Von Wilfried Brade, Hannover/Dummerstorf
Holsteins und Jerseys sind zwei weltweit verbreitete Rassen, die seit Jahrzehnten konsequent auf Milcherzeugung selektiert werden. Sie unterscheiden sich nicht nur äußerlich (zum Beispiel Farbe, Scheckung), sondern auch erheblich in der Lebendmasse oder in der Milchmengenveranlagung oder bezüglich der Zusammensetzung der Milch; das heißt in ihrer Genetik (17).
Erste systematische Kreuzungsversuche von Deutschen Schwarzbunten mit Jerseys wurden vor rund 90 Jahren im Haustiergarten des ehemaligen Tierzucht-Instituts der Universität Halle/Saale begonnen.
Sie wurden später ein wichtiger Forschungsansatz im neugegründeten Kaiser-Wilhelm-Institut in Dummerstorf (Mecklenburg) vor genau 75 Jahren. Systematische Kreuzungsversuche mit Rindern am Standort Dummerstorf basieren somit zwischenzeitlich auf eine 75-jährige Tradition. Die Würdigung des Beginns dieser experimentellen Arbeiten – mit retrospektiver Bewertung der zahlreich ermittelten Ergebnisse für die Praxis – ist Ziel vorliegender Arbeit.
Die Heimat der Jerseys ist die gleichnamige Kanalinsel direkt vor der französischen Küste. Strenge Importregelungen ("Frankreich-Importverbote") seit 1763, die 1789 infolge der Kontinentalsperre zusätzlich gesetzlich verstärkt wurden, begünstigten die Herauszüchtung dieser kleinen, relativ uniformen Milchrinderrasse.
Der Rinderexport war für die Insel von fundamentaler Bedeutung. Allein 22.392 weibliche Tiere und 4.668 Bullen wurden zwischen 1850 bis 1942 in die USA exportiert (1). Bereits 1868 bildete sich der "American Jersey Cattle Club", einer der bis heute aktivsten Jersey-Zuchtverbände der Welt. Auf der Insel Jersey selbst wurde 1866 ein Herdbuch gegründet. Bereits (21) berichtete, dass praktisch alle Kühe der Insel dem Herdbuch angeschlossen sind.
Angaben zur Scheckung der Jerseys im 1.Band des "Jersey Herd Book" belegen, dass ursprünglich ein hoher Anteil von Tieren mit weißen Flecken (Abzeichen) vorhanden war (Tabelle 1). Die Bevorzugung nicht gescheckter Jerseys kam erst Ende des 19. Jahrhunderts in Mode.
Tabelle 1: Anteil gescheckter Jersey-Tiere im 1. Band des "Jersey Herd Book" der Insel Jersey | ||
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Geschlecht/Registrierung | Farbverteilung | |
ganzfarbig | gescheckt | |
Foundation Stock: | ||
Bullen | 86 | 64 |
Kühe | 243 | 481 |
Pedigree Stock: | ||
Bullen | 17 | 30 |
Kühe | 4 | 18 |
Quelle: (1)
Die Farbe der Jerseys ist variierend (gelblich-rötlich auch braun bis grau). Im Ursprungszuchtgebiet auf der Insel Jersey bevorzugt man die nicht-gescheckten "rehfarbigen" Kühe. Der Bulle ist in der Regel dunkler gefärbt als das weibliche Tier. Auch ist hier häufig ein Aalstrich vorhanden.
Abbildung 1: Orginal-Jerseykuh auf der Insel Jersey
Quelle: Brade, 2003
Abbildung 2: Reinrassige Jerseyherde in einer bayerischen Herde
Quelle: Brade, 2004
Die Mastfähigkeit der Jerseys (J) ist schon bedingt durch das geringere Körpergewicht weniger gut als bei den Schwarzbunten (Sbt); das Innenfett der Schlachtkörper ist deutlich gelber als bei anderen Rassen (20, 21). Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurde im Originalzuchtgebiet ausschließlich Reinzucht (= Linienzucht) betrieben. Erstmalig in 2008 wurde wieder ein Re-Import von Jersey-Genen in Form eines Imports von Bullensperma zugelassen (18).
Abbildung 3: Jersey-Kälber sind sehr leicht bei der Geburt. Die Geburten sind deshalb generell wenig problematisch
Quelle: Brade, 2004
Die größte europäische Jersey-Population findet man heute in Dänemark. In (West-)Deutschland begann man im Jahre 1958 mit dem Import von Dänischen Jerseys zur Milcherzeugung in bäuerlicher Hand. Weitere wichtige Zuchtgebiete findet man in Neuseeland, Australien, Südafrika und in Mittel- und Südamerika. Bereits 1951 gründete sich die "Welt-Jersey-Züchter-Vereinigung" (www.worldjerseycattle.com).
Der Deutsche Jerseyverband fordert aktuell ein frühreifes, robustes Einnutzungsrind mit einer Lebendmasse zwischen 400 bis 450 Kilogramm (ausgewachsene Kühe), einer Kreuzbeinhöhe von 126 bis 133 Zentimeter, einer Milchleistung von 6.000 bis 7.000 Kilogramm pro Kuh und Jahr mit etwa 5,5 bis 6,0 Prozent Fett und 4,2 Prozent Eiweiß (= 385 Kilogramm Fett und 295 Gramm Eiweiß). Zusätzlich wird eine Lebensleistung von 3.000 Kilogramm Fett und Eiweiß im aktuellen Zuchtziel genannt (31). Dieses Ziel ist somit am Dänischen Jerseyrind ausgerichtet.
Demgegenüber ist die nordamerikanische Jerseyzucht stärker auf Milchmenge orientiert; bei Milchfettgehalten von rund 4,8 Prozent Fett und etwa 3,8 bis 4,0 Prozent Eiweiß (27). Nordamerikanische Jerseykühe sind etwas schwerer als die Dänischen und erreichen ungefähr 420 bis 450 Kilogramm; einzelne Kühe wiegen über 500 Kilogramm (www.usjersey.com).
In 1915 wurde GUSTAV FRÖLICH (1879 bis 1940) als Ordinarius für Tierzucht und Molkereiwesen an das damalige landwirtschaftliche Institut der Universität Halle/Saale (Provinz Sachsen), die wohl renommierteste agrarwissenschaftliche Einrichtung in Deutschland in jener Zeit, berufen. Das Institut verfügte mit dem sogenannten Haustiergarten, den bereits JULIUS KÜHN (1825 bis 1910) eingerichtet hatte, über eine bemerkenswerte experimentelle Versuchsbasis für Haustiere. Der Tierbestand umfasste alle wichtigen Haustierarten und -schläge einschließlich zugehöriger Kreuzungstiere; zeitweise bis zu 1.000 Tiere (38).
