "Enhancing Protection of Soil Resources: Interdisciplinary Research and Implementation of Research Results" wurde von STUPAK und WEIGELT organisiert. In der Arbeitsgruppe kamen Bodenwissenschaftler, Ökonomen und Sozialwissenschaftler zusammen, deren gemeinsames Forschungsinteresse das Problem der Bodendegradation und deren Vermeidung ist.

Die Präsentationen aus den verschiedenen Disziplinen und die disziplinübergreifende Diskussion zeigten, dass es ein hohes Maß an Übereinstimmung zum Problem der Bodendegradation gibt. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zur Bodendegradation sind weithin bekannt, etwa die Typen der Bodendegradation, der Ablauf von Degradationsprozessen oder technische Möglichkeiten des Bodenschutzes. Es fehlt aber ein Verständnis darüber, warum Bodendegradation nach wie vor anhält. Die zunehmende Bedeutung der Sozialwissenschaften, um diese Frage zu beantworten, wurde bereits auf einem Prä-Konferenz-Workshop unterstrichen: Sozialwissenschaftler können helfen zu erklären, wie sich Agrarproduzenten verhalten, warum das deutsche Bodenschutzgesetz nicht umgesetzt wird oder warum die EU-Bodenrahmenrichtlinie nicht angenommen worden ist.

Vor diesem Hintergrund stimmten die Teilnehmer der Arbeitsgruppe darin überein, interdisziplinäre Forschung zu intensivieren, Forschungsergebnisse auszutauschen und gemeinsame Forschungsprogramme weiterzuentwickeln. Sie vereinbarten darüber hinaus, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in einem gemeinsamen Artikel zu veröffentlichen.

5.2 Neue Geschäftsmodelle in der großbetrieblichen Landwirtschaft: Bestimmungsgründe, Auswirkungen und politischer Handlungsbedarf

In vielen Ländern der westlichen Welt ebenso wie in den meisten Entwicklungsländern stellt der landwirtschaftliche Familienbetrieb seit langem die wesentliche Organisationsform der Agrarproduktion dar. Gemessen an diesem Modell ereignen sich in wichtigen Agrarregionen der Welt seit einigen Jahren geradezu organisatorische Revolutionen: Die Bewirtschafter sind nicht länger identisch mit den Eigentümern des Bodens; die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte gehören nicht länger einem sozialen Familienverband an; in einigen Fällen sind sogar außerlandwirtschaftliche Kapitaleigner alleinige Eigentümer der Produktionsmittel und Anlagen für die Agrarproduktion. Diese lange für unmöglich gehaltenen Prozesse einer zunehmenden Ausdifferenzierung und Arbeitsteilung im Agrarbereich könnten dazu führen, eine neue Form des großbetrieblichen Agrarkapitalismus zu begründen.

Die von PETRICK und GIEßÜBEL organisierte Arbeitsgruppe griff diese Entwicklungen auf. PETRICK referierte zum Aufschwung kapitalistischer Geschäftsmodelle in der Weltagrarwirtschaft. FORSTNER und TIETZ gingen auf mögliche Auswirkungen und politische Handlungsoptionen der neuen Geschäftsmodelle in der deutschen Landwirtschaft ein. Stellungnahmen von CHEMNITZ und JUNGEHÜLSING rundeten die Fachvorträge ab.

PETRICK stellte die Ergebnisse eigener Untersuchungen in den USA, in Argentinien, Russland, Kasachstan und Ostdeutschland vor, nach denen großbetriebliche Landbewirtschaftung durch Kapitalgesellschaften in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Bestimmungsgründe für die Entstehung solcher Großbetriebe seien positive Skaleneffekte in Verarbeitung, Logistik, Standardisierung und beim Kapitalzugang, die Knappheit von Arbeitskräften sowie der Einsatz neuer Technologien. Zudem würden solche Großunternehmen zum Teil massiv staatlich gefördert und politisch begünstigt. Das Eigentum an diesen Gesellschaften liege zunehmend bei überregional und übersektoral tätigen Unternehmen. FORSTNER machte deutlich, dass er weitere Eingriffe in den Grundstücksverkehr für nicht begründbar hält. Die derzeit diskutierten Maßnahmen für eine Verschärfung des Grundstücksverkehrsgesetzes seien weder aus agrarstrukturellen noch aus sozialen oder ökonomischen Gründen zu rechtfertigen. FORSTNER erinnerte daran, dass die Agrarstruktur in den neuen Ländern nach 1990 durch eine Vielzahl unterschiedlicher Investoren geprägt worden sei. Darunter habe es viele Erfolgsgeschichten gegeben.

