Von Norbert Schulz, Gunnar Breustedt, Uwe Latacz-Lohmann, Kiel
Mit dem bevorstehenden Auslaufen der Zuckerquotierung im September 2017 gewinnt die Nutzung von Rationalisierungsreserven an Bedeutung, um die Wettbewerbsfähigkeit des Zuckerrübenanbaus in Deutschland zu gewährleisten. Als eine vielversprechende neue Technologie zeichnet sich der Anbau von Winterrüben, welche ein deutlich höheres Ertragspotenzial gegenüber konventionellen Zuckerrüben erwarten lassen, ab (JAGGARD & WERKER (1999)). Die Erzeugung des Winterrübensaatguts erfordert sowohl die Anwendung von konventionellen Züchtungsmethoden als auch von Methoden der Biotechnologie und Gentechnik (TRÄNKER et al. (2010)). Kosteneinsparungen sind durch das Einführen von Winterrübensaatgut im Allgemeinen nicht zu erwarten, ganz im Gegenteil könnten durch die längere Wachstumsphase der Rüben sogar erhöhte Pflanzenschutzaufwendungen auf den Zuckerrübenanbauer zukommen. Allerdings lassen sich neben den Ertragssteigerungen positive Managementeffekte durch veränderte Saattermine erwarten. Potenzielle Anbauer müssen daher die Vor- und Nachteile der gentechnisch veränderten Winterrüben für sich gegeneinander abwägen.
Erfahrungsgemäß hängt die Übernahme neuer Produktionstechnologien in der Landwirtschaft einerseits von den Eigenschaften der neuen Technologie, hier der Winterrübe, andererseits von den sozioökonomischen Charakteristika der Anbauer ab (HUDSON et al.(2007) oder BREUSTEDT et al. (2008)). Vor diesem Hintergrund untersuchen wir, wie die produktionstechnischen und ökonomischen Eigenschaften von Winterrüben-Produktionsverfahren die Anbaubereitschaft von Landwirten beeinflussen, sollten gentechnisch veränderte Winterrübensorten zum Anbau zugelassen werden.
Dazu führen wir eine Befragung von Landwirten durch, die im Kern ein Discrete Choice Experiment umfasst. Im Speziellen gehen wir der Frage nach, welche Eigenschaften der Winterrübe die Anbauakzeptanz bei Landwirten beeinflussen und welche Landwirte tendenziell mehr oder weniger bereit wären, Winterrüben anzubauen. Weitergehend nutzen wir die Ergebnisse, um die Anbauanteile der Winterrübe einzelbetrieblich und ihren Marktanteil überbetrieblich zu prognostizieren.
Aus der Literatur ist bekannt, dass die Adoptionswahrscheinlichkeit von neuen Technologien mit Hilfe von Discrete Choice Experimenten abgeschätzt werden kann (BACKHAUS (2008)). Auch im Bereich der Landwirtschaft wurden dazu bereits Fallstudien durchgeführt, beispielhaft seien hier BEKHOR et al. (2006); HUDSON et al. (2007); BREUSTEDT et al. (2008) und PAULRUD & LAITILA (2010) genannt. Bei der Durchführung von DCE können auch Eigenschaften von landwirtschaftlichen Betrieben identifiziert werden, die eine höhere Präferenz für die Übernahme einer neuen Technologie haben, wie beispielsweise bei HUDSON et al. (2007).
Bei einem traditionellen DCE wird in der Regel davon ausgegangen, dass der Entscheidungsträger sich ganz oder gar nicht für die neue Technologie entscheidet. Bei BREUSTEDT et al. (2008) entscheidet sich beispielsweise der Befragungsteilnehmer, ob er auf seiner gesamten Rapsfläche eine oder gar keine gentechnisch veränderte Rapssorte anbaut. Wir halten eine Erweiterung des Ansatzes für notwendig, in der der Landwirt eine Technologie realistischer Weise auch nur auf Teilflächen anwenden kann. Daher führen wir ein zweitstufiges DCE durch, welches bisher nur aus dem Bereich der Agrarumweltprogramme bekannt ist und von BREUSTEDT et al. (2013 b) für die Wahl des Flächenumfangs von Vertragsnaturschutzprogrammen angewendet wurde.
Wir stellen im vorliegenden Beitrag daher das erste zweistufige DCE vor, mit dem die Adoption einer neuen Technologie nicht nur anhand der Adoptionsbereitschaft der einzelnen Landwirte, sondern auch anhand ihres Adoptionsumfanges (Anbaufläche) prognostiziert werden kann. Wir fragen daher neben der eigentlichen Sortenwahl einer Winterrübe auch den Winterrübenanteil an der Zuckerrübenfläche ab. In der ersten Stufe wählen die Befragten zwischen zwei Winterrübensorten und einer herkömmlichen Zuckerrübensorte aus (herkömmliches DCE). Falls sie sich für eine Winterrübe entschieden haben, geben die Probanden in der zweiten Stufe die Anbaufläche der Winterrübe an. In herkömmlichen DCE kann kaum gezielt nach partieller Adoption gefragt werden. Daher kann mit einem herkömmlichen DCE zwar abgeschätzt werden, wie viele Landwirte zusätzlich adoptieren, wenn der Gewinnvorteil der neuen Technologie zum Beispiel um 50 Euro je Hektar steigt. Es kann aber nicht abgeschätzt werden, dass Landwirte mit einer bereits hohen Adoptionswahrscheinlichkeit bei einem zusätzlichen Gewinnanstieg noch mehr Fläche mit der neuen Technologie bewirtschaften würden. Genau dies erlaubt aber unser zweistufiger Ansatz.
Methodisch können wir mit den abgefragten Daten eine multinomiale Heckman-Schätzung durchführen. Aus den Schätzergebnissen lassen sich die Determinanten der Anbaubereitschaft von Winterrüben ableiten. Darauf aufbauend können die Zahlungsbereitschaften für bestimmte Eigenschaften des Saatguts bestimmt werden. Die Schätzergebnisse der zweiten Stufe identifizieren die Determinanten des Winterrübenanteils an der gesamten Zuckerrübenfläche. Aus der Kombination beider Stufen lässt sich überbetrieblich der Markt- oder einzelbetrieblich der Anbauanteil der Winterrübe in Abhängigkeit des Deckungsbeitrags oder anderer Eigenschaften der Zuckerrüben simulieren.
Der folgende Abschnitt vermittelt zunächst Informationen zur Weltzuckerproduktion und zur züchterischen Entwicklung der Winterrübe. In Abschnitt 3 wird das Discrete Choice Experiment inklusive Befragung und deskriptiver Statistik vorgestellt. Im vierten Abschnitt folgt die Erläuterung der angewendeten Schätzmethoden. Im fünften Abschnitt werden die Ergebnisse der ersten und zweiten Schätzstufe inklusive der Zahlungsbereitschaften vorgestellt. Weiterhin folgt die Simulation der Markt- und Anbauanteile. Im sechsten und letzten Abschnitt diskutieren wir die Ergebnisse und ziehen Schlussfolgerungen.
Die weltweite Zuckererzeugung belief sich in 2011/12 nach Angaben von LICHT (2012) auf 177 Millionen Tonnen. Der Verbrauch hingegen lag nur bei 165 Millionen Tonnen. Der größte Teil des Zuckers wird aus Zuckerrohr gewonnen. Nur 22 Prozent und damit etwa 39 Millionen Tonnen kommen aus der Zuckerrübenproduktion. In der Regel werden in den gemäßigten Breiten eher Zuckerrüben und in den subtropischen und tropischen Regionen eher Zuckerrohr angebaut. Die größten Produktionsregionen liegen in Südamerika und Asien. Die EU macht ungefähr 17 Prozent der weltweiten Zuckerproduktion aus, dieser wird dort ausschließlich aus Rübenzucker gewonnen. Die EU ist damit der weltgrößte Zuckerproduzent aus Rüben. Die Anbaufläche erstreckt sich auf rund 1,6 Millionen Hektar, wobei Deutschland mit etwa 360.000 Hektar die größte Rübenproduktionsfläche der EU aufweist, gefolgt von Frankreich und Polen (WIRTSCHAFTLICHE VEREINIGUNG ZUCKER E.V. und VEREIN DER ZUCKERINDUSTRIE E.V. (2013)). Der Zuckerertrag pro Hektar aus Rübenzucker in der EU liegt nach Angaben der ZUCKERRÜBENZEITUNG (2009) in der Spitze bei bis zu 20 Tonnen pro Hektar, der durchschnittliche Ertrag beträgt rund zwölf Tonnen pro Hektar. Der Zuckerertrag von Rohrzucker pro Hektar bewegt sich ungefähr in der gleichen Größenordnung. In Brasilien lag beispielsweise nach der FAOSTAT (2012) der durchschnittliche Ertrag bei 76,4 Tonnen pro Hektar bei etwa 15 Prozent Zucker. Im Gegensatz zur zweijährigen Zuckerrübe, die einjährig angebaut wird, handelt es sich bei Zuckerrohr um eine mehrjährige Pflanze. Die Zuckerrohranbaufläche wird nur einmal mit Stecklingen bestellt und dann abhängig von Land und Produktionsverfahren zwischen zwei bis zehn Mal geerntet.
Gerade in nördlichen Regionen ist die Zuckerrübe nicht immer wettbewerbsfähig, da dort Konkurrenzfrüchte wie Raps und Weizen sehr gute Erträge erzielen, hingegen die Zuckerrübe ertraglich deutlich schlechter abschneidet als im Süden (PELKA (2009) oder LATACZ-LOHMANN & SCHULZ (2012)).
Für einige Betriebe wird sich daher die Frage stellen, ob bei Produktionsbedingungen zu Weltmarktpreisen die Zuckerrübe als Ackerfrucht im Betrieb konkurrenzfähig ist und bleibt. Die Wettbewerbsfähigkeit der Zuckerrübe könnte durch ein höheres Ertragspotenzial gestärkt werden. Eine Option zur Erzielung höherer Erträge ist der Anbau von Winterrüben. Die Anbauzeit von Rüben in Mitteleuropa erstreckt sich üblicherweise auf die Periode von März bis November, hingegen sollen Winterrüben schon im Sommer/Herbst (August) ausgesät werden. Dadurch haben sie eine vergleichsweise längere Vegetationsdauer. Das heißt, sie bekommen länger Licht, können länger wachsen und dadurch mehr Biomasse und damit einen höheren Zuckerertrag entwickeln. Gerade im Frühjahr können die Winterrüben die Sonneneinstrahlung besser nutzen. Durch die längere Wachstumszeit haben Winterrüben nach JAGGARD & WERKER (1999) und HOFFMANN & KLUGE-SEVERIN (2010) ein bis zu 26 Prozent höheres Ertragspotenzial und tragen somit zu einer besseren Verwertung der knappen Ressource Ackerland bei.