Die Vorteile eines solchen Tiermaterials – bis zu seiner Auflösung in 1968 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tierzucht-Institut der Universität Halle/Saale gelegen – lagen in einer vielfältigen Nutzungsmöglichkeit in Lehre und Forschung, in einer gesicherten Abstammung und in einer einheitlichen Haltungsumwelt (38). Hier begann FRÖLICH Anfang der 1920er-Jahre auch mit der systematischen Erstellung von F1-Tieren aus der Verpaarung von Deutschen schwarzbunten Rindern mit Jersey-Rindern, einschließlich der weiteren Prüfung von F2-Tieren zwecks Erfassung der Erblichkeit von Farbe und Abzeichen, der Körpermasse und -maße und der Milchmenge und ihrer Zusammensetzung. Schlussfolgernd aus seinen Kreuzungsarbeiten formulierte er den Forschungsansatz: "… durch zweckentsprechende Einkreuzungen den Fettgehalt der Milch deutscher hochwertiger Leistungsrassen beim Rind zu erhöhen" (zitiert: 14).
Diese Idee versprach er durch weitere Versuchsreihen im neuen Kaiser-Wilhelm-Institut in Dummerstorf-Rostock in die Tat umsetzen zu können (14). Er wurde mit dem Aufbau des Dummerstorfer Instituts betraut, dass 1939 offiziell eingeweiht wurde. Leider verstarb FRÖLICH bald. Neuer Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts in Dummerstorf wurde ab 1940 JONAS SCHMIDT. Das Jersey-Projekt wurde vor Ort von EDWIN LAUPRECHT, damaliger Leiter der Rinderzuchtforschung in Dummerstorf, betreut. (40) veröffentlichte unmittelbar nach Kriegsende einige Resultate (Tabelle 2).
Tabelle 2: Leistungsvergleich der Jersey-F1-Tiere gegenüber ihren schwarzbunten Müttern im früheren Kaiser-Wilhelm-Institut in Dummertorf in den 1940er-Jahren (Basis: 1. Laktation) | |||
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Merkmal | F1-Tiere | Schwarzbunt | F1-relativ |
Lebendmasse (in Kilogramm, 1. Laktation) | 450 | 500 | 90 |
Milchmenge in Kilogramm Kuh pro Laktation) | 3.258 | 3.452 | 94 |
Fett (in Prozent) | 5,05 | 3,12 | 162 |
Eiweiß (in Prozent) | 3,37 | 3,11 | 108 |
Laktose (in Prozent) | 4,66 | 4,50 | 104 |
Fett (in Kilogramm) | 165 | 108 | 153 |
Eiweiß (in Kilogramm) | 110 | 107 | 102 |
Quelle: (40)
"Im Vergleich zum Fettgehalt ist der Milcheiweißgehalt nur relativ wenig verändert worden" (zitiert: 40). Die Fettkügelchen in der Milch sind bei Jerseys bzw. Jerseykreuzungen im Mittel größer als bei den Schwarzbunten. Für ein Kilogramm Butter ist der Erhaltungs- und Leistungsbedarf der F1-Kuh günstiger als bei Schwarzbunten (Tabelle 2). Die Geschichte ging, trotz der Kriegs- und Nachkriegswirren, weiter. LAUPRECHT wurde erster Leiter des entsprechenden Nachfolge-Instituts, des späteren Max-Planck-Instituts für Tierzucht und Tierernährung in Mariensee. Dorthin wurden (etwa ab Frühjahr 1947) ein Teil der Kreuzungsrinder und Schwarzbunttiere aus Dummerstorf – nach einer Odyssee, beginnend wenige Tage vor Kriegsende im April 1945, mit behelfsmäßiger Zwischen-Unterbringung der Dummerstorfer Versuchstiere in landwirtschaftlichen Betrieben im Umland von Lüneburg (ab Ende April 1945) – verbracht. Hierbei erwies sich der Dummerstorfer Melkermeister NAGEL, der auch später in Mariensee erfolgreich weiter wirkte, als glänzender Organisator und Praktiker (HUTH, persönliche Mitteilung, 2007). In 1948 wurde MAX WITT von der neu gegründeten Max-Plack-Gesellschaft als Leiter des Instituts in Mariensee berufen. Er setzte nun das Jersey-Projekt in einer über 20-jährigen Versuchsserie in Mariensee fort (Tabelle 3).
Tabelle 3: Milchleistungen verschiedener Kreuzungsstufen im Jersey-Kreuzungsversuch in Mariensee; Basis: 1. Laktation | ||||
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Rasse oder Kreuzungstyp | Milch- menge (in Kilogramm) | Fettmenge (in Kilogramm) | Fettge- halt (in Prozent) | Gewicht (in Kilogramm) |
Schwarzbunt (Sbt) | 3.248 | 135 | 4,16 | 483 |
R1 (Sbt x F1) | 3.036 | 138 | 4,56 | 474 |
F1 (Vater: J) | 2.934 | 148 | 5,02 | 448 |
F2 (F1 x F1) | 2.714 | 139 | 5,09 | 442 |
F1 (Vater: Sbt) | 2.763 | 135 | 4,83 | 440 |
R1 (J x F1) | 2.396 | 135 | 5,64 | 425 |
Jersey (J) | 2.267 | 133 | 5,96 | 368 |
Quelle: (43)
Die Ergebnisse aus Mariensee belegen nur einen begrenzten Heterosiseffekt für die Milchmenge (etwa 100 Kilogramm); jedoch relativ größere Heterosiseffekte sowohl für die Milchfettmenge (rund +zehn Kilogramm) als auch für die Körpermasse (≥ +25 Kilogramm). Gleichzeitig tendierte der Milchfettgehalt, bedingt durch die bestehenden Merkmalszusammenhänge, in negative Richtung (= "negative Heterosis"). Auch wurden erste Hinweise für maternale Effekte, speziell für die Körpermasse, beobachtet (Tabelle 3).
Zusätzlich ist ein negativ gerichteter Rekombinationseffekt (11, 12) beispielsweise für die Milchmenge zu nennen. So sind die Leistungen der Rückkreuzungen (R-Tiere) und auch die F2-Tiere deutlich unterhalb der erwarteten Werte (Abbildung 4).
Abbildung 4: Milchmengenleistungen (in Kilogramm) verschiedener Kreuzungstufen im Jerseykreuzungsversuch in Mariensee
Quelle: (43); eigene Darstellung
Vergleichbare Ergebnisse wurden auch im Dummerstorfer Institut, das nach Kriegsende zunächst ein Versorgungsgut für die Russische Armee und ab 1949 wieder ausgebaut wurde, von (20, 22, 23, 24) erzielt.