Die Diskutanten sprachen sich für eine differenzierte Beurteilung dieser Entwicklung aus. Potenziellen Vorteilen wie einer technischen und organisatorischen Modernisierung der Produktion, einer verbesserten ländlichen Infrastruktur, Beschäftigungseffekten sowie einem höheren lokalen Steueraufkommen stehe eine Reihe kritischer Punkte gegenüber. Dazu gehörten eine Verdrängung von Kleinbetrieben und Landnutzern, die Verödung der Landschaft durch Monokulturen, ein hoher Einsatz von Agrochemikalien und ein großer politischer Einfluss der Investoren. JUNGEHÜLSING forderte dazu auf, die Diskussion über das agrarstrukturelle Leitbild in Deutschland neu zu führen.

5.3 Marktstruktur und Innovation interner Steuerungsmechanismen in ländlichen Genossenschaften

In dieser Arbeitsgruppe ging es um das Thema Erzeugerkooperation. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, inwieweit mehr gesetzliche Regelungen oder die eigenständige Verbesserung der Kontroll- und Führungsstrukturen in bestehenden Erzeugerkooperationen gangbare Wege zur Verbesserung der Situation von Erzeugern bieten können. Die Arbeitsgruppe wurde von HANISCH organisiert.

PETERSEN gab zunächst einen Überblick über die Hauptelemente des sogenannten Milchpakets und die Hauptargumente, die zu einer Reform der gesetzlichen Regelungen zur Marktstruktur und Förderung von Erzeugerorganisationen auf EU-Ebene geführt haben. Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit Erzeuger einer besonderen Förderung bedürfen und welche Rolle dabei genossenschaftliche Organisationen bzw. gesetzliche Regelungen zur Förderung neuer Organisationen von Erzeugern spielen können. Der Referent stellte die Position der deutschen Genossenschaften in Bezug auf diese Neuregelungen dar; diese erwarten keine maßgeblichen Vor- oder Nachteile der Reformen zur Förderung von Erzeugerkooperationen.

WENDT analysierte in seinem Beitrag die Wirkungen der bisherigen Förderung von Erzeugerorganisationen im Rahmen des deutschen Marktstrukturgesetzes. Dabei wurden die wichtigsten Förderinstrumente auf ihre Wirksamkeit hin untersucht und die Ergebnisse langjähriger Untersuchungen zur Erzeugerförderung diskutiert. Es zeigte sich, dass die vom Marktstrukturgesetz in Deutschland ausgehenden Freiheitsgrade und Wirkungen in ihren Besonderheiten deutlich überschätzt werden und dass besonders in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaum noch Wirkungen erzielt wurden. Vorschläge zu zukünftigen Maßnahmen zur Förderung von Erzeugerorganisationen, die sich ganz offensichtlich an vergleichbaren Instrumenten orientieren, müssen deshalb grundsätzlich in Frage gestellt werden.

BIJMANN, HANISCH und VAN DER SANGEN gaben in ihrem Beitrag einen Überblick über eigenständige Veränderungen der Kontroll- und Führungsstrukturen in bestehenden Erzeugerkooperationen in Europa. Sie beschrieben die Hauptinnovationen der internen Führungsstrukturen in europäischen Genossenschaften und leiteten Gründe für das Auftreten von Anpassungen ab. Danach wurden die Ergebnisse einer EU-Studie präsentiert, die die Hauptwirkungen dieser Innovationen auf die Mitgliederkontrolle, die Haftung des Managements, aber auch auf Leistungsfähigkeit und die Zukunftsaussichten für die Genossenschaften selbst analysierte. Es zeigt sich, dass viele der Anpassungsreaktionen in den Genossenschaften auch mit Vorteilen für die Erzeuger selbst verbunden waren. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Zukunft des direkten Einflusses der Erzeuger auf das Management ihrer Verarbeitungsunternehmen in immer größer und internationaler werdenden Genossenschaften.

In einem vierten Beitrag von MÜLLER und HANISCH wurde die Anpassung von Eigentums- und Kontrollorganen des größten deutschen Milchverarbeitungsunternehmens diskutiert. Die Fallstudie zur Verschmelzung der Nordmilch e.G. mit der Humana e.G. baute theoretisch auf einem Lebenszyklusmodell auf und untersuchte die erfolgten Anpassungsschritte interner Kontroll- und Führungsstrukturen anhand von Experteninterviews mit den beteiligten Vorständen und Aufsichtsräten, aber auch mit Mitgliedern der beiden fusionierenden Genossenschaften.

