von Prof Dr. Wilfried Brade (Hannover/Dummerstorf) und Prof Dr. Ottmar Distl (Hannover)
Einzellige Tiere (Protozoa) kommen in sehr differenzierten Habitaten einschließlich im Pansen der Wiederkäuer vor. Hier findet man sie häufig mit hoher Populationsdichte und in großer Artenvielfalt. Ihre Bedeutung ist mannigfaltig.
Die im Vormagen der Wiederkäuer siedelnden Protozoen gehören vor allem der Klasse der Litostomatea (Ciliaten) aus dem Stamm Ciliophora (Wimpertierchen) an (18). Inwieweit auch regelmäßig Species aus dem Stamm Zoomastigophora (bekannter als Zooflagellaten, früher häufig auch Geißeltierchen genannt) vorhanden sind, wird in der Fachliteratur (immer noch) verschieden dargestellt (8).
Generell sind Species aus der Klasse Litostomatea sowohl quantitativ als auch in ihrer Bedeutung für den gesamten ruminalen Stoffwechsel gegenüber den Vertretern der Zoomastigophora klar dominierend.
Neben den Protozoen findet man zusätzlich einzellige Pilze (zum Beispiel Hefen) im Pansen.
Gemeinsam mit den Bakterien und Archaeen sind die eukaryotischen Einzeller die bedeutendsten Destruenten im ruminalen Stoffwechsel.
Das ruminale Ökosystem besteht aus Mitgliedern aller drei Domänen des Lebens: Bacteria, Archaea und Eukarya (15).
Eukaryotische Einzeller, häufig auch als Protozoen1 (oder Urtierchen) bezeichnet, besitzen einen (oder mehrere) Zellkern(e) und zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Mobilität aus (25). Ihre Lebensweise ist heterotroph2.
Sie bewegen sich oft schwimmend mittels Wimpern (lat. Cilia) oder schwebend im Pansensaft. Es gibt aber auch an Pansenpartikeln (Pflanzenresten) festsitzende Formen.
Ihre systematische Einteilung beruhte in der Vergangenheit hauptsächlich auf dem Vergleich phänotypischer Merkmale3 (zum Beispiel Trichostomatia: vollständig und gleichmäßig bewimperte Species; Vestibuliferida: "Strudler" mit speziellen Wimpernreihen oder Entodiniomorphida: Species mit stark reduzierter Bewimperung – (10)).
Seit Kurzem wird mit Hilfe von Sequenzanalysen spezifischer Untereinheiten der 18S rRNA4 die zugehörige Phylogenese untersucht (24).
Aus diesen Gründen werden bisherige Klassifizierungen immer wieder korrigiert.
Eine endgültige Klassifizierung der Wimpertierchen steht noch aus (8).
Die ruminalen Ciliaten-Populationen lassen sich zwei Haupttaxa zuordnen (11): Vestubuliferida und Entodinommophida (Abbildung 1).
Neben den "Pansen-Ciliaten" findet man Ciliaten auch im Caecum/Colon von weiteren Pflanzenfressern, die sich zum Teil verwandtschaftlich überlappen (11, 18).
In Abbildung 1 ist ein vereinfachtes Schema der Einordnung der Wimpertierchen in das zoologische System gegeben.
Abbildung 1: Schema zur zoologischen Einordnung oder Klassifizierung von Wimpertierchen.
Quelle: Eigene Darstellung.
Anmerkungen: * Das Taxon findet sich nicht in allen Klassifizierungsschemata (Taxonomien). (2) benennt jedoch weiterhin das Reich "Protozoa".
Die Alveolata5 bilden ein Taxon einzelliger Eukaryoten, bestehend aus drei Stämmen (Dinoflagellata, Apicomplexa und Ciliophora (Wimpertierchen)). Alle drei Stämme enthalten komplexe einzellige Lebewesen. Wimpertierchen (Ciliophora), deren Zelloberfläche ganz oder teilweise von Wimpern bedeckt ist, sind außerordentlich artenreich. Es werden rund 7500 Arten global gezählt (2, 11, 18 19).
Mehr als 250 Arten sind bisher im Pansen verschiedener Wiederkäuerarten beschrieben worden (19). Wahrscheinlich ist ihre Zahl aber wesentlich höher, da viele beschriebene Arten bisher nicht kultiviert werden können (7, 8).