Tabelle 4: Entwicklung der Körpermasse weiblicher Jungrinder im 1. Lebensjahr | ||||||
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Alter | Sbt | F1 | F2 | R1 (Sbt x F1) | R2 (Sbt x F1) | Jersey (J) |
12.Monat | 298,3 | 261,8 | 252,4 | 280,2 | 299,1 | 210,7 |
Quelle: (22)
Tabelle 5: Mastleistung der Jungbullen verschiedener Kreuzungsstufen von Deutschen Schwarzbunten mit Jerseyrindern | |||
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Genotypische Gruppe | Körpermasse nach Geburt (in Kilogramm) | Körpermasse am 365. Lebenstag (in Kilogramm) | tägliche Zunahme (in Gramm) |
Schwarzbunt (Sbt) | 40,5 | 398,4 | 985 |
Jersey (J) | 22,3 | 353,3 | 907 |
F1 (J x Sbt) | 31,7 | 380,3 | 960 |
F1 (Sbt x J) | 27,0 | 384,8 | 987 |
F2 (F1 x F1) | 31,3 | 367,2 | 926 |
R1 (F1 xSbt) | 33,1 | 401,0 | 1.011 |
Quelle: (20)
Aus diesen vielfältigen Dummerstorfer Studien lassen sich zusammenfassend folgende Beobachtungen festhalten: Die Färsen des Jerseyrindes sowie die F1- und F2-Tiere hatten eine geringere Körpermassenzunahme, aber einen höheren Futterverbrauch je ein Kilogramm Massenzuwachs als die schwarzbunten Vergleichstiere (22). Die Variabilität der Milchmenge, des Fettgehaltes oder der Fettmenge war innerhalb der verschiedenen Kreuzungsgenerationen nicht wesentlich größer als bei den reinen Rassen (23). Der Nährstoffverbrauch zur Erzeugung von einem Kilogramm Milchfett war bei Jerseys und den F1-Tieren deutlich geringer als bei den schwarzbunten Rindern (24). Die männlichen F1-Tiere eignen sich nur wenig zur Mast (20).
In den 1950er- und am Anfang der 1960er-Jahre waren bedingt durch einen nur begrenzt möglichen Kraftfuttereinsatz, speziell in der Milcherzeugung, mittlere Jahresleistungen von 3.000 bis 4.000 Kilogramm Milch pro Kuh typisch (Tabellen 3 bis 5). Neben der möglichen Kombination von Eigenschaften, die in verschiedenen Rassen unterschiedlich vorteilhaft ausgeprägt sein können (= Kombinationseffekt) ist das Auftreten von Heterosiseffekten häufig ein zusätzlicher Grund für eine systematische Kreuzungszucht (Abbildung 5).
Abbildung 5: Individuelle Heterosis (= Leistung der F1 gegenüber der mittleren Leistung der beiden Eltern)
Quelle: eigene Darstellung
An dieser Stelle bleibt anzumerken: Nur in der F1-Generation kann der Heterosiseffekt voll genutzt werden. Jedoch bleibt ein Teil des Heterosiseffektes auch in der R1-Generation erhalten (11, 12, 29).
In Rückkreuzungen und F2-Verpaarungen ist neben dem abnehmenden Heterosiseffekt noch ein Rekombinationseffekt wirksam. Er basiert auf dem Verlust günstiger Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Genorten (= Epistasie). In Reinzuchtpopulationen wird nämlich durch die gerichtete Selektion nicht nur die Häufigkeit vorteilhafter Gene (besser: Allele) erhöht, sondern es werden auch günstige epistatische Genkombinationen (= Gen-Gen-Interaktionen) angereichert. In Kreuzungen werden durch die gametische Rekombination nach regelmäßigem Crossing-over im Rahmen der Weitergabe der Erbanlagen vorliegende vorteilhafte Genkombinationen wiederum zum Teil zerstört.
Abbildung 6: Schematische Darstellung einer möglichen Rekombination von Genen bei Weiterzucht mit Kreuzungstieren
Quelle: eigene Darstellung
(11) hat deshalb frühzeitig eine (vereinfachte) Kalkulationsgrundlage zur Erfassung des möglichen Rekombinationseffektes in Kreuzungszuchtprogrammen vorgeschlagen: 2*F2-(F1+((P1+P2)/2)), das heißt die Leistungen in der F2 werden denjenigen der beiden Eltern-Populationen (= P1, P2) sowie der F1 gegenübergestellt.
Nachträglich kalkulierte Kreuzungsparameter im Kreuzungsexperiment in Mariensee (43) sind nachfolgend, basierend auf dem Dickersonschen Ansatz, für die Milchleistung tabelliert (Tabelle 6).
Tabelle 6: Nachträglich berechnete Kreuzungsparameter (Dickerson-Modell) für die Kreuzung Deutsche Schwarzbunte (Sbt) mal Jersey (J) im Kreuzungsexperiment in Mariensee | ||||
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Merkmal | Geschätzte Kreuzungsparameter (Dickerson-Ansatz) | |||
µSbt±s | ΔgJ±s | hSbt.J±s | rSbt.J±s | |
Milchmenge (in kg; 1.Laktation) | 3.271±87 | -1.041±117 | 91±93 | -217±192 |
Fett (in Prozent) | 4,13±0,10 | 1,87±0,14 | -0,13±0,11 | 0,25±0,22 |
Fett (in Kilogramm) | 135,1±5,2 | -2,8±6,9 | 7,5±5,5 | 0,8±11,4 |
Quelle: veröffentlichte Daten von (43)
Ähnliche Werte sind auch für die Jerseykreuzungen unter den Produktionsbedingungen der 1960/1970er- Jahren in der ehemaligen DDR zu nennen (ungefähr 3.000 Kilogramm Milch pro Kuh und Jahr).
Tabelle 7: Kreuzungsparameter für die Verpaarung Dänische Jerseys (J) mal Deutsche Schwarzbunte (Sbt) unter den Produktionsbedingungen in der DDR in den 1960/70er-Jahren | ||||
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Merkmal (1. Lakta- tion) | absoluter Heterosis-zuwachs (hSbt.J in Kilogramm) | relativer Heterosis-zuwachs ** (hSbt.J in Pro- zent) | absoluter Rekom-binations-verlust (rSbt.J in Kilogramm) | relativer Rekom-binations- verlust ** (rSbt.J in Prozent) |
Milchmenge (in Kilogramm) | +78,4 | 2,72 | -101,0 | -3,50 |
Milchfettmenge (in Kilogramm) | +11,2 | 7,60 | -5,2 | -3,53 |
Anmerkung: *Sbt = Schwarzbunte auf ostfriesisch-holländischer Grundlage; **in Prozent der zugehörigen Reinzuchtmittel
Quelle: (2, 4)
Abbildung 7: F2-Bulle "Thor 147 R" aus der Verpaarung F1-Bulle mal F1- Kuh; Geburtsdatum: 26. Januar 1960. Züchter: Institut Dummerstorf.