5.4 Wissenschaftliches Fehlverhalten in der Agrarökonomie – Nicht existent, nicht bekannt oder totgeschwiegen?

In dieser von BREUSTEDT organisierten Arbeitsgruppe wurde mit einem Panel über wissenschaftliches Fehlverhalten diskutiert. In seiner Einführung stellte BREUSTEDT zwei prominente Beispiele aus den deutschsprachigen Wirtschaftswissenschaften vor: Ein Mannheimer BWL-Professor, der ein Dutzend seiner Artikel zurückziehen musste, und ein Züricher VWL-Professor, dem etliche Eigenplagiate nachgewiesen worden sind. Er wies andererseits darauf hin, dass zum Beispiel die Herausgeber eines internationalen Ökonomie-Journals nur 37 zurückgezogene Artikel in englischsprachigen BWL- und VWL-Zeitschriften im Zeitraum zwischen 1985 und 2012 identifizieren konnten.

MAIER, Wissenschaftsblogger "WeiterGen", gliederte wissenschaftliches Fehlverhalten in neun Stufen mit unter anderem dem übermäßigen Anpreisen der eigenen Ergebnisse bis zur Erfindung von Daten. KIRCHGÄSSNER, ETH Zürich, stellte den Ethikkodex des Vereins für Socialpolitik vor, zu dessen Einhaltung sich die Vereinsmitglieder verpflichten. THEUVSEN, Universität Göttingen, berichtete als ehemaliger geschäftsführender Herausgeber des German Journals of Agricultural Economics von nur zwei Manuskripteinreichungen in drei Jahren (weniger als zwei Prozent), bei denen Probleme offenbar wurden. Er hält soziale Kontrolle innerhalb der einzelnen Wissenschaftsprofessionen für den sichersten Schutz gegen Fehlverhalten von Autoren, Gutachtern und Herausgebern. WINKER, Universität Gießen, stellte ein DFG-Projekt zur Identifikation von Fälschungen in Umfragen vor. Damit kann es beispielsweise gelingen, systematische Unterschiede zwischen den Daten unterschiedlicher Befragungspersonen zu identifizieren, die eine unterschiedliche Qualität der Datenerhebung nahe legen, bis hin zur wahrscheinlichen Generierung der Daten durch eine einzige Person.

Nach den Vorträgen wurde lebhaft nachgefragt und diskutiert. Es scheint eine große Unsicherheit zu geben, wo im konkreten Einzelfall die Grenze zwischen zulässigem Verhalten und Fehlverhalten verläuft. Es zeigte sich auch, dass unterschiedliche Fachbereiche hierzu unterschiedliche Traditionen und Normen entwickelt haben. Ferner schienen etliche Teilnehmer überrascht, dass die geschilderten Beispiele von Fehlverhalten in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern so nahe vor der eigenen Haustür auftraten. Breiten Raum nahm die Diskussion über Präventionsmaßnahmen ein. Es zeigte sich, dass an vielen Fakultäten bzw. Lehrstühlen Abschlussarbeiten nicht routinemäßig auf Plagiate geprüft werden. Es herrschte Einigkeit darüber, dass das Problembewusstsein bei den Studierenden vom ersten Semester an kontinuierlich geschärft werden müsste. Es sei viel zu spät, erst Masterstudierenden, geschweige denn Promovierenden gute wissenschaftliche Praxis vermitteln zu wollen. Ferner wurde auf die Rolle von Ombudspersonen, denen Verdachtsfälle vertraulich mitgeteilt werden können, sowie auf Angebote im Internet hingewiesen. Abschließend herrschte allerdings eine gewisse Ratlosigkeit, wie die Anreize für Fehlverhalten, die durch die hohe Gewichtung von Publikationen für Drittmittelgewährung und Berufungen entstehen, eingedämmt werden können.

6 Übersicht über die Posterpräsentationen

Es wurden 44 Poster in sechs parallelen Gruppen in Kurzvorträgen vorgestellt und diskutiert. Erprobt wurde erstmals die Vorstellung der Poster ausschließlich als digitale Version.