Die Winterrübe könnte damit auch einen wesentlichen Beitrag zur Bioenergiegewinnung leisten. Voraussetzung für den Winteranbau ist allerdings, dass die Rüben frostresistent sind und dass die kälteinduzierte Samenbildung, das sogenannte Schossen, unterbunden wird. Das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel arbeitet an solchen Winterrüben. Es wird in verschiedenen Projekten, die von der DFG, dem deutschen Genomforschungsprogramm GABI und von der EU finanziert werden, versucht, schossresistente Prototypen zu entwickeln (TRÄNKER et al.(2010)). Es wird an einem Mechanismus gearbeitet, der das Schossverhalten regeln soll. Für die Produktion der Winterrübe ist das Schossen nicht gewünscht, da dann die Zuckerrübe den Zucker abbaut und für die Samenbildung verwendet, hingegen ist für die Produktion des Saatguts (Samenbildung) das Schossen zwingend notwendig. Das Gen BvBTC1, welches für das Schossen der Zuckerrübe verantwortlich ist, wurde 2012 entdeckt (PIN et al. (2012)).
Nach aktuellem Stand der Forschung wird die zu entwickelnde Winterrübe gentechnisch verändert sein. Einerseits werden frosttolerante Beta-Genotypen von Zuckerrüben selektiert, parallel dazu soll durch Mutationsauslösung oder Gentransfer eine schossresistente Zuckerrübe entwickelt werden.1 All dies findet unter Gewächshausbedingungen statt. Erst später können geeignete Pflanzen im Freilandversuch bei unterschiedlichen Umweltbedingungen geprüft werden. Ausgehend davon kann ein System zur Kontrolle und Schossneigung etabliert werden, welches für Züchtung und Saatguterzeugung der Winterrübe zwingend notwendig ist (KOMPETENZZENTRUM BIOMASSENUTZUNG, 2009). Bis es eine praxistaugliche Winterrübe geben wird, werden daher noch Jahre vergehen.
Insgesamt wurden 100 norddeutsche Zuckerrüben anbauende Landwirte vorrangig in den Anbauregionen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt befragt, welche als Datengrundlage für die folgenden Analysen dienen. Die Ergebnisse sind daher vorrangig auf die norddeutschen Zuckerrübenanbaugebiete der Nordzucker AG zu beziehen. Abbildung 1 zeigt die regionale Verteilung der Herkunftsgemeinden der befragten Landwirte.
Abbildung 1: Verteilung der Herkunftsgemeinden der befragten Landwirte
Quelle: eigene Darstellung
Die Interviews wurden im Jahr 2012 in Niedersachsen auf Rübenfeldtagen und in Sachsen-Anhalt auf Feldbegehungen persönlich geführt. Die Teilnehmer der Feldbegehungen wurden vorab auf die Umfrage angesprochen und gebeten den Fragebogen inklusive des DCE auszufüllen. Auf den Rübenfeldtagen wurden zufällig Rübenanbauer angesprochen und diese so für die Befragung gewonnen. Weitere Befragungen wurden in einer Master Thesis im Herbst 2012 in Südniedersachen durchgeführt. Neben der Abfrage von Betriebs- und Betriebsleitereigenschaften wurden den Befragungsteilnehmern Choice Sets (Abschnitt 3.1) vorgelegt, in denen sie zwischen verschiedenen Zuckerrübensorten wählen sollten. In der Befragung wurde den Teilnehmern das Produktionsverfahren Winterrübe erläutert, sodass sie sich in die Situation versetzen konnten, diese Zuckerrübe schon heute anbauen zu können. Unterschiede im Pflanzenschutz und der zeitlichen Bestellung wurden dargestellt.
Bei jedem Choice Set (ein Beispiel ist in Abbildung 2 dargestellt) bestand die Möglichkeit, eine von drei Alternativen zu wählen. Dabei stellten die Alternativen 1 und 3 je eine Winterrübensorte dar; bei der Alternative 2 handelte es sich stets um eine herkömmliche Zuckerrübe mit Aussaat im Frühjahr. Die Eigenschaften und Ausprägungen der Winterrübe konnten sich gemäß Tabelle 1 unterscheiden. Die Attribute und deren Ausprägungen ergeben sich aus den Informationen des Abschnitts 2, in dem der aktuelle Stand zur züchterischen Entwicklung der Winterrübe dargestellt ist. Weiterhin sind zur Evaluierung, welche Attribute und Ausprägungen in das Experiment integriert werden sollten, Expertenbefragungen mit Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft durchgeführt worden. Die Informationen der Expertenbefragungen dienten unter anderem auch dazu, mögliche Deckungsbeitragsszenarien der Winterrübe für das DCE zu entwickeln, um festzulegen, in welchem Bereich die Deckungsbeiträge einer Winterrübe liegen könnten. Hierzu wurden verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Pflanzenschutzstrategien, Ertragsvariationen und Saatgutpreisen simuliert.
Tabelle 1: Eigenschaften der Winterrübe und ihre möglichen Ausprägungen | |
---|---|
Eigenschaft | Eigenschaftsausprägungen der Winterrübe |
Deckungsbeitrag-Differenz | 1,10 / 2,05 / 3,00 Euro pro Tonne höher als konventionelle Zuckerrübe |
Flächeneinsparung | 10 / 15 / 20 Prozent |
Totalausfall durch Auswinterung | 7 / 10 / 14 Jahre |
GVO-Rübe | Ja / Nein |
Erntetermin | 1 / 2 / 3 / 4 Wochen früher als konventionelle Zuckerrüben |
Aussaattermin | 07.08. / 21.08. / 05.09. / 20.09. |
Quelle: eigene Darstellung
Bei Ertragssteigerungen durch die Winterrübe wäre im Allgemeinen ein höherer Deckungsbeitrag pro Hektar zu erwarten. Ein Gewinn maximierender Saatguthersteller würde den Preis des Saatguts gerade so wählen, dass eine positive Deckungsbeitragsdifferenz für den Rübenanbauer gegenüber der konventionellen Zuckerrübe verbleibt, da ihm bewusst ist, dass ansonsten kein Anbau von Winterrüben zu Stande kommen wird, denn aus Risiko- und arbeitswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Anbau der Winterrübe dem der konventionellen Zuckerrübe unterlegen. Der Zuckerrübenanbau unterliegt in der EU einer Quotenregelung und damit einer fixen Produktionsmenge pro Betrieb. Wir geben daher in den Choice Sets die Deckungsbeitragsdifferenz pro Tonne an, welche mit höheren Erträgen pro Hektar gegenüber der konventionell angebauten Zuckerrübe (Aussaat im Frühjahr) steigt. Die Quotenregelung2 wird es nicht mehr geben, wenn das Winterrübensaatgut auf den Markt kommt. Da die Befragungsteilnehmer allerdings in die hypothetische Situation versetzt werden, schon heute diese Rüben anbauen zu können, werden die möglichen Deckungsbeitragsdifferenzen unter der Quotenregelung bestimmt. In der Deckungsbeitragsdifferenz sind höhere Erträge und Saatgutpreise sowie zusätzliche Pflanzenschutzmaßnahmen berücksichtigt, die beim Anbau von Winterrüben zu erwarten wären.
Wenn der Anbau von Winterrüben zu höheren Erträgen führt, kann dadurch Rübenanbaufläche eingespart und der Anbau anderer Kulturfrüchte ausgedehnt werden. Wir geben daher keine Ertragszuwächse, sondern eine Flächeneinsparung an, in der die Auswinterungsgefahr nicht berücksichtigt ist.
Abbildung 2: Beispielhaftes Choice Set
Quelle: eigene Darstellung
Da die Winterrübe im Herbst bestellt wird und sie überwintern muss, wird angenommen, dass sie in Abhängigkeit der Witterung alle sieben, zehn oder 14 Jahre auswintern kann. Bisherige Feldversuche zeigen momentan noch höhere Auswinterungsraten um 50 Prozent. Es existieren noch keine praxisreifen Sorten. Bevor eine Sorte die Praxisreife erlangt, werden sich die Auswinterungsraten noch wesentlich verbessern müssen. Mit diesem Attribut berücksichtigen wir ein spezielles Anbaurisiko der Winterrübe. So entspricht eine Auswinterung alle zehn Jahre einer Auswinterungswahrscheinlichkeit von zehn Prozent. Um den Landwirten eine unkomplizierte Beantwortung zu ermöglichen, haben wir uns für die obige einfache und anschauliche Variante der Risikodarstellung entschieden.
Voraussichtlich ist die Entwicklung der Winterrübe nur über gentechnische Methoden möglich. Um allerdings auch die Akzeptanz einer konventionell gezüchteten Winterrübe zu bestimmen, werden in den Choice Sets sowohl Sorten, die gentechnisch verändert sind, als auch Sorten, die mit konventionellen Züchtungsmethoden entwickelt werden, dargestellt.
Aussaat- und Erntetermin der Winterrübe können sich vom konventionellen Rübenanbau unterscheiden. Die Winterrübe wird schon im Spätsommer oder Herbst ausgesät. Dieser Aussaattermin kann zwischen den unterschiedlichen Sorten variieren. Durch die höhere Ertragserwartung könnte die Ernte schon früher erfolgen und die Kampagnenlaufzeiten der Zuckerfabriken verlängert werden. In den Choice Sets ist dargestellt, wie viele Wochen früher die Rübe im Vergleich zur konventionellen Zuckerrübe geerntet werden kann. Eine frühere Ernte hätte generell einen geringeren Mehrertrag zur Folge. Diese Tatsache wird aber schon in der Flächeneinsparung mit berücksichtigt.3
Abschließend sind wir der Meinung, dass die notwendige Unabhängigkeit der Attribute voneinander gegeben ist. Alle Eigenschaften können bei den beiden Winterrüben (Sorte A und Sorte C) von Choice Set zu Choice Set mit den in Tabelle 1 dargestellten Attributausprägungen variieren. Um nach HUBER & ZWERINA (1996) ein möglichst effizientes Design mit den vier Eigenschaften "Level Balance", "Orthogonalität", "minimale Überlappung" und möglichst "gleich aufliegenden Nutzenwerten" (AUSPURG & LIEBE (2011)) zu erzeugen, wurde zunächst mit dem SPSS Befehl "orthoplan" ein orthogonaler Plan mit 64 Choice Sets erstellt. Anschließend wurde eines dieser Choice Sets aus dem Datensatz entfernt, da es in beiden Winterrübensorten die gleichen Ausprägungen aufwies. Weitere Sets wurden modifiziert, damit keine Winterrübe eine andere im selben Set dominiert. Es besteht also zwischen den beiden Winterrübensorten immer ein Trade-off. Um nun die Effizienz des Designs zu messen, bietet sich nach KUHFELD (1994) die D-Efficiency an. Das hier erstellte Design erreicht nach den Veränderungen einen noch sehr guten Wert von 98,1 Prozent.4 Jedem Befragungsteilnehmer wurden aus den noch verbleibenden 63 Choice Sets neun zufällig zugeteilt, sodass jedes Choice Set mit nahezu der gleichen Häufigkeit in dem Experiment vorkommt.
Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Daten der Befragung. Das Durchschnittsalter der Befragten liegt bei 46 Jahren. 90 Prozent der Befragten haben ein Studium oder mindestens die Qualifikation als staatlich geprüfter Wirtschafter absolviert. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt mit 3,6 Arbeitskräften und einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 387 Hektar deutlich über dem Länderschnitt Niedersachsens mit 61 Hektar (LANDESBETRIEB FÜR STATISTIK UND KOMMUNIKATIONSTECHNOLOGIE NIEDERSACHSENS, 2012) und etwas über dem Länderschnitt Sachsen-Anhalts mit 278 Hektar pro Betrieb (STATISTISCHES LANDESAMT SACHSEN-ANHALT, 2012). Die Ergebnisse der Analyse sollten daher vorrangig auf die größeren Betriebe dieser beiden Bundesländer bezogen werden.
Tabelle 2: Deskriptive Statistik betrieblicher Variablen | ||
---|---|---|
Variable | Mittelwert (Standard-Abweichung) | Erklärung |
Geburtsjahr | 1965 (10) | Geburtsjahr des Befragten |
Ausbildung | 0,9 (-) | Dummyvariable 1= Studium oder staatl. geprüfter Wirtschafter |
AK | 3,61 (6,3) | Arbeitskräfte des Betriebs |
LN/AK | 131,61 (134,4) | Landwirtschaftliche Nutzfläche in Hektar pro Arbeitskraft |
LN | 386,56 (531,4) | Landwirtschaftliche Nutzfläche des Betriebs in Hektar |
Rübenanbaufläche | 43,00 (49,6) | Rübenanbaufläche des Betriebs in Hektar |
Winterweizenanbaufläche | 126,73 (175,7) | Winterweizenanbaufläche in Hektar |
Maisanbaufläche | 43,05 (112,6) | Maisanbaufläche in Hektar |
Grünlandfläche | 16,08 (53,1) | Grünlandfläche in Hektar |
Maisanteil | 0,10 (0,1) | Maisanteil in der Fruchtfolge |
Weizenanteil | 0,36 (0,2) | Winterweizenanteil in der Fruchtfolge |
Gerstenanteil | 0,08 (0,1) | Gerstenanteil in der Fruchtfolge |
Rapsanteil | 0,10 (0,1) | Rapsanteil in der Fruchtfolge |
Kartoffelanteil | 0,04 (0,1) | Kartoffelanteil in der Fruchtfolge |
Rübenmenge | 2.641,62 (3.202,2) | Produzierte Rübenmenge in Tonnen und Jahr |
Ertrag Rübe | 616,78 (159,5) | Durchschnittlicher Rübenertrag in Dezitonne pro Hektar |
Zuckergehalt | 17,26 (2,5) | Zuckergehalt in Prozent |
Rübenanteil | 0,17 (0,08) | Zuckerrübenanteil in der Fruchtfolge |
Fabrikentfernung | 40,74 (23,4) | Fabrikentfernung des Betriebs in Kilometer |
überbetrieblicher Transport | 0,86 (-) | Dummyvariable 1 = überbetrieblicher Rübentransport |
Spätere Aussaat | 19,34 (7,9) | Rübenaussaat in Tagen nach dem 15.03. |
N-Sensor | 0,04 (-) | Dummyvariable 1 = N-Sensor wird eingesetzt |
Lenksystem | 0,26 (-) | Dummyvariable 1 = Lenksystem wird eingesetzt |
Betriebszweigabrechnung | 0,49 (-) | Dummyvariable 1 = Betrieb nutzt Betriebszweigabrechnung |
Beregnung | 0,28 (-) | Dummyvariable 1 = Betrieb nutzt Beregnung |
Monitoring Blattkrankheiten | 0,62 (-) | Dummyvariable 1 = Monitoring von Blattkrankheiten wird durchgeführt |
LIZ-Online | 0,57 (-) | Dummyvariable 1 = LIZ-Online wird genutzt |
Nematoden tolerante Sorten | 0,50 (-) | Dummyvariable 1 = Anbau Nematoden toleranter Sorten |
Gentechnikanbau Befürwortung | 0,11 (0,7) | 1 = Befürwortung Gentechnikanbau / -1 = Ablehnung Gentechnikanbau / 0 = neutral |
Gentechnikverzehr Befürwortung | 0,04 (0,7) | 1 = Befürwortung Gentechnikverzehr / -1 = Ablehnung Gentechnikverzehr / 0 = neutral |
Milchviehhaltend | 0,12 (-) | Dummyvariable 1 = Betrieb hält Milchvieh |
Nebenerwerbsbetrieb | 0,14 (-) | Dummyvariable 1 = Nebenerwerbsbetrieb |
Betriebszweig Tourismus | 0,04 (-) | Dummyvariable 1 = Betriebszweig Tourismus vorhanden |
Bruchteilsgemeinschaft | 0,35 (-) | Dummyvariable 1 = Betrieb hat eine Bruchteilsgemeinschaft |
Quotenrüben | 2.037,93 (2.742,2) | Quotenrübenmenge des Betriebs in Tonnen |
Quotenrübenanteil | 0,81 (0,2) | Quotenrübenanteil an gesamter Rübenproduktion |
Ethanolrübenanteil | 0,10 (0,1) | Ethanolrübenanteil an gesamter Rübenproduktion |
Biogasrübenanteil | 0,01 (0,1) | Biogasrübenanteil an gesamter Rübenproduktion |
Rübenanbauberatung | 0,91 (0,3) | Dummyvariable 1 = Betrieb ist in der Rübenanbauberatung |
Winterrübenanbauanteil | 0,37 (0,3) | Im DCE gewählter Winterrübenanteil |
Quelle: eigene Darstellung
Der durchschnittliche Zuckerrübenertrag liegt bei 617 Dezitonnen pro Hektar, der durchschnittliche Zuckergehalt bei 17,26 Prozent. Die Betriebe bestellen ihre Rüben im Mittel Anfang April. Die durchschnittliche Fabrikentfernung liegt bei 40 Kilometer. Ein Großteil der befragten Rübenanbauer (86 Prozent) lässt die Rübenabfuhr überbetrieblich erledigen. Die flächenmäßig bedeutendsten Früchte der Betriebe sind Winterweizen und Zuckerrüben mit 36 und 17 Prozent. Darauf folgen Raps und Mais mit einem Fruchtfolgeanteil von je zehn Prozent.
Nur wenige Betriebe setzen ein Lenksystem oder N-Sensor ein, hingegen führen etwa 50 Prozent der Betriebe eine Betriebszweigabrechnung durch, und 62 sowie 57 Prozent der Betriebe nutzen das Monitoring von Blattkrankheiten oder das LIZ-Online System der Zuckerunternehmen, welches Informationen zum Zuckerrübenanbau den Rübenanbauern zur Verfügung stellt. Nematoden tolerante Sorten werden von 50 Prozent der Betriebe eingesetzt. Im Mittel befürworten die Befragten den Anbau und den Verzehr von gentechnisch veränderten Pflanzen. Der größte Anteil der produzierten Rüben sind Quotenrüben (2.039 Tonnen pro Jahr und Betrieb), so nimmt dieser einen Anteil von 81 Prozent ein. Zehn Prozent entfallen auf Ethanol- und bisher nur ein Prozent auf Biogasrüben. Die restlichen acht Prozent sind nicht erfasst und können wahrscheinlich den Überrüben zugeordnet werden. Fast alle Betriebe (91 Prozent) nehmen die Rübenanbauberatung der Zuckerfabriken in Anspruch. Der im Experiment durchschnittlich gewählte Winterrübenanteil an der Rübenanbaufläche beträgt in der Stichprobe 37 Prozent, sofern eine Winterrübe gewählt wurde.
Das DCE geht zurück auf LUCE & TUKEY (1964), QUANDT (1968) sowie THEIL (1970), die ökonometrischen Auswertungsmethoden wurden unter anderem von MCFADDEN (1974) und LOUVIERE et al. (1983) entwickelt.5 Der Beschreibung von BREUSTEDT et al. (2013 a) folgend dient als mikroökonomische Basis für DCE das sogenannte Zufallsnutzenmodell, welches den Nutzen U einer Alternative j für eine Person i additiv in eine deterministische V und eine zufällige Komponente ε zerlegt. Eigenschaften der Alternativen – Attribute genannt – sind mit z gekennzeichnet und Eigenschaften der Person mit s:
(1) Uij = V(zij, si) + εij
Der deterministische Nutzen V wird dabei als Summe der Einflüsse der N Attribute und der M persönlichen Eigenschaften nach der Konsumtheorie von LANCASTER (1966) modelliert. Im Experiment sollen die Teilnehmer eine aus J Alternativen (Zuckerrübensorten) wählen. Wie in den meisten DCE (beispielhaft seien CLAASSEN & TEGENE (1999) oder WINDLE & ROLFE (2005) genannt) unterstellen wir eine additive Funktion für den deterministischen Nutzen:
(2) V(zij, si) = α0 + ∑N(n=1) αn zijn + ∑M(m=1) βm sim
Wir gehen dann davon aus, dass die Alternative j* mit dem höchsten Gesamtnutzen vom Landwirt gewählt wird:
(3) maxj Uij ⇔ V(zij*,si ) + εij* ≥ V(zij,si ) + εij für alle j ∊ J.
Der Landwirt wählt die Zuckerrübe, für die er den höchsten Nutzen erwartet. Ein höherer Nutzen impliziert eine höhere Anbauwahrscheinlichkeit dieser Zuckerrübe gegenüber allen anderen zur Auswahl stehenden Rübensorten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zuckerrübe j* mit dem höchsten Nutzen von einem Landwirt i gewählt wird, lässt sich wie folgt definieren:
(4) probij*(V(zij*, si ) + εij* ≥ V(zij,si) + εij) = probij* (dij* = 1) = Fij* (zij*, si, α, β) für alle j ∊ J.