Quelle: Archiv Brade
Abbildung 8: Typischer R1-Bulle "Bambus 1460 H (Sbt x F1-Kuh)"; Geburtsdatum: 15. Februar 1968; Bulle im Alter von 18 Monaten fotografiert.
Quelle: Brade
Anfang der 1960er-Jahre wurde in der damaligen DDR beschlossen, zur gezielten Verbesserung vor allem der Butterversorgung sowohl Dänische Jerseybullen (DJ) als auch vor allem F1-Bullen (DJ x Sbt) in breiterem Umfang, speziell in größeren Herden der Landeszucht (Produktionsherden) einzusetzen (35).
Der bevorzugte Einsatz von F1-Bullen gegenüber reinrassigen DJ-Bullen erfolgte aus der Blickrichtung, die Mast- und Schlachtleistung der anfallenden männlichen Kälber nicht zu sehr zu mindern. Die männlichen F1-Tiere aus der Anpaarung DJ x Sbt sollten – bei einem Mindestalter von 14 Tagen – der baldigen Schlachtung zugeführt werden (35).
Zur Erzeugung der benötigten F1-Bullen wurden ausgewählte Sbt-Kühe in der Stammzuchtebene (= Ebene der Zuchtbullenerzeugung) mit DJ-Bullen besamt1. In Kenntnis dieser politisch-diktatorischen Vorgabe wurde später von (39) der Vorschlag formuliert, das "SMR" (= jerseyblütiges Schwarzbuntes Milchrind der DDR), im Sinne der Neuzüchtung einer Doppelnutzungsrasse (Milch-Fleisch) zu züchten.
Dieser Vorschlag sah eine Kombination des vorhandenen Schwarzbuntrindes mit DJ und British-Friesians (BF) vor. Gleichzeitig verlagerte sich der Schwerpunkt der Jerseyeinkreuzung von der Landeszucht in die höchste Zuchtstufe, den Stammzuchten (= Zuchtbullenerzeuger). Erst später wurde der Vorschlag in der Weise modifiziert, dass neben den BF auch die deutlich überlegenen Holstein-Friesians (HF) aus Nordamerika genutzt wurden. Zu erwähnen bleibt, dass mit der zentralistischen Vorgabe der SMR-Züchtung im gesamten Milchkuhbestand der DDR gleichzeitig die züchterische Bearbeitung des Thüringer Fleckviehs (DF), des Frankenrindes (FR) und des Harzer Rotviehs (HR) – gegen den Willen vieler Züchter – eingestellt wurde (7).
Die in der höchsten Zuchtstufe, den Stammzuchten, erzeugten SMR-Bullen dienten einerseits der Verdrängungskreuzung auf Ebene der Landeszucht und andererseits der In-Sich-Züchtung in der höchsten Zuchtebene (Verpaarung von SMR-Bullen mit SMR-Kühen) im Sinne der geplanten Neuzüchtung (Abbildung 9).
Abbildung 9: SMR-Bulle der 1. Generation: Pair 2006 H (Geburtsjahr: 1971) im typischen "SMR-Farbkleid". Bulle auf dem Foto 15 Monate alt.
Quelle: Brade
Die Kühe der ersten SMR-Generation erwiesen sich in der Milchleistung als bemerkenswert respektabel im Vergleich mit den Schwarzbunten (ostfriesisch-holländischer Abstammung). Spätere Auswertungen – mit Einbeziehung der Verpaarung SMR x SMR – bestätigten wiederum das Vorhandensein nachteiliger Rekombinationsverluste sowohl für Milchleistungs- als auch für die Fruchtbarkeits- oder Mastleistungsmerkmale (2, 4, 7, 13, 16, 33). Ein Vergleich der 1. und 2. SMR-Generation zeigt beispielsweise, dass mit Beginn der In-Sich-Züchtung innerhalb des SMR eine Leistungsabnahme um 153 Kilogramm Milch oder acht Kilogramm Milcheiweiß je Kuh und Laktation anzuerkennen ist (Tabelle 8).
Tabelle 8: Laktationsleistungen (1. Laktation) im "Dummerstorfer Heterosisfeldversuch" mit dem SMR* in den 1980er-Jahren | ||||||
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Rasse/Kreuzungsgruppe; Code* | Tierzahl, n | Milch (in kg) | Fett (in kg) | Eiweiß (in kg) | Fett (in Prozent) | Eiweiß (in Prozent) |
Schwarzbunt (Sbt); 01 | 1.132 | 3.664 | 138 | 121 | 3,80 | 3,28 |
F1, GT18 [= J x Sbt]; 18 | 5.674 | 3.310 | 147 | 118 | 4,45 | 3,51 |
F2 = F1, GT18 x F1, GT18; 18 x 18 | 497 | 3.021 | 132 | 104 | 4,40 | 3,45 |
SMR1;GT30 = HF x F1[J x Sbt]; 30 | 6.637 | 3.596 | 143 | 123 | 3,98 | 3,33 |
SMR2;GT30 = SMR1 x SMR1; 30 x 30 | 2.844 | 3.443 | 138 | 115 | 4,02 | 3,29 |
Anmerkung: *SMR = Schwarzbuntes Milchrind der DDR (= Black-Pied Dairy Cattle of former GDR)
Quelle: (33)
(13) bestimmten zugehörige Kreuzungsparameter für Fruchtbarkeitsmerkmale, auch unter Verwendung differenzierter Modelle, in der SMR-Züchtung (Tabelle 9).
Tabelle 9: Schätzwerte für verschiedene Kreuzungseffekte bezüglich der Zwischenkalbezeit (ZKZ**) (Dickerson-Modell); Basis: alte Schwarzbunte (Sbt)* | ||||
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Kenngröße | Laktations-Nummer | |||
1 | 2 | 3 | 4 | |
ΔgH | 9,17*** | 11,50*** | 13,44*** | 12,73*** |
ΔgJ | -6,32 | 0,33 | -2,43 | -0,95 |
hSbt.H | -0,31 | 0,22 | -1,10 | -1,28 |
hSbt.J | -2,35 | -2,42 | -1,10 | -1,28 |
hH.J | -2,60 | -6,41** | -5,28* | -3,98* |
rSbt.H | 1,77 | -1,48 | -4,41* | -4,87* |
rSbt.J | -4,48** | 1,94 | 2,95* | 2,87* |
rH.J | -3,04 | -1,53 | -1,65 | -1,98 |
Anmerkung: *Mittelwert (phänotypisch) der Sbt: 373,65 Tage; **ZKZ = Intervall: Kalbung – Kalbung (interval: calving to calving); ΔgH = additiv-genetische Rassendifferenz der Holsteins gegenüber der Schwarzbuntbasis; hSbt.J = Heterosiseffekt für die Kreuzung Schwarzbunt x Jersey; rH.J = Rekombinationseffekt für die Kreuzung Jersey x Holstein; analog übrige Symbole
Quelle: (13)
Sie zeigten, dass für die HF ein positiver additiv-genetischen Rasseneffekt im Vergleich mit Sbt bezüglich der Zwischenkalbezeit (ZKZ) anzuerkennen ist. Demgegenüber bewirkten die DJ eine signifikante Verkürzung der ZKZ; zumindest in der 1. Laktation. Die Autoren zeigten weiter, dass signifikant negativ gerichtete Heterosiseffekte, vor allem bei Verpaarung der DJ mit HF, in allen Laktationen zu nennen sind (Tabelle 9). Negative Rekombinationseffekte zeigten sich speziell in der ersten Laktation in der Verpaarung J x Sbt. Jedoch kehrten sich diese interessanterweise wiederum in höheren Laktationen um (Tabelle 9). Zu ergänzen bleibt, dass auch für die Mastleistung Hinweise für das Auftreten von Rekombinationseffekten im Rahmen der SMR-Züchtung vorliegen (Tabelle 10).