Politik, Governance und Ressourcenmanagement

Wertschöpfungskette und Lebensmittel


Agricultural commodity markets and trade

Landwirtschaftliche Unternehmen und Management

International agricultural development

Verbraucher, Unternehmen und Governance

7 Schlussbemerkung

Im Ergebnis vermittelte die Tagung viele neue Erkenntnisse und Einsichten zu inhaltlichen und methodischen Fragen. Sie dokumentierte den hohen Leistungsstand wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Forschung im Agrarbereich. Hervorzuheben sind Selbstverständlichkeit, Gründlichkeit und auch Eleganz, wie oftmals anspruchsvolle Methoden für Forschungsfragen genutzt und auch weiterentwickelt werden. Es ist offensichtlich, dass Spezialisierung und Differenzierung in der Disziplin fortschreiten, und vor diesem Hintergrund bleibt es eine ständige Herausforderung, eigene Forschungsarbeiten und Forschungsergebnisse einzuordnen, ihre Relevanz zu erläutern und Anwendungsfragen nicht zu vergessen. Bei aller Forschungsbegeisterung sollte dieser Punkt vielleicht wieder stärker beachtet werden.

Zusammenfassung

Die Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V. fand 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Vor dem Hintergrund unsicherer Marktentwicklungen, neuer und gestiegener Ansprüche an den Agrarbereich und verbreiteter Zweifel an der "unsichtbaren Hand" des Marktes stand folgende Frage im Mittelpunkt: "Wie viel Markt und wie viel Regulierung braucht eine nachhaltige Agrarentwicklung?" Im vorliegenden Aufsatz werden Programm, Themen und Diskussionen der Jahrestagung zusammengefasst.

Den Auftakt bildeten zwei Prä-Konferenz-Aktivitäten, in denen es zum einen um die Analyse des Strukturwandels in der Landwirtschaft und zum anderen um die institutionenökonomische Analyse von Landwirtschaft-Umwelt-Systemen ging. Die Plenarveranstaltung widmete sich generell dem Handeln in komplexen Systemen und setzte den Rahmen für die Tagung. Nach Beiträgen aus Psychologie und Wirtschaftspolitik wurde der Stand der Forschung in der Umweltökonomik, der Agrarökonomik und der Verbraucherökonomik thematisiert. Die 36 Arbeitsgruppenvorträge und 44 Posterpräsentationen widmeten sich dem Kernthema der Tagung aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Tagung wurde komplettiert durch vier selbstorganisierte Arbeitsgruppen mit ergänzenden Themen in unterschiedlichen Formaten. Die abschließende Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Wissenschaft und Politik galt der aktuellen Entwicklung bei den Direktzahlungen und stellte sich eine alte Frage neu: warum die Agrarpolitik (noch immer) nicht so ist, wie sie sein sollte. Der Großteil der Beiträge wird im Tagungsband als Band 49 der "Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V." veröffentlicht.

Im Ergebnis vermittelte die Tagung viele neue Erkenntnisse und Einsichten zu inhaltlichen und methodischen Fragen. Sie dokumentierte den hohen Leistungsstand wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Forschung im Agrarbereich. Hervorzuheben sind Selbstverständlichkeit, Gründlichkeit und auch Eleganz, wie oftmals anspruchsvolle Methoden für Forschungsfragen genutzt werden. Es ist offensichtlich, dass Spezialisierung und Differenzierung in der Disziplin fortschreiten, und vor diesem Hintergrund bleibt es eine ständige Herausforderung, eigene Forschungsarbeiten und Forschungsergebnisse einzuordnen, ihre Relevanz zu erläutern und Anwendungsfragen nicht zu vergessen. Bei aller Forschungsbegeisterung sollte dieser Punkt vielleicht wieder stärker beachtet werden.

Summary: How much market and how much regulation does sustainable agricultural development need?

Report on the 53rd Annual Conference of the German Society of Economic and Social Sciences in Agriculture (Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues (GEWISOLA)) from September 25th - 27th, 2013

In 2013, the annual conference of the German Society of Economic and Social Sciences in Agriculture took place at Humboldt University in Berlin. Facing uncertain market developments, new and rising demands on agriculture and widespread disbelief in the "invisible hand" of the market, the conference focused on the question: "How much market and how much regulation does sustainable agricultural development need?" In this paper we summarize the program, topics, and discussions of this annual meeting.

The conference started with two pre-conference-workshops addressing the state of play and new developments in the analysis of structural change in agriculture and analytical frameworks for institutional analysis of agri-environmental systems. "Acting under complexity" was the general topic of the introductory plenary session, thus setting the framework for the conference. There were presentations from the field of psychology and economic policy as well as on the state of play in environmental, agricultural, and consumer economics. The conference comprised 36 paper presentations and 44 poster presentations in parallel sessions addressing the conference topic from different perspectives. The program was complemented by four self-organized sessions covering topical issues and individual formats. The final panel discussion with scientists and policy-makers focused on recent developments in the discussion on direct payments. At this occasion, an old question was raised anew: why agricultural policy (still) is not what it should be. The majority of the contributions will be published in the conference proceedings as Vol. 49 of "Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V."