Angaben zur Protozoendichte im Pansen variieren in der Literatur erheblich. Als Variationsbereich kann – im Pansensaft von faunierten, gesunden Tieren – etwa 0,3 x 105 bis 6,5 x 106 Zellen pro Milliliter (= 4,5 bis 6,8 log10 Zellen/ml) genannt werden (7). Als Mittel nennen (7) – nach Auswertung von 28 Literaturstellen – etwa 4,2 x 105 Zellen je Milliliter Pansensaft (= 5,6 log10 Zellen/ml) bei großen Wiederkäuern.
Bei kleinen Wiederkäuern wurden auch deutlich höhere Extremwerte gefunden (7).
Die Protozoendichte im Pansen ist ein häufig genutzter Indikator für die Bewertung der Funktionstüchtigkeit des ruminalen mikrobiellen System (3, 4, 5).
Der Wiederkäuer nimmt Protozoen beispielsweise durch Kontakt mit "faunierten" Tieren auf (10, 11). Die Besiedlung und Entwicklung der Protozoenpopulation ist dabei abhängig vom Pansen-pH-Wert und von bereits etablierten Bakterienpopulationen.
Die Protozoendichte und genetische Diversität im Pansen adulter Rinder wird durch zahlreiche Faktoren weiter beeinflusst:
Die Artenvielfalt und Dichte der Protozoenpopulationen wird bereits durch die Zusammensetzung des Futters, die Menge der Futteraufnahme und die Fütterungsfrequenz bestimmt (10). Da zahlreiche Pansenciliaten sich von Stärkepartikeln ernähren können, führt eine behutsame Erhöhung6 der Stärkemenge im Futter zu einer generellen Zunahme der Protozoendichte im Pansen (4, 5).
Auch erhöht sich die Populationsdichte spezifischer Protozoen aus der Familie Isotrichidae (zum Beispiel Dasytricha ruminantium) bei vermehrter Verfügbarkeit löslicher Zucker (10, 25).
Lipide haben, wie bereits (16) zeigten, bei hoher Zulage einen deutlich negativen Einfluss auf die Protozoendichte im Pansen. Lange bekannt ist, dass die Milchfütterung an adulte Rinder die Protozoen-Populationen schädigt (13, 16). Sie ist somit eine mögliche (partielle) Defaunationsmethode.
Wiederholt beobachtete diurnale Veränderungen der Protozoenkonzentration lassen zusätzlich eine Speciesspezifität erkennen. So zeigen verschiedene Protozoen einen spezifischen diurnalen Konzentrationszyklus: maximale Konzentrationen zur Fütterungszeit mit einem konstanten bis zu 20 Stunden andauernden postprandialen Abfall und folgendem schnellen Anstieg bis zur Fütterung (4, 25).
Auch das Wirtstier selbst hat Einfluss auf die Zusammensetzung seiner ruminalen Ciliaten-Population. Bereits seine Speichelproduktion und der damit verbundene Pansen-pH-Wert oder die Turnover-Rate flüssiger und fester Stoffe sind hier zu nennen.
Zusätzlich sind vielfältigste Interaktionen zwischen Protozoen, Bakterien und Pilzen im Pansen vorhanden (19, 25). So finden zwischen Protozoen und Bakterien räuberische, parasitierende und/oder symbiotische Interaktionen statt (25). Zusätzlich werden Protozoen von Pilzkolonien "angezogen" (10). Auch hier sind wiederum räuberische und metabolische Interaktionen zu nennen (25). So haben Pilzsporen etwa die gleiche Größe wie Bakterien, die von Ciliaten aufgenommen werden, sodass auch Phagozytose und Verdauung von Zoosporen ruminaler Pilze vorausgesetzt werden sollte (10, 25).
Schließlich sind vielfältige Interaktionen zwischen Protozoen und Protozoen im Pansen vorhanden. (25) nennen zahlreiche Arten, die gegenüber anderen Ciliaten räuberisch aktiv sind. Für einige Arten werden sogar "kannibalistische Beutezüge" nachgewiesen (10, 25).
Phagozytierte Ciliaten werden verdaut und dienen, wie die ruminalen Bakterien, als Proteinquelle (10). Die vorhandene Ciliaten-Community im Pansen spiegelt somit auch eine ruminale Räuber-Beute-Beziehung wieder, das heißt eine vielgestaltige interspezifische Habitat-Konkurrenz (18).
Das Vorhandensein von Pansenprotozoen hat sowohl positive als auch negative Effekte.