Tabelle 10: Beobachtete Unterschiede zwischen der 1. und 2. SMR-Generation bezüglich der Prüftagszunahme und Widerristhöhe in der Eigenleistungsprüfung in zentralen Bullenaufzuchtstationen der früheren DDR | ||
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Merkmal | beobachtetes Gesamtmittel | genetisch bedingte Unterschiede (Δg)* |
Prüftagszunahme in der zentralen Bullenaufzucht (82. bis 365. Lebenstag) in Gramm | 1.192,42 | -8,40** |
Widerristhöhe (365. Lebenstag) in Zentimeter | 123,79 | -0,32** |
Anmerkung: Merkmalsdifferenz: hier zum Beispiel Lebenstag; *Δg = (SMR2.(SMR x SMR) minus SMR1.(HFx(JxSbt.))); **Anzahl Bullen der 1.SMR-Generation: 487; Anzahl Bullen der 2.SMR-Generation: 658
Quelle: (3)
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1989 stellte sich die Frage nach der genetischen Differenziertheit des ostdeutschen SMR gegenüber dem "holsteinisierten" Schwarzbuntrind (= Deutsche Holsteins, DH) in den alten Bundesländern (7). Zahlreiche Vergleiche wurden sowohl von ost- als auch westdeutschen Einrichtungen vorgelegt. Die wohl diesbezüglich umfassendste Studie wurde in Vorbereitung der gemeinsamen Zuchtwertschätzung für alle Schwarzbunten der alten und neuen Bundesländer ab Juni 1995 durch das Rechenzentrum (VIT) Verden vorgelegt (36, 37).
Die DH in den alten Bundesländern waren demnach – basierend auf dem einheitlich definierten Geburtsjahrgang 1985 – den SMR-Kühen in den neuen Bundesländern sowohl in der erzeugten Milch- als auch Fett- und Eiweißmenge überlegen. Eine Holsteinisierung des SMR-Rinderbestandes (= Verdrängungskreuzung mit Holsteins) wurde nun auch in den fünf östlichen Bundesländern eingeleitet (7, 19 – auch Abbildung 10).
Abbildung 10: SMR-Bulle mit 75-prozentigem HF-Genanteil "Lenor 956751", Geburtsdatum: 5. März 1988. Züchter: Erwin H. Brade in Bernburg-Strenzfeld; Bulle aus der Verpaarung HF-Bulle mal SMR-Kuh. Einige praktische Züchter hatten bereits vor dem Zusammenbruch der DDR 1989 bemerkt, dass die In-Sich-Züchtung des SMR deutliche Probleme zeigte (zum Beispiel Rekombinationen, Leistungsrückgang, schlechte Euterqualitäten).
Quelle: Brade
In den drei vergangenen Jahrzehnten konnten die Holsteinzüchter weltweit einen enormen genetischen Fortschritt in der Milchmengenleistung erzielen. Auch in Deutschland ist die erzielte Leistungssteigerung bei DH außerordentlich bemerkenswert. Gleichzeitig nahm unter den Bedingungen der intensiven Milcherzeugung die beobachtete Rassendifferenz bezüglich der Milchmengenleistung zwischen J und HF weiter zu (6).
Das Holstein-Rind ist in der erzeugten Milcheiweißmenge pro Kuh und Laktation allen anderen Milchrinderrassen zwischenzeitlich klar überlegen. Weitere Vorteile der Holsteinrinder sind die hervorragende Melkbarkeit, die Euteraufhängung oder die Zitzenform und -platzierung. Allerdings ist das Holstein-Rind auch in einigen Merkmalen verbesserungsbedürftig: die Abkalbemerkmale (= Anteil Tot-/Schwergeburten) oder die Fruchtbarkeit; alles Merkmale mit generell niedriger Erblichkeit (8).
Die Überlegenheit der Jerseys gegenüber den Holsteins in den Abkalbe- und Fruchtbarkeitsmerkmalen ist wiederholt gezeigt worden (25, 28, 42).
Detaillierte Bewertungen der Leistungen der F1 (Nordamerikanische Jerseybullen (NJ) x DH) unter den Bedingungen einer hohen Produktionsintensität (ungefähr 6.500 bis 8.000 Kilogramm Milch je Kuh in der 1.Laktation) bestätigen, dass mit zunehmendem Produktionsniveau die Leistungsunterlegenheit der F1 gegenüber reinrassigen Holsteins zunimmt (Tabelle 11).
Tabelle 11: LSQ-Mittel (xLSQ) und zugehörige Standardfehler (sLSQ) für Milchleistungsmerkmale in Abhängigkeit vom Produktionsniveau* | |||||
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Produktionsniveau (Fett und Eiweiß in kg) | Merkmal (1. Laktation) | F1 (= NJ x DH)* | DH (Vater: Testbulle) | ||
xLSQ | SLSQ | xLSQ | SLSQ | ||
> 570 Kilogramm | Milchmenge (kg) | 6.278,7 | 104,6 | 7.967,2 | 29,7 |
Fett (kg) | 288,7 | 3,9 | 310,2 | 1,1 | |
Eiweiß (kg) | 227,3 | 3,3 | 266,3 | 0,9 | |
Fett (Prozent) | 4,58 | 0,03 | 3,94 | 0,01 | |
Eiweiß (Prozent) | 3,59 | 0,01 | 3,34 | 0,01 | |
< 510 Kilogramm | Milchmenge (kg) | 5.263,9 | 102,9 | 6.535,8 | 46,9 |
Fett (kg) | 236,6 | 3,8 | 261,1 | 1,7 | |
Eiweiß (kg) | 186,4 | 3,3 | 221,6 | 1,5 | |
Fett (Prozent) | 4,51 | 0,03 | 4,03 | 0,01 | |
Eiweiß (Prozent) | 3,53 | 0,01 | 3,38 | 0,01 |
*Anmerkung: NJ x DH = F1-Tiere aus der Verpaarung Nordamerikanische Jerseybullen (NJ) mal Deutsche Holsteinkühe (DH)
Quelle: (9)
Die Überlegenheit der DH bezüglich der Milchleistung im Vergleich mit den F1-Tieren (NJ x DH) bleibt auch bei Auswertung der ersten drei Laktationen bestehen (34). Die reinrassigen Holsteinkühe haben eine höhere Lebensleistung bzw. eine höhere Leistung je Futtertag bis zum Ende der 3. Laktation. Dies gilt trotz ihrer etwas geringeren Überlebensrate gegenüber den F1-Stallgefährtinnen; vor allem in späteren Laktationen (Abbildung 11).