Finally, the conference provided many insights with regard to contents and methods. It underlined the high performance level of agricultural economists and sociologists. We would like to particularly emphasize the diligence, thoroughness, and moreover elegance in the way demanding methods are applied to solve research issues. Obviously, specialization and differentiation proceed and the continuous challenge lies in assessing one’s own research activities and results, to explain their relevance and not to forget the application side of things. It might be a good idea to move this aspect back into the spotlight, with all due respect to the enthusiasm applied to research.


Résumé: De combien de marché et de combien de régulation a besoin un développement agricole durable?

Compte rendu de la 53e Conférence annuelle de la Société allemande des sciences économiques et sociales de l’agriculture (GEWISOLA), du 25 au 27 septembre 2013

La conférence annuelle de la Société allemande des sciences économiques et sociales de l’agriculture s’est tenue en 2013 à l’Université Humboldt de Berlin. Face aux évolutions incertaines du marché, aux aspirations nouvelles et accrues à l’égard du domaine agricole et aux doutes pesant de plus en plus sur la "main invisible" du marché, la question au centre des débats était la suivante: "De combien de marché et de combien de régulation a besoin un développement agricole durable?" Le présent article résume le programme, les thèmes et les débats de la conférence.

L’entrée en matière était constituée de deux activités en phase de préconférence dans lesquelles il s’agissait, d’une part, de l’analyse du changement de structure dans l’agriculture et, d’autre part, de l’analyse institutionnalo-économique de systèmes agriculture-environnement. L’assemblée plénière, elle, était consacrée plus généralement à l’action dans des systèmes complexes et fixait le cadre de la conférence. À la suite d’interventions sur la psychologie et la politique économique, la conférence a thématisé l’état d’avancement des recherches en économie de l’environnement, économie agricole et économie du consommateur. Les 36 exposés des groupes de travail et 44 présentations de posters se sont consacrés au thème central de la conférence, abordé dans différentes perspectives. La conférence a été complétée par quatre groupes de travail auto-organisés sur des thèmes complémentaires et dans différents formats. La table ronde de clôture avec des représentants du monde des sciences et de la poli-tique était dédiée à l’évolution actuelle des aides directes et reposait une vieille question: pourquoi la politique agricole n’est-elle (toujours pas) ce qu’elle devrait être. La majeure partie des interventions seront publiées dans les annales de la conférence, constituant le tome 49 des "Publications de la Société allemande des sciences économiques et sociales de l’agriculture".

Il en résulte que la conférence a apporté de nombreux nouveaux enseignements et indications sur les questions de contenu et de méthode. Elle a documenté le haut niveau de performance de la recherche en sciences économiques et sociales dans le domaine agricole. Il convient de souligner l’évidence, la minutie et aussi l’élégance avec lesquelles des méthodes souvent sophistiquées sont utilisées pour des questions de recherche. Il est manifeste que la spécialisation et la différenciation progressent dans cette discipline, et face à cette toile de fond, le défi reste permanent d’ordonner les travaux et les résultats de ses recherches, d’expliquer leur pertinence et de ne pas oublier les questions de leur application. Quel que soit l’enthousiasme pour ces recherches, il conviendrait peut-être de tenir davantage compte de ce point.


Autorenanschrift

Dr. Astrid Häger, Fachgebiet Agrarpolitik, astrid.haeger@agrar.hu-berlin.de
Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Kirschke, Fachgebiet Agrarpolitik, dieter.kirschke@agrar.hu-berlin.de
Prof. Dr. Wolfgang Bokelmann, Fachgebiet Ökonomik der Gärtnerischen Produktion, w.bokelmann@agrar.hu-berlin.de
Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad Hagedorn, Fachgebiet Ressourcenökonomie, k.hagedorn@agrar.hu-berlin.de
Prof. Dr. Silke Hüttel, Fachgebiet Quantitative Agrarökonomik, silke.huettel@agrar.hu-berlin.de

alle: Humboldt-Universität zu Berlin, Lebenswissenschaftliche Fakultät, Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften, Department für Agrarökonomie, Unter den Linden 6, 10099 Berlin