Ökonometrisch werden die Wahrscheinlichkeit und ihre Determinanten geschätzt, dass Alternative j* den höchsten Nutzen Uj* für eine Person liefert. Die Variable dij* nimmt den Wert 1 an, wenn die Zuckerrübe j* gewählt wird, ansonsten ist sie 0. F steht für eine Funktion, die auf den Wertebereich zwischen 0 und 1 einschließlich beschränkt ist, beispielsweise die logistische Funktion. Die Matrix zij* umfasst die Attributwerte der Zuckerrübe j*. Die Parameter α und β (vgl. (2)) werden ökonometrisch geschätzt. Aus den α lässt sich ableiten, welche Eigenschaften der Zuckerrüben ein signifikantes Gewicht bei der Wahl der Zuckerrübe haben. Die β erlauben Rückschlüsse auf die Landwirtseigenschaften, die den Anbau der Zuckerrübe wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen. Diese individuenspezifischen Eigenschaften stellen in unserer Studie die betriebsspezifischen Variablen der Rübenanbauer dar. Die anwendbaren Schätzmethoden sind vielfältig, sie basieren auf multinomialen Probit- und Logit-Schätzungen und ihren Modifikationen. Näheres findet sich zum Beispiel bei CAMERON & TREVIDI (2005).
Um die Heterogenität der Befragten zu berücksichtigen, schätzen wir ein Mixed-Logit Modell, welches nach HENSHER et al. (2005) auch unter dem Namen Random Parameters Modell bekannt ist. Hierbei wird der Vektor der geschätzten Koeffizienten als stochastisch angesehen. Alle Schätzkoeffizienten α der Attributvariablen z, bis auf denjenigen der Preisvariable a, können mit der Standardabweichung ϑ zufällig variieren, so dass nach HENSHER et al. (2005) die Heterogenität der Grundgesamtheit berücksichtigt wird. Der Schätzkoeffizient der Preisvariablen a wird wie bei CHRISTENSEN et al. (2011) oder ANASTASSIADIS et al. (2012) nicht als Zufallsparameter geschätzt. Näheres zur Fixierung des Preisparameters findet sich bei SILLANO & ORTÚZAR (2005).
Wie beispielsweise bei SCHIPMANN & QAIM (2011) erwähnt, können die Schätzergebnisse verwendet werden, um die marginalen Zahlungsbereitschaften (WTP) der betrachteten Eigenschaften zu berechnen. In unserem Fall handelt es sich um die Eigenschaften der Winterrübe. Für die linearen Parameter in unserem Modell lassen sich die marginalen Effekte sowie Zahlungsbereitschaften direkt aus den Schätzkoeffizienten bestimmen (BEN-AKIVA et al. (2000), S. 114). Bei ganzzahligen Variablen lassen sich die marginalen Effekte nicht infinitesimal betrachten, daher bestimmen wir für die Dummy-Variablen, wie bei BREUSTEDT et al. (2008), in einem ersten Schritt die Wahlwahrscheinlichkeiten an den Mittelwerten aus den Beobachtungen, danach wird für eine diskrete Änderung jeweils einer einzelnen Variablen die Wahlwahrscheinlichkeit erneut bestimmt. Aus der Differenz dieser Wahlwahrscheinlichkeiten lassen sich dann die marginalen Effekte bestimmen. Wird ein solcher marginaler Effekt einer Variablen ins Verhältnis zum marginalen Effekt der Preisvariablen (Deckungsbeitrag der Winterrübe) a gesetzt, so können die marginalen Zahlungsbereitschaften (die marginale willingness-to-pay - WTP) in Euro pro Tonne Zuckerrüben bestimmt werden. Dies sind die Beträge, die der Landwirt für eine marginale Änderung einzelner Rübenattribute z zu zahlen bereit wäre, so dass die Anbauwahrscheinlichkeit unverändert bleibt. Formal gestaltet sich dies wie folgt:
(5)
Aus den Schätzergebnissen dieser ersten Stufe kann die Anbauwahrscheinlichkeit sowie der erwartete Anbauanteil der Winterrübe an der gesamten Zuckerrübenfläche prognostiziert werden. Eine vergleichbare Studie hat beispielsweise ENNEKING (2003) zur Marktanteilsprognose von ökologisch produzierten Wurstwaren durchgeführt. Wir ermitteln die Anbauwahrscheinlichkeit probij* bei einem bestimmten Deckungsbeitrag für jeden einzelnen Betrieb i und multiplizieren diese mit der entsprechenden Rübenanbaufläche r. Dabei ist in r berücksichtigt, dass die gesamte Rübenanbaufläche durch den Anbau der Winterrübe sinkt. Die Flächeneinsparung ist also von der Rübenanbaufläche des Betriebs abgezogen. Die über alle Betriebe aufsummierte erwartete Winterrübenanbaufläche dividiert durch die gesamte Rübenanbaufläche aller Betriebe R ergibt den erwarteten Winterrübenanteil ȳj* der befragten Betriebe.
(6) ȳj* = 1/R ∑Ii=1 probij* * ri
Kritisch anzumerken ist bei diesem Vorgehen, dass wir in unserer Arbeit davon ausgehen, dass die Rübenproduktionsmenge der Betriebe vor dem Hintergrund der Quotenregelung sich nicht ändern wird. Es ist allerdings fraglich, ob bei dem langen Zeithorizont der Betrachtung (bis zur Einführung der Winterrübe werden voraussichtlich noch Jahre vergehen) tatsächlich die Rübenproduktionsmenge konstant bleibt. Wir halten die Annahme einer einzelbetrieblich konstanten Rübenmenge für vertretbar vor dem Hintergrund, dass die bestehenden Lieferrechte im Bereich der Nordzucker AG voraussichtlich auf die Aktien übertragen werden.
Bei dem bisher vorgestellten Vorgehen wird ein wichtiger Aspekt vernachlässigt. Ein herkömmliches Discrete Choice Experiment ist so aufgebaut, dass sich der oder die Befragte jeweils für oder gegen eine Alternative entscheiden kann. Entscheidet er/sie sich in unserem Fall für die Winterrübe, können wir allerdings nicht abbilden, auf wie vielen Hektaren oder mit welchem Anbauanteil er/sie diese Rübe bestellen wird. Um den Anbauanteil zu ermitteln, könnten wir dem Rübenanbauer im üblichen DCE Anbauanteile als Attribut vorgeben oder die Restriktion einführen, jeweils die gesamte Rübenfläche bei Wahl der Winterrübe mit dieser zu bestellen. In der Realität wird der Rübenanbauer allerdings die Fläche frei wählen und eine zweistufige Entscheidung treffen. Zuerst wird er entscheiden, ob er eine Winterrübe anbaut oder nicht (dies spiegelt sich im herkömmlichen Discrete Choice Experiment wider). Wenn ja, wird er danach die Entscheidung treffen müssen, mit welchem Flächenumfang die Winterrübe angebaut werden soll. Denn es ist nicht sicher, dass alle Rübenanbauer ihre komplette Zuckerrübenfläche mit dieser neuen Technologie bestellen werden. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die vorgestellte Prognose aus (6) den erwarteten Anbauanteil der Winterrübe überschätzen wird.
Daher nutzen wir das zweistufige DCE, wie es schon von BREUSTEDT et al. (2013 b) angewendet wurde. Neben der Entscheidung, welche Rübe angebaut wird, wird zusätzlich die Anbaufläche abgefragt (Abschnitt 3). Aus der Anbaufläche lässt sich für jeden befragten Betrieb der Anbauanteil der Winterrübe an der Rübenanbaufläche bestimmen, indem der gewählte Flächenumfang durch die gesamte Zuckerrübenanbaufläche dividiert wird. Mit unserer zweiten Schätzung können wir nun also den erwarteten Anbauanteil der Winterrübe an der Rübenanbaufläche wie folgt schätzen:
(7) yij* = α0 + ∑Nn=1αn zij* + ∑Mm=1βm sim + ∑Kkγkgk(probij*) + uij*
Es handelt sich dabei um eine übliche Kleinst-Quadrate-Regression, in der der Anbauanteil6 yij* mit den Eigenschaften der gewählten Zuckerrübe z, den persönlichen Charakteristika des Landwirts s und einem Störterm u erklärt wird. Die Parameter α, β und γ werden ökonometrisch geschätzt. Die gk(probij*) sind Funktionen der Schätzergebnisse der ersten Stufe und gehen als Korrekturterme7 in die zweite Stufe ein. Im bekannten binomialen Modell mit Selektion von HECKMAN (1979) entspricht die Inverse Mills Ratio diesem Term. Je nach Schätzverfahren können im multinomialen Fall auch K>1 Funktionen der Wahrscheinlichkeit, dass j* gewählt wird, relativ zu den Wahrscheinlichkeiten, dass jeweils eine bestimmte andere Zuckerrübe j gewählt wird, additiv in die Schätzgleichung eingehen (LEE (1983); DUBIN & MCFADDEN (1984); DAHL (2002); oder den Übersichtsartikel von BOURGUIGNON et al. (2007)). Wir verwenden die Korrekturmethode nach DUBIN & MCFADDEN (1984), wonach J-1 Korrekturterme8 bestimmt werden. Formal gestaltet sich dies für den Anbauanteil yij* der gewählten Zuckerrübe j* wie folgt:
(8)
In den jeweiligen Korrekturterm gehen die Wahrscheinlichkeit probij der jeweils nicht gewählten Alternative und mit probij* die Wahrscheinlichkeit der gewählten Alternative ein. Dies gestaltet sich konkret für die in unserem Fall betrachteten Korrekturterme wie folgt:
Da die beiden betrachteten Winterrübensorten des Choice Experiments im Mittel genau identisch sind, werden die Anbauanteile der beiden Winterrübensorten (Rübe A und Rübe C) in einer gemeinsamen linearen Regression geschätzt. Setzt man die Beobachtungen in die Schätzgleichung ein und multipliziert das Ergebnis mit der Anbauwahrscheinlichkeit probij* der jeweils beobachteten Winterrübe (vgl. (4)), so erhält man den erwarteten Anbauanteil ŷij* der Winterrübe an der Rübenanbaufläche r für jeden Betrieb i, wie es in (9) formal dargestellt ist.