Abbildung 11: Milchleistungen je Lebenstag von F1-Kühen (NJ x DH) gegenüber reinrassigen Deutschen Holsteins (DH); Auswertung unter Berücksichtigung der ersten drei Laktationen
Quelle: PASMAN et al., 2012; eigene Darstellung
Das neuere Jersey-Kreuzungsexperiment in Sachsen bestätigt, dass die Fruchtbarkeit der F1- Kühe (NJ x DH) und die Totgeburtenrate zugunsten der Kreuzungstiere ausfällt (8). Die Überlegenheit der F1-Tiere in den maternalen Abkalbemerkmalen kann auch statistisch abgesichert werden (Tabellen 12 und 13).
Tabelle 12: LSQ-Mittel für maternale Abkalbemerkmale (Basis: 1. Abkalbung) | |||
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Kenngröße/Merkmal | Mitelwerte (xLSQ)1) | Signifikanz | |
F1-Tiere (NJ x DH) | Reinzucht (DH) | ||
Kalbeverlauf (0/1)* | 0,5 Prozent | 3,4 Prozent | ** |
Totgeburtrate (0/1)* | 6,9 Prozent | 10,5 Prozent | ** |
1)nur Anpaarungen mit Holsteinbullen berücksichtigt *Anmerkung: 0 = leicht/normal, 1 = schwer
Quelle: (9)
Tabelle 13: LSQ-Mittel für maternale Fruchtbarkeit nach 1. Abkalbung | |||
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Kenngröße/Merkmal | Mittelwerte (XLSQ) | Signifikanz | |
F1-Tiere (NJ x DH) | Reinzucht (DH) | ||
Rastzeit (Tage) | 76,3 | 84,5 | *** |
Verzögerungszeit (Tage) | 29,9 | 36,7 | ** |
Güstzeit (Tage) | 105,1 | 120,3 | *** |
Non-Return-Rate 56 (in Prozent) | 59,5 | 57,9 | n.s. |
Zwischenkalbezeit (Tage) | 385,3 | 400,5 | *** |
Erstkalbalter (Tage) | 826,4 | 820,2 | *** |
Quelle: (9)
Die F1-Tiere weisen kürzere Rast- und Güstzeiten auf (Tabelle 13). Da sich die Trächtigkeitsdauer nicht unterscheidet, ist die ZKZ bei den F1-Tieren signifikant kürzer. Eine bessere Non-Return-Rate der F1-Tiere vergleichsweise gegenüber den DH-Kühen ist jedoch am vorliegenden Material nicht zu belegen (9).
Die Geschichte zahlreicher Rinderrassen ist dadurch geprägt, dass sich in mehr oder weniger langen Abständen Phasen der Reinzucht mit Phasen der Kreuzungszucht abwechseln (zum Beispiel Einkreuzung nordamerikanischer Holsteins (HF) in das ostfriesisch-holländische Schwarzbuntrind; beginnend vor mehr als 40 Jahren in Deutschland). In der DDR erfolgte etwa ab 1960 die systematische Einkreuzung von DJ in Produktionsherden der Landeszucht (35). Später wurden DJ zur Bildung einer synthetischen Rasse, zur Herauszüchtung des SMR, genutzt. Nach der Wiedervereinigung erfolgte auch im Osten Deutschlands, wie etwa 20 Jahre zuvor in den westlichen Bundesländern, eine weitere "Holsteinisierung" des Milchkuhbestandes (= Verdrängungskreuzung).
Die vielgestaltigen Auswertungen zur Jerseyeinkreuzung in das Schwarzbunte Rind (ostfriesisch-holländischer Abstammung) können wie folgt zusammengefasst werden:
Aus globaler Sicht findet man heute eine systematische Kreuzungszucht zwischen Jerseys und Holsteins vor allem in der Neuseeländischen Milcherzeugung, teilweise auch in Australien und Irland (28). Fragt man nach dem zugehörigen Grund, so ist das gewählte Produktionssystem hier in besonderer Weise zu nennen. Die neuseeländische Milcherzeugung unterscheidet sich von der deutschen oder nordamerikanischen erheblich. Die Milch wird beispielsweise in Neuseeland nahezu ausschließlich über Weidehaltung auf hochwertigem Grünland erzeugt. Der Einsatz von Silage, Heu oder Kraftfutter ist bemerkenswert gering. Aufgrund der Wachstumskurve der Futterpflanzen auf dem Grünland ist die Milchproduktion sehr stark saisonal beeinflusst.
Die Neuseeländischen oder Australischen Milchviehhalter lassen ihre Herden deshalb konzentriert ab Ende Juli bis Anfang September jeden Jahres abkalben (= zu Beginn des dortigen Frühjahres). Der wirtschaftliche Druck auf Nutzung einer sehr fruchtbaren Kuh, die alt wird und effizient Gras in Milch umsetzt, ist hoch. Die Kühe müssen innerhalb von etwa 365 Tagen wieder kalben, soll das Produktionssystem kontinuierlich sichergestellt werden. Ein straff organisiertes Reproduktionsmanagement bietet Vorteile, wenn Jersey x Holstein-Kreuzungen systematisch genutzt werden (Tabelle 14).
Tabelle 14: Beobachtete Heterosiseffekte unter Neuseeländischen Bedingungen (in Prozent) | ||
---|---|---|
Kenngröße/Merkmal | Neuseeländische Holstein x Jersey | "Übersee"-Holsteins x Jersey |
Rastzeit (Tage) | -1,2 | -1,5 |
Besamungserfolg (in Prozent) | +6,8 | +10,1 |
Überlebensrate (in Prozent) (1. zur 2. Laktation) | +3,4 | +8,8 |
Überlebensrate (in Prozent) (1. bis 5. Laktation) | +9,6 | +18,3 |
Quelle: (28)
(42) bestätigt, dass US-Jerseys eine deutlich bessere Reproduktionsleistung als reinrassige US-Holsteins haben. Sie definierte die Reproduktionsleistung, vor dem Hintergrund der Prüfung einer intensiven Weidewirtschaft, als Anteil erzielter Trächtigkeiten innerhalb von 75 Tagen nach Abkalbung (p. p.). Die Jerseys haben eine bessere Erstkonzeptionsrate und einen höheren Anteil tragender Tiere; sowohl unter Stall- als auch Weidebedingungen (Tabelle 15).