Protozoen fördern den Zellwandabbau, indem einige Arten Hemicellulasen zu produzieren vermögen und damit direkt zum Zellwandkohlenhydratabbau beitragen (22). Zusätzlich stabilisieren sie den ruminalen pH-Wert dadurch, dass sie vorübergehend Stärke aufnehmen und speichern können (17, 22). Dies sichert gleichzeitig den zellwandabbauenden Bakterien kontinuierlichere Lebensbedingungen. In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass die höchste Protozoendichte bei etwa 40 bis 60 Prozent Konzentratfutteranteil in der Gesamtration beobachtet wurde (Dehority und Orpin, 1988 zit. (22)).
Gleichzeitig besitzen Pansenprotozoen eine hohe proteolytische Aktivität gegenüber dem Futterprotein und sind durch ihre Aufnahme und Verdauung von Bakterienzellen für ein umfangreiches intraruminales N-Recycling und damit eine ineffiziente N-Nutzung verantwortlich (22). Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass sich die Effizienz der N-Nutzung durch Wiederkäuer bei "künstlicher" Entfernung von Protozoen aus dem Pansen (Defaunierung) steigern lässt (22, 25). Zusätzlich begünstigen die Protozoen die Methanbildung, indem sie zum Beispiel wiederum als Wirt für Methanbildner dienen, die vor allem auf der Oberfläche von Protozoen siedeln.
(7) haben in einer Meta-Analyse die vielfältige Literatur ausgewertet, um die Effekte der Protozoen-Konzentration im Pansensaft hinsichtlich der zugehörigen Methanemission zu bewerten.
Die meisten Versuchsanstellungen ergaben eine Verringerung der Methanbildung bei abnehmenden Protozoen-Konzentrationen. Allerdings wurde auch in 21 Prozent der analysierten Experimente davon berichtet, dass eine Variation der Methanbildung nicht mit einer Veränderung der Protozoen-Dichte korrelierte. Dies sollte ein Hinweis dafür sein, dass weitere Faktoren die ruminale Methanbildung beeinflussen.
Die Meta-Analyse von (7) ergab schließlich eine hoch signifikante Beziehung zwischen der Methanemission und der Protozoen-Konzentration in folgender Form (Methanemission je kg Futter-Trockenmasseaufnahme, TM):
mit
ECH4 = Emission (in g CH4 je kg TM)
a = Konstante (a = -30,74)
b = Regressionskoeffizient (b = 8,14)
cprot = Protozoenkonzentration (in Zellen ml-1)
cr = Referenzkonzentration (cr = 1 Zelle ml-1).
Eine Reduktion der ruminalen Protozoen-Dichte dürfte im Allgemeinen mit einer Reduktion der Methanemission je Kilogramm Futter-Trockenmasseaufnahme verbunden sein. Der Anteil an Butyrat im Pansen beeinflusst diese Beziehung zusätzlich (7).
Defaunierung (selektive Abtötung der Protozoen im Pansen der Wiederkäuer) ist eine seit Langem genutzte Methodik sowohl zum Studium der Protozoentätigkeit im ruminalen Stoffwechsel als auch zur Erfassung zugehöriger Effekte auf den Wirt.
Für wissenschaftliche Zwecke wird Defaunierung am besten mit Detergentien durchgeführt, und auch für praktische Anwendungsbereiche verspricht die Weiterentwicklung von nutritiven Methoden den größten Erfolg.
Generell kann die Entfernung der Protozoen aus dem Pansen durch verschiedene Behandlungen erreicht werden (Tabelle 1). Obgleich viele verschiedene Methoden beschrieben werden, ist eine zufriedenstellende Lösung für die Praxis jedoch noch nicht gegeben (10, 13).