(9) ŷij* = [α ̂0 + ∑Nn=1α ̂n zij* + ∑Mm=1β ̂m sim + ∑Kkŷk gk (probij*)] * probij*
Um über alle Betriebe den erwarteten mittleren Anbauanteil der Winterrübe ȳj* an der Zuckerrübenfläche R zu prognostizieren, wird zunächst die erwartete Anbaufläche der Winterrübe (vgl. (9)) für alle Betriebe bestimmt und dann aufsummiert. Die über alle Betriebe aufsummierte erwartete Winterrübenanbaufläche dividiert durch die gesamte Rübenanbaufläche R ergibt wieder den erwarteten Winterrübenanteil ȳj*. Dieser Zusammenhang wird formal in (10) dargestellt:
(10) ȳj* = 1/R ∑Ii=1ŷij* * ri
Bei einem Vergleich von (6) und (10) wird deutlich, dass die Erweiterung des Discrete Choice Experimentes um die zweite Stufe eine bessere Prognose des Winterrübenanbauanteils mit sich bringt. Neben der Anbauwahrscheinlichkeit wird nun auch berücksichtigt, dass der Betrieb nicht mit seiner vollen Zuckerrübenanbaufläche in die Produktion von Winterrüben einsteigen müsste, sondern nur einen Teil seiner Fläche vorerst dafür auswählen könnte.
Zunächst werden die Schätzkoeffizienten der ersten Stufe (Mixed Logit Modell) dargestellt, auf denen auch die marginalen Zahlungsbereitschaften der einzelnen Winterrübeneigenschaften beruhen. Im Anschluss folgen die Ergebnisse der zweiten Stufe (lineare Regression). Zur anschließenden Simulation der Markt- und Anbauanteile wird auf die Schätzergebnisse beider Stufen zurückgegriffen.
Grundlage der Schätzung bilden 900 unterschiedliche Entscheidungssituationen. In 66 Prozent der Fälle wählten die Befragungsteilnehmer eine Winterrübe. Tabelle 3 zeigt die Koeffizienten des geschätzten Mixed Logit Modells9 und die daraus resultierenden Zahlungsbereitschaften. Neben den sozioökonomischen Eigenschaften der befragten Landwirte sind auch die Eigenschaften der Winterrübe in die Schätzung eingegangen (Tabelle 1). Die Variable "GVO Rübe" geht als Dummy, alle weiteren Attribute gehen als metrische Variablen in die Schätzung ein. Wir prüfen die Linearitätsannahme der Attribute, indem wir die Variablen "Flächeneinsparung" und "Totalausfall durch Auswinterung" als effektkodiert in das Modell aufnehmen (HENSHER et al. (2005)). Das Verhältnis der beiden jeweils geschätzten Koeffizienten der effektkodierten Variablen zueinander ist dasselbe wie das Verhältnis der niedrigen und hohen Variablenausprägung zur jeweils mittleren Ausprägung. Die Linearitätsannahme gilt damit als erfüllt.
Zunächst betrachten wir die Attributvariablen der Winterrübe. Alle Eigenschaften der Winterrübe bis auf der Erntetermin haben einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, ob ein Landwirt sich für oder gegen den Anbau einer Winterrübe entscheidet (Tabelle 3). Vor dem Hintergrund, dass die Rübenanbauer in der Regel gar keinen Einfluss mehr auf den Erntetermin ihrer Rüben haben, sondern diese Termine von den Zuckerfabriken vorgegeben werden, ist es nachvollziehbar, dass die Erntetermine an sich nicht signifikant sind. Steigt der Deckungsbeitragsvorteil pro Tonne Rüben um einen Euro, so steigt auch die Anbauwahrscheinlichkeit, da der Schätzkoeffizient für den Deckungsbeitrag ein positives Vorzeichen hat. Höhere Saatgutpreise sind verbunden mit geringeren Deckungsbeiträgen, die Anbaubereitschaft wird also durch höhere Saatgutpreise sinken.
Ein Betrieb, der beispielsweise zehn Hektar Rüben anbaut (Durchschnittsertrag 61,7 Tonnen pro Hektar) produziert absolut 617 Tonnen Zuckerrüben. Wird angenommen, dass durch den Anbau von Winterrüben die Rübenanbaufläche um zehn Prozent reduziert werden kann, wird absolut ein Hektar Anbaufläche gespart, die für andere Kulturen nutzbar ist. Der Rübenanbauer wäre bereit, je Prozentpunkt eingesparter Rübenanbaufläche einen Betrag von 617 Tonnen multipliziert mit der marginalen Zahlungsbereitschaft von 0,0507 Euro pro Tonne zu zahlen. Bei zehn Prozent Einsparung ergibt dies einen Betrag von etwa 313 Euro pro Hektar. Dieser Betrag spiegelt die Opportunitätskosten für Ackerland wider und liegt der Höhe nach etwas über dem durchschnittlichen Pachtpreisniveau für Bestandspachten von Ackerland in Sachsen-Anhalt. Diese betragen 261 Euro pro Hektar für BVVG-Flächen (BODENMARKT, 2010) und 198 Euro pro Hektar für alle Bestandspachten nach der Agrarstrukturerhebung des STATISTISCHEN LANDESAMTS SACHSEN-ANHALT (2012). Hingegen liegen die Bestandspachten in Niedersachsen mit 351 Euro pro Hektar (LANDESBETRIEBS FÜR STATISTIK UND KOMMUNIKATIONSTECHNOLOGIE NIEDERSACHSENS, 2012) etwas über dem von uns geschätzten Betrag.
Tabelle 3: Determinanten der Anbauwahrscheinlichkeit und Willingness to Pay (WTP) | |||
---|---|---|---|
Variable | Koeffizient10 (SD) | WTP (SD) | WTP Konfidenzintervall11 |
DB-Differenz | 1,2032*** | ||
Flächeneinsparung | 0,0610*** (0,117***) | 0,0507*** (0,097***) | (0,0161; 0,0852) |
Totalausfall durch Auswinterung | 0,2363*** (0,169***) | 0,1964*** (0,141***) | (0,1424; 0,2504) |
GVO-Rübe | -0,9062*** (2,095***) | -0,7532*** (1,741***) | (-1,1243; -0,3820) |
Aussaattermin | 0,5750*** (0,621***) | 0,4779*** (0,516***) | (0,3240; 0,6318) |
LN | 0,0033*** | 0,0028*** | (0,0016; 0,0040) |
Rapsanteil | -8,5543*** | -0,0711*** | (-0,1171; -0,0251) |
Rübenmenge | -0,0002** | -0,0001*** | (-0,0002; 0,0000) |
Gentechnikanbau Befürwortung | 0,5809** | 0,4828** | (0,0074; 0,9583) |
Betriebszweig Tourismus | -4,0424*** | -3,3597*** | (-4,8168; -1,9026) |
Quotenrübenanteil | 2,5474*** | 0,0212*** | (0,0076; 0,0347) |
Biogasrübenanteil | -8,9019*** | -0,0740*** | (-0,1162 -0,0318) |
Rübenanbauberatung | -2,4310*** | -2,0204*** | (-2,9813; -1,0595) |
Konstante | -5,1151*** | -4,2512*** | (-6,1490; -2,3534) |
Anmerkungen: ***, **, * = statistisches Signifikanzniveau von 1,5 und zehn Prozent; Pseudo R² = 0,29; mittlerer RMSE12 =0,567. Ein Hausman-Test13 zeigt, dass die IIA-Annahme (Independence of irrelevant alternatives) nicht verletzt ist.
Quelle: Eigene Darstellung
Das Anbaurisiko der Winterrübe lässt sich durch die Variable "Totalausfall durch Auswinterung" quantifizieren. Durchschnittlich wird in unserem experimentellen Design ein Mehrertrag von rund 15 Prozent durch die Winterrübe erzielt (Tabelle 1). Dies bedeutet einen Ertrag von 61,7 Tonnen pro Hektar * 115 Prozent = 71 Tonnen pro Hektar. Dieser Ertrag mit der Zahlungsbereitschaft von 0,1964 Euro pro Tonne multipliziert ergibt ungefähr 14 Euro pro Hektar und Jahr. Bei einer Verringerung der Auswinterung um vier Jahre von alle zehn auf alle 14 Jahre würde der Rübenanbauer auf einen Deckungsbeitrag von rund 55 Euro pro Hektar verzichten.14 Folglich wird eine Reduktion der Auswinterungswahrscheinlichkeit um einen Prozentpunkt mit etwa 18,50 Euro pro Hektar bewertet.
Die befragten Betriebsleiter sind weniger geneigt, gentechnisch veränderte Winterrüben anzubauen. Sie wären bereit, bei einem Ertrag von 71 Tonnen pro Hektar (Winterrüben) einen Betrag von durchschnittlich rund 53 Euro pro Hektar zu zahlen, wenn das Saatgut nicht gentechnisch verändert wäre. Bei einem Saatgutpreis von ungefähr 200 Euro pro Hektar (KTBL, 2012) entspricht dies etwa einem Preisaufschlag von 25 Prozent. Allerdings ist die Spannweite zwischen den Betrieben sehr groß, wie die Ergebnisse des Mixed Logit Modells zeigen. Die Standardabweichung der WTP für die Variable der GVO-Winterrübe liegt bei einem Wert von etwa 1,74 Euro pro Tonne Winterrüben.
Für einen um eine Woche verzögerten Aussaattermin (ausgehend vom 7. August) sind die befragten Rübenanbauer bereit, einen Betrag von 0,48 Euro pro Tonne zu zahlen. Beim aktuellen EU-Mindestpreis von 26,30 Euro pro Tonne würden die Betriebe damit auf ungefähr 1,5 bis zwei Prozent ihres Rübengeldes verzichten, wenn die Winterrübe um eine Woche später ausgesät werden kann.
Da auch Betriebs- und Betriebsleitereigenschaften einen Einfluss auf die Anbauwahrscheinlichkeit haben, können auch für diese Variablen marginale Zahlungsbereitschaften ermittelt werden. Variablen, die das Alter des Betriebsleiters, die Ausbildung, die Innovationsneigung, den Betriebstyp (Haupt- oder Nebenerwerbsbetrieb) oder die Anteile von Gerste, Mais oder Kartoffeln in der Fruchtfolge widerspiegeln, sind nicht signifikant, wie die unrestringierte Schätzung (Fußnote 9) zeigte.
Größere Betriebe sind eher bereit, Winterrüben anzubauen als kleinere. Die marginale Zahlungsbereitschaft ist mit 0,0028 Euro pro Tonne Zuckerrübe (entsprechend 0,20 Euro pro Hektar) aber eher gering. Bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 386 Hektar macht dies einen Betrag von rund 77 Euro pro Betrieb aus. Andere Studien kommen auch zu dem Ergebnis, dass größere Betriebe eine höhere Zahlungsbereitschaft für neue Technologien haben. Biotechnologie muss nicht größenneutral sein und lässt sich durch Arbeitskräfte substituieren (HUDSON et al., 2007).