Tabelle 15: Reproduktionsleistungen (75-tägige Zuchtsaison nach Abkalbung) | ||
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Haltungsgruppe, Rasse | Anteil Kühe besamt (innerhalb 75 Tagen), in Prozent | Anteil trächtiger Kühe (innerhalb 75 Tagen), in Prozent |
Stall, Holsteins | 84,8 ± 3,5* | 52,8 ± 6,2 |
Weide, Holsteins | 87,0 ± 2,9 | 63,0 ± 5,2 |
Stall, Jerseys | 94,8 ± 2,9 | 75,7 ± 5,2 |
Weide, Jerseys | 98,3 ± 2,9 | 80,5 ± 5,2 |
Quelle: (41)
Anmerkung: * zugehörige Standardabweichung
Auch sind Jerseys bekanntermaßen kleiner als Holsteins und erreichen ihre körperliche Reife etwas früher als Holsteins. Jerseys benötigen signifikant weniger Energie für den Körpererhalt während der Laktation (30). Allerdings konnten (30) keinen signifikanten Rassenunterschied hinsichtlich des Futterenergieverbrauchs für die (neue) Trächtigkeit beobachten (Tabelle 16). Insgesamt nutzen reinrassige Jerseys und F1-Jerseykreuzungen einen relativ höheren Anteil der aufgenommenen Futterenergie zur Milcherzeugung als ihre Holstein-Counterparts (Tabelle 16). Die beobachtete Heterosis in der F1 stabilisiert dabei zusätzlich die günstige Verwertung der aufgenommenen Futterenergie zur Milcherzeugung (30).
Tabelle 16: Energieverwertung (in Prozent der konsumierten Futterenergie) für Wachstum, Körpererhalt, Trächtigkeit und Milchleistung bei Holsteins, Jerseys und ihren reziproken Kreuzungen in der 3. bis 43. Woche der 1. Laktation | ||||
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Kenngröße | Rasse/Genotyp | |||
Holsteins (H) | HxJ | JxH | Jerseys (J) | |
Wachstum | 6,9 | 6,6 | 5,3 | 4,2 |
Erhaltung | 27,4 | 26,7 | 25,7 | 26,2 |
Trächtigkeit | 0,3 | 0,3 | 0,4 | 0,3 |
Milchproduktion | 60,9 | 64,8 | 64,9 | 66,3 |
Quelle: (30)
Im Hinblick auf die produzierte Milchmengenleistung je Kuh und Laktation bleibt jedoch anzuerkennen, dass diese bei reinrassigen Holstein-Rindern deutlich höher als bei Jerseys ist (Tabelle 17).
Tabelle 17: Relative Höhe (in Prozent) der Leistungsprüfung der Jerseys gegenüber US-Holsteins unter einheitlichen Bedingungen in der Versuchsstation der Universität Raleigh (North Carolina, USA) | |||
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Rassenvergleich | relative Höhe (in Prozent) – Laktationsleistung | ||
Milch (in Kilogramm) | Fett (in Prozent) | Eiweiß (in Prozent) | |
US-Jerseys zu US-Holsteins | 76,7 | 122,5 | 116,2 |
Quelle: (42)
Schließlich ist auch die Milchzusammensetzung der Jerseys und Holsteins hinsichtlich möglicher Vor- und Nachteile zu diskutieren. Der bekanntermaßen höhere Fettgehalt der Milch der Jerseys ist, wie bereits (40) zeigte, mit einem höheren Anteil größerer Fettkügelchen in der Milch verbunden.
Es gibt aber auch signifikante Unterschiede im Fettsäuremuster der Milch von Holsteins und Jerseys (10, 32, 41). Bereits (10) berichteten, dass in der Jerseymilch ein höherer Anteil kurz- bis mittelkettiger Fettsäuren (C6:0 bis C14:0) im Vergleich zur Holsteinmilch vorhanden ist. Unter einheitlichen Fütterungs- und Haltungsbedingungen hatten Jerseys einen relativ geringeren Anteil an der C18:1-Fettsäure.
Bekannt sind auch deutliche Allelfrequenzdifferenzen für spezifische Milchproteine zwischen den beiden Rinderrassen. Besonders auffallende Allelfrequenzunterschiede sind für verschiedene Kaseine (αS1-, β- und κ-Kasein) sowie für das β-Laktoglobulin, einem Molkenprotein, bei Jerseys und Holsteins zu nennen (5). So ist das β-Allel für Kappa (κ)-Kasein sowie das A2-Allel für beta(β)-Kasein bei Jerseys deutlich häufiger vorhanden als bei Holstein-Rinder.
Liegt der Genotyp BB für das κ-Kasein vor, sind Vorzüge für die Hartkäseerzeugung wiederholt nachgewiesen bzw. für die generelle Käsereitauglichkeit der Milch anzuerkennen (5). Aus 100 Kilogramm Jerseymilch kann man rund 12 bis 13 Kilogramm Käse herstellen; deutlich mehr als aus 100 Kilogramm Holsteinmilch. Die höhere Käseausbeute der Jerseymilch resultiert sowohl aus dem deutlich höheren Fett- und Eiweißgehalt als auch dem höheren Calcium- und κ-Kasein Β-Gehalt der Jerseymilch, verglichen mit der Milch von Holsteinkühen.
In Kalifornien (USA) werden deshalb neben reinrassigen Holsteins zusätzlich gern auch reinrassige Jerseys gehalten (6). Eine Kreuzungszucht wird jedoch nicht praktiziert. Die Kalifornischen Farmer halten ihre reinrassigen Jersey- und Holsteinherden systematisch getrennt, da sie unter den dortigen hohen Produktionsintensitäten eine deutlich unterschiedliche Fütterung und ein differenziertes Management (Beispiel: Melkfrequenz) der beiden Rassen praktizieren. Ein Studienaufenthalt vor Ort zeigte, dass eine höhere Inzidenz von Hypokalzämien (= Milchfieber) bei Jerseys (= mit notwendiger intensiverer Beachtung der Transitperiode) und eine größere Anfälligkeit gegenüber Kupfer (maximal 20 ppm in der Ration) vergleichsweise gegenüber der US-Holsteins zu beachten bleibt (6). Die gleichzeitige Haltung verschiedener Rassen ist somit gleichfalls eine Möglichkeit, vorhandene Rassenunterschiede systematisch in praxi zu nutzen (Abb. 12).