Dies trifft scheinbar auch auf die Winterrübe zu. Betriebe, die einen höheren Rapsanteil in der Fruchtfolge haben, zeigen eine negative Zahlungsbereitschaft für den Anbau von Winterrüben. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die Raps- und Winterrübenbestellung zeitlich zusammen fallen und somit zu arbeitswirtschaftlichen Herausforderungen führen können. Zuckerrübenbetriebe mit einer überdurchschnittlichen Rübenproduktionsmenge haben hingegen eine geringere Anbaubereitschaft für Winterrüben. Dies drückt sich in der negativen Zahlungsbereitschaft von 0,001 Euro pro Dezitonne aus, was bei einem Ertrag von 71 Tonnen pro Hektar Winterrüben 0,71 Euro pro Hektar entspricht. Eine Zahlungsbereitschaft von knapp 0,48 Euro pro Tonne oder 34 Euro pro Hektar Winterrüben errechnet sich für Betriebsleiter, die den Gentechnik-Anbau befürworten. Letztgenannte Landwirte würden sich demnach im Vergleich zu den Nicht-Befürwortern mit einem um 34 Euro pro Hektar niedrigeren Deckungsbeitragsvorteil der Winterrüben zufrieden geben.
Ist Tourismus im Betrieb als Einkommensquelle vorhanden, so müsste die Winterrübe einen um 3,35 Euro pro Tonne (238 Euro pro Hektar) höheren Deckungsbeitrag erwirtschaften als in den Betrieben ohne Tourismus, um mit derselben Wahrscheinlichkeit angebaut zu werden. Auch die Verwendungsrichtung der Zuckerrübe beeinflusst die Anbaubereitschaft von Winterrüben. So haben Betriebe mit einem hohen Quotenrübenanteil eine höhere und Betriebe mit einem hohen Biogasrübenanteil eine geringere Zahlungsbereitschaft für Winterrübensaatgut. Steigt der Anteil der in einem Betrieb für die Biogasproduktion erzeugten Rüben um einen Prozentpunkt an, so müsste die Winterrübe einen um 0,07 Euro pro Tonne (5,25 Euro pro Hektar) erhöhten Deckungsbeitrag erzielen. Betriebsleiter, die Biogasanlagen betreiben oder beliefern, könnten skeptisch sein, ob sich Winterrüben in solchen Anlagen verwerten lassen.
Eine negative Zahlungsbereitschaft von 4,25 Euro pro Tonne Winterrüben errechnet sich für die Konstante. Offenbar sind weitere nicht beobachtete Faktoren dafür verantwortlich, dass die befragten Betriebsleiter skeptisch gegenüber dem Anbau von Winterrüben sind und daher einen um 4,25 Euro pro Tonne höheren Deckungsbeitrag erwirtschaften müssten.15
In diesem Abschnitt ermitteln wir mittels einer Kleinst-Quadrate Schätzung, mit welchen Anbauanteilen die befragten Landwirte die Winterrübe in ihre Rübenanbaufläche integrieren würden. Tabelle 4 zeigt die Schätzkoeffizienten der Kleinst-Quadrate-Schätzung. Mit einem "backward stepwise" Vorgehen16, wie es im Statistikprogramm Stata integriert ist, wurden systematisch alle Variablen der Tabelle 2 betrachtet und nur diese mit einem Signifikanzniveau von p ≤ 0,05 aufgenommen oder von p ≥ 0,1 ausgeschlossen. Die Tabelle 4 zeigt die Variablen des endgültigen Modells17 mit ihren Schätzkoeffizienten und Signifikanzniveaus. Die Modell- oder Prognosegüte liegt mit einem Bestimmtheitsmaß von 0,77 und einem mittleren RMSE nach einer Kreuzvalidierung mit der k-fold Methode und einer üblichen Anzahl von k=10 bei 0,227 in einem guten Bereich. Der vorhergesagte Anbauanteil weicht im Mittel nur um etwa fünf Prozentpunkte vom tatsächlichen Anbauanteil ab.
Keine der Attributvariablen der Winterrübe ist signifikant. Die Attribute wirken allerdings über den signifikanten Korrekturterm g2 auf die Anbauanteile. Die Korrekturterme haben gemäß (8) negative Vorzeichen. Daher ist das Vorzeichen des Schätzkoeffizienten für den Korrekturterm umgekehrt zu interpretieren. Der Schätzer g2 gibt daher an, dass Betriebe mit einer relativ hohen Wahlwahrscheinlichkeit für die konventionelle Rübe (Sorte B, Abbildung 2) die Winterrübe mit einem geringeren Flächenanteil wählen als Betriebe mit einer relativ geringen Wahlwahrscheinlichkeit für die konventionelle Rübe.
Tabelle 4: Determinanten des Anbauanteils von Winterrüben an der gesamten Zuckerrübenfläche (Schätzergebnisse der zweiten Stufe) | |
---|---|
Variable | Koeffizient |
Geburtsjahr | 0,0006*** |
Ausbildung | -0,2141*** |
Rübenanbaufläche | -0,0016*** |
Wintergerstenanbaufläche | 0,0005*** |
Zuckergehalt | -0,0244*** |
überbetrieblicher Transport | 0,2428*** |
Spätere Aussaat | -0,0035** |
Monitoring Blattkrankheiten | -0,1218*** |
Nematoden tolerante Sorten | -0,0518** |
Gentechnikverzehr Befürwortung | 0,0968*** |
Bruchteilsgemeinschaft | -0,0971*** |
Rübenanbauberatung | -0,1093*** |
g2 | 0,0262 |
Anmerkungen: *****, **, * = statistisches Signifikanzniveau von 1, 5 und 10 Prozent; bereinigtes R²=0,77; mittlerer RMSE=0,227.
Quelle: eigene Darstellung
In der zweiten Stufe sind viele betriebsindividuelle Variablen signifikant. So bauen jüngere Betriebsleiter einen höheren Anteil Winterrüben an ihrer gesamten Rübenfläche an. Beispielsweise steigt der Anbauanteil um rund ein Prozent, wenn der Betriebsleiter 15 Jahre jünger ist als ein anderer. Hat der Befragte ein Studium absolviert oder die Ausbildung zum staatlich geprüften Wirtschafter abgeschlossen, so ist dieser im Vergleich zu einem Befragten mit einem anderen Berufsabschluss dazu geneigt, einen geringeren Anteil der Winterrübe anzubauen. Größere Betriebe mit einer höheren Rübenanbaufläche wählen pro Hektar Rübenanbaufläche einen um 0,16 Prozentpunkte geringeren Anbauanteil. Hingegen wählen Betriebe mit einer höheren Wintergerstenanbaufläche einen höheren Winterrübenanteil. Gerade nach der Wintergerste kann die Winterrübe besser bestellt werden, da diese das Feld früher räumt als andere Feldfrüchte und somit die Möglichkeit besteht, die Winterrübe rechtzeitig im August zu bestellen.
Betriebe, die überdurchschnittlich hohe Zuckergehalte erzielen, wählen eine geringere Winterrübenanbaufläche. Betriebe, die den Transport der Zuckerrüben überbetrieblich erledigen lassen, wählen einen höheren Anbauanteil der Winterrübe, hingegen wählen Betriebe, die ihre konventionelle Zuckerrübe vergleichsweise spät bestellen, einen geringeren Anbauanteil. Landwirte, die Nematoden tolerante Sorten anbauen oder ein Monitoring von Blattkrankheiten durchführen, entscheiden sich für einen geringeren Anbauanteil. Betriebsleiter, die den Verzehr18 von gentechnisch veränderten Produkten befürworten, wählen einen höheren Anteil an der Zuckerrübenfläche. Betriebe in einer Maschinenbruchteilsgemeinschaft wählen geringere Flächenanteile, vielleicht vor dem Hintergrund, dass sie ihre Maschinen nicht so flexibel einsetzen können und die Kapazitäten der Bestellung im Herbst nicht vorhanden sind. Lässt sich der Befragte durch die Rübenanbauberatung der Zuckerfabriken beraten, so werden geringere Flächenanteile gewählt. Der Grund hierfür könnte sein, dass die Berater der Winterrübe bisher eher skeptisch gegenüber stehen, da diese noch nicht auf dem Markt verfügbar ist.
Aufbauend auf den Schätzergebnissen können die Marktanteile der Winterrübe und deren einzelbetriebliche Anbauanteile prognostiziert werden. Bei einem herkömmlichen DCE stehen dazu nur die Ergebnisse der ersten Stufe zur Verfügung, es können damit also nur Anbauwahrscheinlichkeiten für jeden Landwirt geschätzt werden. Marktanteile für Winterrüben lassen sich so noch nicht quantifizieren. Dazu werden wir die Adoptionswahrscheinlichkeiten der einzelnen Landwirte mit ihrer Zuckerrübenfläche gewichten, wie es zum Beispiel auch ENNEKING (2003) tut. Die Summe über alle Landwirte entspricht dann dem Marktanteil der Winterrübe unter der impliziten Annahme, dass ein Landwirt eine Winterrübe entweder auf seiner gesamten Rübenanbaufläche oder gar nicht anbaut. Diese Annahme wurde im Experiment aber nicht getroffen, weil eine partielle Adoption aus Risikoerwägungen viel plausibler erscheint (Abschnitt 4). Durch Risikostreuung zwischen Winterrübenanbau und konventionellen Rübenanbau würde der Landwirt möglichen negativen ökonomischen Konsequenzen, welche sich durch das Auswinterungsrisiko der Winterrübe ergeben, begegnen.
Damit erlaubt das zweitstufige DCE eine realistischere Abschätzung des Anbauanteils der Winterrübe. Dazu wird zwar auch wieder von den Anbauwahrscheinlichkeiten der ersten Stufe ausgegangen. Allerdings werden sie mit den prognostizierten Anbauflächen der Winterrübe ausgehend von den Schätzergebnissen der zweiten Stufe gewichtet. Die Summe der individuellen erwarteten Anbauflächen geteilt durch die Zuckerrübenanbaufläche aller Landwirte stellt – wie in (10) dargestellt – den erwarteten Winterrübenanteil an der gesamten Zuckerrübenanbaufläche dar.
In Abbildung 3 werden die Anbauwahrscheinlichkeiten sowie die erwarteten Flächenanteile nach der einstufigen Schätzung und der zweistufigen Schätzung vergleichend dargestellt. Es wird von einer mittleren GVO-Winterrübe mit einer Flächeneinsparung von 15 Prozent, einem Totalausfall durch Auswinterung alle zehn Jahre und einem Aussaattermin um den 28. August ausgegangen. Die drei Kennzahlen werden zudem in Abhängigkeit des Deckungsbeitragsvorsprungs (0 bis 3,50 Euro pro Tonne) der Winterrübe dargestellt.
Abbildung 3: Prognostizierte Anbauwahrscheinlichkeiten und Anbauanteile
Quelle: eigene Darstellung
Die Anbauwahrscheinlichkeiten der Winterrübe liegen unter den angenommenen Deckungsbeiträgen zwischen ungefähr 20 und 60 Prozent. Erwartungsgemäß nimmt mit steigendem Deckungsbeitragsvorteil auch die durchschnittliche Anbauwahrscheinlichkeit zu. Wird die Zuckerrübenanbaufläche der Befragten mit der entsprechenden Wahrscheinlichkeit des Winterrübenanbaus gewichtet, erhält man den prognostizierten Winterrübenanbauanteil (Ergebnisse der ersten Stufe). Im Mittel haben die Betriebe einen Anteil von rund 37 Prozent ihrer Rübenfläche gewählt, sofern sie sich dazu entschieden haben eine Winterrübe anzubauen. Weiterhin wurde nur in 66 Prozent der Fälle eine Winterrübe gewählt, und große Rübenanbaubetriebe haben sich für einen geringeren Flächenanteil entschieden (Abschnitt 5.2). Der erwartete Anbauanteil sollte also damit deutlich unter 25 Prozent der Rübenanbaufläche liegen (37 Prozent multipliziert mit 66 Prozent).
Es wird ersichtlich, dass das zweistufige DCE notwendig ist, um genauer prognostizieren zu können. Wie Abbildung 3 zeigt, bewegt sich der Anbauanteil der Winterrübe in Abhängigkeit des Deckungsbeitragsvorsprungs zwischen 9 und 22 Prozent. Wie bereits dargestellt, wird für Abbildung 3 eine gentechnisch veränderte Rübe unterstellt. Die Anbauanteile (nach zweistufigem Vorgehen) einer konventionell erzeugten Winterrübe lägen höher (10 bis 26 Prozent) als bei einer GVO-Winterrübe, da der Schätzkoeffizient für die GVO-Rübe ein negatives Vorzeichen hat (Tabelle 3). Die Entwicklung der Winterrübe über konventionelle Züchtungsmethoden könnte damit einen Marktanteilszuwachs von etwa ein bis vier Prozentpunkten ausmachen.
Die Schätzergebnisse und erwarteten Marktanteile können genutzt werden, um eine monopolistische Preissetzung der Saatguterzeuger zu simulieren. Um dies zu verdeutlichen, werden die Marktanteile einer mittleren Winterrübe mit einer Deckungsbeitragsdifferenz zur konventionellen Zuckerrübe von zwei Euro pro Tonne berechnet. Es wird die Annahme getroffen, dass der Hersteller des Saatguts dieses vorerst als Monopolist anbieten kann und die Grenzkosten der Saatgutherstellung konstant sind. Der monopolistisch agierende Saatguthersteller würde dann zur Maximierung seines Gewinns den Preis und die Menge so setzen, dass der Grenzgewinn Null ist. Diesen Zusammenhang ist beispielhaft für einen Saatguthersteller mit Grenzkosten der Saatgutproduktion von 50 Euro pro Einheit (100.000 Saatgutpillen) in Abbildung 4 dargestellt.
Eine Preiserhöhung ausgehend von 200 Euro pro Einheit für das GVO-freie Saatgut um 36 Prozent hätte einen Grenzgewinn von 0 Euro pro Saatguteinheit für den Saatgutproduzenten zur Folge. Bei dieser Preiserhöhung wäre der Gewinn für den Saatgutproduzenten maximal und könnte einen Marktanteil von etwa 15 Prozent mit der Winterrübe erreichen. Bei der Erzeugung von GVO-Saatgut könnte der Preis um rund 37 Prozent gegenüber der konventionellen Zuckerrübe angehoben werden, um den Gewinn zu maximieren. Obwohl der Preis nicht viel stärker angehoben wird als bei GVO-freiem Saatgut, wäre mit diesem Saatgut ein Marktanteil von ungefähr nur zwölf Prozent zu erzielen. Es wird deutlich, dass eine GVO-freie Winterrübe damit einen großen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber einer GVO-Winterrübe hätte. Bei gleichen Grenzkosten der Saatgutproduktion würde der Gewinn für den Saatgutproduzenten mit GVO-freiem Saatgut um etwa 25 Prozent höher liegen als mit GVO-Saatgut.
Abbildung 4: Grenzgewinn und Marktanteil von Winterrüben-Saatgut in Abhängigkeit des Saatgutpreises
Quelle: eigene Darstellung
Die Ergebnisse zeigen, dass die Anbauwahrscheinlichkeit einer Winterrübe sowohl von den Attributen der Sorte als auch von den sozioökonomischen Eigenschaften der befragten Betriebsleiter und der Organisation der Betriebe abhängt. Bessere Sorteneigenschaften wie beispielsweise ein verringertes Auswinterungsrisiko erhöhen erwartungsgemäß die Akzeptanz des Winterrübenanbaus. Insbesondere die Spätsaatverträglichkeit könnte die Adoption der Winterrübe spürbar beschleunigen. Hingegen verringert die Erzeugung des Saatguts durch gentechnische Methoden die Anbauwahrscheinlichkeit bei den Befragten deutlich. Insbesondere größere Betriebe und jüngere Betriebsleiter werden vermutlich zu den Pionieren des Winterrübenanbaus gehören. Erwartungsgemäß spielen auch Einstellungen zur Gentechnik eine wichtige Rolle, so haben Betriebsleiter mit einer positiven Einstellung zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen eine höhere Zahlungsbereitschaft für Winterrübensaatgut.
Es konnte allerdings nicht bestätigt werden, dass Betriebe, die schon neue Technologien wie beispielsweise den N-Sensor einsetzen, zu einer höheren Anbaubereitschaft neigen. Die Winterrübe passt scheinbar nicht in die Fruchtfolge von intensiven Rapsproduzenten, sie könnte in Konkurrenz zum Raps stehen und wird daher von Betrieben mit hohen Rapsanteilen weniger stark präferiert. Es bleibt abzuwarten, ob es möglich sein wird, die Winterrübe für die Biogasproduktion zu nutzen, die Befragten bewerten den Ansatz bisher skeptisch – die Anbauwahrscheinlichkeit sinkt mit zunehmenden Biogasrübenanteil an der Rübenproduktionsmenge.
Die Schätzung der zweiten Stufe liefert zusätzliche Informationen. Jüngere Betriebsleiter bauen die Winterrübe mit einem höheren Anteil an der Rübenproduktionsfläche an als ältere. Da allerdings ceteris paribus damit auch ein erhöhter Anteil der Winterrüben mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auswintert oder die erwarteten Erträge nicht erreicht werden, gehen die jüngeren Betriebsleiter damit auch ein höheres Risiko ein. Hingegen führt eine höhere Ausbildung zu einem geringeren Winterrübenanteil an der Rübenanbaufläche. In die Fruchtfolge von intensiven Gerstenanbaubetrieben lässt sich die Winterrübe scheinbar besser integrieren. Betriebe mit einer größeren Gerstenanbaufläche entscheiden sich auch für einen größeren Winterrübenanteil, da sie wahrscheinlich auf Grund des frühen Erntetermins der Gerste, die Winterrübe nach der Gerste besonders sicher bestellen können.
Die zusätzlichen Informationen der zweiten Schätzstufe ermöglichen eine bessere Prognose des Marktanteils der Winterrübe. Während im herkömmlichen DCE im Experimentdesign – und damit exogen – festgelegt werden müsste, welchen Anteil seiner Rübenfläche der Landwirt im Falle der Adoption mit der Winterrübe bestellen würde, lassen sich im zweistufigen Experiment die Determinanten des Anbauanteils bestimmen. Mit den Determinanten lässt sich dann der Anbauanteil jedes Rübenanbauers prognostizieren und somit der Marktanteil abschätzen. Wie die Ergebnisse des Abschnitts 5.3 zeigen, würde bei der Einführung der Winterrübe ein Marktanteil zwischen neun und 22 Prozent in Abhängigkeit des Deckungsbeitrags zu erwarten sein.
Die Marktanteilsprognosen sind gerade für Zuchtunternehmen von Interesse, da sie damit den Saatgutabsatz in Abhängigkeit ihrer Preispolitik abschätzen können. Werden höhere Preise für das Saatgut verlangt, sinken der Deckungsbeitrag und somit die Absatzmenge des Saatguts. Bei einer Ertragserwartung von rund 70 Tonnen pro Hektar würde beispielsweise eine Erhöhung des Saatgutpreises um 30 Prozent (entsprechend 70 Euro pro Hektar) den Deckungsbeitrag um ein Euro pro Tonne schmälern und damit den Marktanteil der Winterrübe um 3,9 Prozentpunkte senken. Die Einführung einer gentechnikfreien Sorte würde hingegen der Winterrübe einen zusätzlichen Markanteil von etwa vier Prozentpunkten bescheren. Das zweistufige DCE ermöglicht es weiterhin, das Preissetzungsverhalten der Saatgutproduzenten zu prognostizieren. Bei Annahme konstanter Kosten der Saatgutherstellung (50 Euro pro Einheit) führt eine Preiserhöhung von rund 37 Prozent bei gentechnisch verändertem Saatgut zu maximalen Gewinnen der Saatguterzeuger. Gelingt es, eine GVO-freie Winterrübe zu züchten, wäre ein Preisaufschlag von 36 Prozent gegenüber konventionellem Zuckerrübensaatgut die optimale Preissetzungsstrategie der Zuchtunternehmen.
Alternativ zum zweistufigen DCE hätten die Anbauanteile auch als Attribut in das einstufige DCE integriert werden können, um den Anbauanteil nicht zu über- oder unterschätzen. Allerdings wäre dann die Frage zu stellen, in welchem Wertebereich der Anbauanteil im Experiment variiert werden sollte. Statt diesen Bereich im Experiment mehr oder weniger willkürlich vorzugeben, erschien es uns sachgerechter, den Anbauanteil von den Landwirten zu erfragen. Ferner ist die zweistufige Schätzung besser geeignet, der sequentiellen Natur des Entscheidungsprozess angemessen Rechnung zu tragen: Zunächst trifft der Rübenanbauer die binäre Entscheidung, ob er überhaupt Winterrüben anbauen möchte. Dann entscheidet er sich für einen bestimmten Anbauumfang.