Abbildung 12: Darstellung der genetischen Distanz verschiedener Rinderrassen in Nordamerika (nach Nei)
Quelle: (17); eigene Darstellung.
Anmerkung: Canadienne = lokale Rasse entstanden aufgrund der Rinder, die französische Siedler (zum Beispiel aus der Normandie) bereits zum Teil im 17. Jahrhundert mitbrachten.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Jede Rasse hat unterschiedliche Stärken und Schwächen. Die Entscheidung zur Reinzucht oder zur Kreuzung kann in jedem Fall nur der Betriebsleiter – aus der Blickrichtung der betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten und unter Berücksichtigung des angestrebten Produktionssystems vor Ort – treffen. Zentralistisch-diktatorische Vorgaben zur Kreuzungszucht, wie sie in der ehemaligen DDR praktiziert wurden, widersprechen jedem bäuerlichen Selbstverständnis (7).
Da in der Milcherzeugung, im Gegensatz beispielsweise zur Eiererzeugung mit Legehennen eine deutlich geringere Reproduktionsfähigkeit der weiblichen Tiere anzuerkennen ist, dürften systematisch auftretende Rekombinationseffekte in den notwendigerweise zu erzeugenden Rückkreuzungen mit Milchrindern generell nachteilig für eine Kreuzungszucht sein. Es genügt folglich auch nicht, auf Basis ausschließlich der Leistungen von F1-Tieren gegenüber den reinrassigen Eltern umfassende Aussagen zur Vorzüglichkeit einer Kreuzungszucht bei Milchrindern treffen zu können. Auch sollte die Kreuzung nicht als "Hilfsmittel" zum Ausgleich von Managementfehlern auf Betriebsebene gesehen werden.
Vor etwa 90 Jahren wurde in Deutschland begonnen, erste experimentelle Arbeiten zur Kreuzung von Deutschen Schwarzbuntrindern mit Jerseys an der Universität in Halle/Saale durchzuführen. Sie wurden später ein wesentlicher Forschungsansatz im neuen Kaiser-Wilhelm-Institut in Dummerstorf (bei Rostock) vor 75 Jahren. Entsprechende experimentelle Arbeiten wurden nach dem 2. Weltkrieg sowohl in West- als auch Ostdeutschland systematisch fortgesetzt.
In Ostdeutschland mündeten die vielfältigen Aktivitäten in dem Versuch, eine spezifische jerseyblütige schwarzbunte Milchrinderrasse (SMR) zu züchten. Detaillierte Auswertungen zeigen das Auftreten von merkmalsspezifischen Heterosiseffekten. Auch belegen verschiedene Arbeiten das Auftreten von Rekombinationseffekten in späteren Kreuzungsstufen (R1-, F2-Generation) und in der Stufe der In-Sich-Züchtung des SMR (= SMR x SMR). Im Hinblick auf Empfehlungen zur Anwendung einer Kreuzungszucht bei Milchrindern genügt es somit nicht, ausschließlich eine F1-Generation gegenüber ihren reinrassigen Eltern zu bewerten.
Zusätzlich ist festzuhalten, dass neuere Versuche mit Jerseykreuzungen gleichzeitig auch Genotyp-Umwelt-Interaktionen für Milchleistungsmerkmale in Abhängigkeit vom Produktionsniveau erkennen lassen. Insgesamt haben die vielfältigen Studien zur Kreuzung von Schwarzbunten mit Jerseys in Deutschland schließlich mit dazu beigetragen, dass neuere züchtungsmethodische Ansätze auch beim Rind überprüft und verifiziert werden konnten.
About 90 years ago, a first set of experiments was started at the University of Halle/Saale, crossing German Black Pied cattle (Sbt) with Jersey cattle (J). 75 years ago, they became an essential research subject in the new Kaiser-Wilhelm-Institute at Dummerstorf (near Rostock). Both in West and East Germany Corresponding experimental work was continued sys-tematically after World War II. In East Germany, these diverse activities led to an attempt to produce a specific breeding of Black-Pied Dairy cattle (= SMR) using genes from Jersey Cattle.
Detailed evaluation demonstrates that trait-specific heterosis effects occur. Various activities prove the occurrence of significant recombination effects at later stages of cross-breeding (R1, F2 generation) or at the 2nd stage of breeding of the SMR (= SMR x SMR). Given the recommendations on applying crossbreeding to dairy cattle, it is thus not adequate to only assess one F1 generation by comparison with their purebred parents.
In addition, it should be noted that at the same time recent experiments with Jersey cross-breds also point to genotype-environment interactions in milk traits, depending on the level of production. All in all, the large number of studies on the crossing of German Black-Pied cattle or Holsteins and Jerseys in Germany has certainly contributed to enabling and verifying new methodological approaches in breeding also for cattle.
Les premiers travaux expérimentaux sur le croisement de Holsteins allemandes avec des Jersiaises ont été entrepris il y a environ 90 ans en Allemagne, à l’université de Halle/Saale. Ils ont ultérieurement constitué l’une des amorces essentielles des recherches menées au nouveau Kaiser-Wilhelm-Institut de Dummerstorf (près de Rostock), il y a 75 ans. Des travaux expérimentaux analogues se sont systématiquement poursuivis après la Seconde Guerre mondiale, à l’Ouest comme à l’Est. En Allemagne de l’Est, les multiples activités se sont soldées par la tentative de créer une race laitière spécifique de type Holstein à sang jersiais (Schwarzbuntes Milchrind ou SMR).
Des analyses détaillées montrent l’apparition d’effets d’hétérosis caractéristiques. Différents travaux prouvent aussi l’apparition d’effets de recombinaison à des niveaux ultérieurs de croisement (génération R1 ou F2) ou au niveau de l’accouplement inter se des SMR (= SMR x SMR). Dans l’optique de recommandations en vue de l’adoption d’un croisement chez des laitières, il ne suffit donc pas d’évaluer exclusivement une génération F1 par rapport à ses géniteurs de pure race.
Il convient en outre de noter que des essais plus récents opérés sur des croisements avec des Jersiaises font aussi apparaître en même temps, en fonction du niveau de production, des interactions génotype-environnement pour ce qui est des performances laitières. En résumé, les multiples études menées sur le croisement de Holsteins avec des Jersiaises en Allemagne ont finalement contribué à permettre de vérifier également chez les bovins des approches récentes des méthodes d’élevage.
1) Leider wurde der "innere" Widerstand gegenüber der Jerseyeinkreuzung in den bäuerlichen Schwarzbuntherdbuchzuchten, speziell in der Altmark, bisher kaum beschrieben.
Prof. Dr. WILFRIED BRADE, Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo); zurzeit: Leibniz-Institut (FBN) für Nutztierbiologie Dummerstorf, Wilhelm-Stahl-Allee 2, 18196 Dummerstorf