Die berechneten Zahlungsbereitschaften wurden jeweils am Mittelwert der Stichprobe ermittelt. Um zu Grunde liegende Unsicherheiten zu berücksichtigen, könnte die gesamte Schätzsimulationskette beispielsweise mit einer Bootstrap-Struktur analysiert werden, um die Simulationsergebnisse der Anbauanteile als Konfidenzintervalle abbilden zu können. Trotz der theoretischen Überlegenheit des zweistufigen DCE sollten die empirischen Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden, denn die Analyse basiert auf einem Convenience-Sample aus Landwirten, das nicht repräsentativ für den deutschen Zuckerrübenanbau ist. Die befragten Landwirte bewirtschaften im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich mehr Fläche und sind überdurchschnittlich gut qualifiziert. Sie informieren sich über den neusten Stand der Produktionstechnik auf Rübenfeldtagen und Feldbegehungen. Unser Sample repräsentiert daher vermutlich eher die Gruppe der führenden Zuckerrübenanbauer Niedersachsens und Sachsen-Anhalts als den Durchschnittsproduzenten dieser Regionen. Diese Spitzengruppe von Landwirten wird aber vermutlich zu den Pionieren des Winterrübenanbaus gehören. Dementsprechend bilden unsere empirischen Ergebnisse eher die Anfangsphase der Adoption dieser neuen Technologie als die Phase der Technologiereife ab.
Dieses Papier identifiziert die Bestimmungsfaktoren der Anbaubereitschaft norddeutscher Landwirte für die Winterrübe und prognostiziert deren Marktanteil mit Hilfe eines zweistufigen Discrete Choice Experiments (DCE). Die empirische Analyse beruht auf einer Befragung von 100 Zuckerrübenanbauern in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.
Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass sowohl die Sorteneigenschaften der Rüben als auch die sozioökonomischen Eigenschaften der Landwirte die Anbauwahrscheinlichkeit beeinflussen. Eine verringerte Auswinterungswahrscheinlichkeit oder die Spätsaatverträglichkeit erhöhen die Adoptionswahrscheinlichkeit, während die Entwicklung der Rübe über gentechnische Methoden diese spürbar senkt. Größere, auf den Quotenrübenanbau spezialisierte Marktfruchtbetriebe werden vermutlich zu den Pionieren des Winterrübenanbaus gehören. Das zweistufige DCE liefert zusätzliche Informationen – es wird beispielsweise ersichtlich, dass jüngere Betriebsleiter die Winterrübe mit einem höheren Flächenanteil wählen. In einem anschließenden Methodenvergleich zeigen wir, dass der Marktanteil der Winterrübe mit einem herkömmlichen DCE überschätzt werden kann.
This paper uses a two-stage discrete choice experiment (DCE) to identify the factors affecting farmers’ prospective willingness to cultivate autumn-sown sugar beet. The empirical analysis is based upon a survey of 100 sugar beet growers in Lower Saxony and Saxony-Anhalt.
The results show that both the attributes of the new sugar beet varieties and the socio-economic characteristics of the decision-maker affect farmers’ willingness to grow autumn-sown sugar beet. Reduced susceptibility to frost and the possibility of late sowing enhance the probability of autumn-sown beet being grown, whereas genetic modification of the seed results in a significant drop in that probability. Larger arable farms specializing in quota sugar beet production are likely to be among the pioneers of winter beet cultivation. The two-staged DCE provides additional information – for example that younger farmers will cultivate a higher share of their sugar beet area with autumn-sown varieties. The main advantage of the two-staged DCE approach, however, is that it enables a more accurate estimation of the prospective market share compared to the traditional DCE, which tends to overestimate market shares.
Ce papier identifie les facteurs qui déterminent la volonté des agriculteurs de l’Allemagne du nord de cultiver la betterave semée en automne et prognostique la part de marché de ces dernières à l’aide d’une expérience de choix discret (Discrete Choice Experiment, DCE) à deux phases. Cette analyse empirique est basée sur un sondage de 100 cultivateurs de la betterave à sucre en Basse-Saxe et en Saxe-Anhalt.
Les résultats montrent que les caractéristiques de variété des betteraves d’un côté ainsi que les caractéristiques socio-économiques des agricultuers de l’autre influencent la volonté de cultivation. Une probabilité réduite de destruction par le froid ou la compatibilité d’une culture retardée augmentent la probabilité d’une adoption, alors que le développement de la betterave à l’aide de méthodes de génie génétique la réduit considérablement. Les grandes exploitations de grandes cultures, spécialisées à la cultivation de betteraves dans le cadre de quotas, seront probablement parmi les pioniers de la cultivation de la betterave d’hiver. Le DCE à deux phases fournit des informations supplémentaires – comme le fait, par exemple, que les chefs plus jeunes d’entreprise choisissent de cultiver la betterave d’hiver sur une superficie plus grande que d’habitude. Dans le cadre d’une comparaison de méthodes nous montrons ensuite que la part de marché de la betterave d’hiver peut être surestimée quand on se sert du DCE conventionel.
1) Allerdings ist das Schossen für die Samenproduktion notwendig. Die Funktion des Schosses muss daher steuerbar sein, beispielsweise über den Einsatz einer Chemikalie.
2) Die Quotenregelung wird 2017 auslaufen.
3) Weisen zwei Sorten A und B die gleichen Flächeneinsparungen auf, wobei Sorte A über einen früheren Rodetermin verfügt, so würde die Sorte A zum späteren Rodetermin eine höhere Flächeneinsparung aufweisen als die Sorte B.
4) Werte von über 90 sind als gut anzusehen (KUHFELD (2005)). ESPINOSA-GODED et al. (2010) arbeiten beispielsweise mit einem D-Efficiency Wert von 91,3 Prozent.
5) Alternativ kann auch mit dem Dichotomous Choice Ansatz (zur Gruppe der Contingent Valuation Methode gehörend) die Adoption neuer Technologien in der Landwirtschaft gemessen werden, beispielsweise seien hier KRISHNA & QAIM (2007) oder SUBRAMANIAN & QAIM (2010) genannt. Weiterhin haben KOLADY & LESSER (2006) mit einem bivariaten Probit Modell die Absicht indischer Landwirte untersucht, gentechnisch veränderte Auberginen anzubauen. VOSS et al. (2009) finden in ihrer Studie heraus, dass bei deutschen Landwirten keine grundsätzliche Ablehnung gegen die Grüne Gentechnik festzustellen ist.
6) Die multinomiale Heckman Schätzung kontrolliert auch dafür, dass nur positive Flächenanteile in der OLS berücksichtigt werden. Ferner wurde auf eine Tobit Regression verzichtet, da der Anbauanteil auch über 100 Prozent der aktuellen Rübenanbaufläche betragen kann (Rübenanbauer weitet Anbaufläche aus).
7) Da es sich bei den betrachteten Daten der zweiten Stufe um zensierte Daten handelt, muss ein Korrekturterm der Wahrscheinlichkeit der ersten Stufe aufgenommen werden. Sollte ein Landwirt die Winterrübe A gewählt haben, ist die Beobachtung der Anbaufläche der Winterrübe C nicht möglich.
8) In diesem Fall sind es 3-1=2 Korrekturterme.
9) Bei den in Tabelle 3 dargestellten Koeffizienten handelt es sich um eine restringierte Schätzung. In die Ausgangsschätzung sind weitere Variablen zur Einstellung des Befragten und Betriebsorganisation wie beispielsweise "Gentechnikverzehr Befürwortung" oder "milchviehhaltend" eingeflossen. Ein Wald-Test zeigt, dass die nicht signifikanten Variablen aus der Schätzung entfernt werden können, denn der χ2 Wert liegt bei 15,32 im insignifikanten Bereich mit p=0,2876. Die Null Hypothese, dass die Koeffizienten der entfernten Variablen gleich Null sind, kann damit nicht abgelehnt werden, die Modellgüte des restringierten Modells ist nicht signifikant schlechter als die des Ausgangsmodells. Die Schätzergebnisse des unrestringierten Modells können von den Autoren angefordert werden.
10) Die Signifikanzniveaus ergeben sich aus robusten Standard-Fehlern nach WHITE (1980), welche von möglicher Heteroskedastizität nicht beeinflusst werden.
11) Die Konfidenzintervalle sind in 2,5; 97,5 Perzentilen mit der Delta Methode, wie bei GREENE (2003) gezeigt, berechnet, ein übliches Vorgehen in Discrete Choice Experimenten (RUTO & GARROD (2009) oder ESPINOSA-GODED et al. (2010)).
12) Es wurde mit dem Stata Package "crossfold" (DANIELS (2012)) eine Kreuzvalidierung nach der k-fold Methode mit k=10 durchgeführt. In 70 Prozent der Fälle sagt das Modell die richtige Wahl des Befragten voraus.
13) Es handelt sich um die Verallgemeinerung des klassischen Hausman-Tests, wobei dieser bei Entfernen jeweils einer Alternative zu den folgenden Ergebnissen führt: Zuckerrübe 1 entfernt: p > χ2 = 0,15; Zuckerrübe 3 entfernt: p > χ2 = 0,47 = 0,62.
14) Eine Veränderung der Auswinterung von alle zehn Jahre auf alle 14 Jahre entspricht einer Verringerung der Auswinterungswahrscheinlichkeit um etwa drei Prozentpunkte.
15) Neben einem Mixed-Logit-Modell ist auch ein einfaches konditionales Logit-Modell geschätzt worden. Hier sind neben den im Mixed-Logit-Modell enthaltenden Variablen auch die Variablen "Ertrag Rübe", "Betriebszweigabrechnung" und "Monitoring Blattkrankheiten" signifikant. Das Pseudo R² dieses Modells liegt bei 0,1875.
16) Dem Verfahren liegt der Wald-Test zu Grunde.
17) Bei den dargestellten Koeffizienten der Tabelle 4 handelt es sich um eine restringierte Schätzung. In die Ausgangsschätzung sind weitere Variablen zur Einstellung des Befragten und Betriebsorganisation eingeflossen. Ein F-Test zeigt, dass die nicht signifikanten Variablen, wie sie mit dem "backward stepwise"-Vorgehen aus der Schätzung entfernt wurden, weggelassen werden können, denn der F-Wert liegt mit 0,98 im insignifikanten Bereich bei p=0,4795.
18) Die Variable "Gentechnikverzehr Befürwortung" korreliert mit 0,9 mit der Variable "Gentechnikanbau Befürwortung". Demnach werden Betriebsleiter, die den Anbau von gentechnisch veränderten Produkten befürworten sehr wahrscheinlich auch einen höheren Winterrübenflächenanteil wählen.
Prof. Uwe Latacz-Lohmann, Institut für Agrarökonomie, Christian Albrechts-Universität zu Kiel, Olshausenstraße 40, 24098 Kiel