Tabelle 1: Bekannte Defaunationsmethoden | |
---|---|
Methodischer Ansatz | Bemerkungen/Beispiele |
physikalische Behandlung | zum Beispiel Entfernung des Panseninhalts und schrittweise Waschung |
chemische Behandlung | zum Beispiel anionische oder neutrale oberflächenaktive Stoffe (wie Dioktylnatriumsulfosukzinat (DSS) oder Poloxalene) |
pflanzliche Stoffe | zum Beispiel Saponine |
diätetische Behandlung | zum Beispiel Milchfütterung, Verabreichung von stark zinkhaltigem Futter |
Die sogenannte "partielle Defaunation" dient dazu, Vorteile einer bestimmten Protozoenpopulation für das Wirtstier zu nutzen oder eine Monokultur für biochemische und morphologische Untersuchungen heranzuzüchten. Die Etablierung spezifischer Pansenciliaten erfolgt wiederum in zwei Schritten (10):
In der Tabelle 2 sind häufig zu beobachte Effekte einer Defaunation zusammengestellt:
Tabelle 2: Effekte/Auswirkungen einer Defaunation auf ruminale Parameter* | |
---|---|
Kenngröße/Parameter | meist beobachtete Effekte (in Literatur) |
quantitatives Vorkommen von Bakterienpopulationen im Pansensaft | ↑ |
quantitatives Vorkommen von Pilzpopulationen im Pansensaft | ↑ |
Konzentration des Ammoniaks im Pansensaft | ↓ |
Konzentration an flüchtigen Fettsäuren im Pansensaft | ↓ |
Methanbildung | ↓ |
Abbau von Stärke | ↓ |
Bakterielle Proteinsynthese | ↑ |
Anmerkungen: * Eigene Zusammenstellung nach verschiedenen Literaturangaben.
Bereits (12) zeigte mit seinen früheren Defaunierungsstudien deutliche verdauungsphysiologische Verschiebungen.
Durch Defaunierung stieg die Bakterienpopulation auf die zwei- bis dreifache Zahl an, während die Bildung von Ammoniak und Methan im Mittel um etwa ein Drittel zurückging (12, 13).
Der Anteil der Buttersäure an der Gesamtsäure im Pansen verringerte sich zugunsten der Propionsäure. Waren jedoch die Tiere von Geburt an "protozoenfrei", so verändert sich der Propionsäuregehalt nur wenig (12, 13). Durch eine artifizielle Defaunierung verbesserten sich sowohl die täglichen Zunahmen wachsender Tiere als auch der N-Ansatz und die Futterverwertung; während sich bei zeitlebens isolierter Haltung genau umgekehrte Effekte ergaben.
Bei stärkereicher Fütterung wiederum scheinen die Ciliaten nicht so leicht durch Bakterien erfolgreich ersetzt werden zu können, wenngleich hier die Effekte nicht so deutlich wie beim ruminalen Proteinumsatz ausfallen (12).
Flagellaten7 sind eine weitere Gruppe einzelliger, eukaryotischer Lebewesen, die häufig geißelähnliche Zellfortsätze besitzen. Die Flagellen (Geißeln) dienen der Fortbewegung und/oder dem Herbeistrudeln von Nahrungspartikeln sowie der Verankerung an einem Substrat.
Wichtige Vertreter der Zooflagellata sind Arten der Gattung Enteromonas. Einige leben auch im Gastrointestinaltrakt von Warmblütern.
Allerdings kommt die Ordnung Hypermastigida nur bei Insekten (Termiten, Schaben) vor (8).
Wahrscheinlich sind ohnehin die allermeisten beobachteten "Flagellaten" im Pansen oder Colon/Caecum von Pflanzenfressern Zoosporen von Pilzen (Chytridien) (8). Trypanosoma8 ist eine weitere sehr bekannte Flagellaten-Gattung, da sie als Parasit auch des Menschen von hohem medizinischen Interesse ist.
Eine wichtige Lebensvoraussetzungen von Pansenflagellaten sind generell hohe ruminale pH-Werte, da Flagellaten niedrigere pH-Werte nicht überleben können (10).
Spezifische Arten (zum Beispiel Monocercomonas ruminantium oder Chilomastix caprae) werden bei Kälbern bereits sechs Tage nach der Geburt beobachtet (10).
Die Flagellaten-Konzentrationen liegen im Allgemeinen deutlich unter 105 Zellen pro Milliliter Pansenesaft. Ihre Populationsdichte ist höher bevor Ciliaten den Pansen besiedeln oder auch nach Defaunation erwachsener Wirtstiere (10).
Da Pansenflagellaten vergleichsweise nur in geringer Zahl im Pansen zu finden sind und wahrscheinlich nur lösliche Substrate verwerten können, wird ihre Bedeutung in der ruminalen Fermentation als gering eingeschätzt (10).
Einzellige Pilze sind beispielsweise in Form der Hefen gut bekannt. Sie vermehren sich hauptsächlich asexuell (zum Beispiel durch Sprossung oder Zellteilung). Bei einigen Hefen kommt auch sexuelle Fortpflanzung vor.
Pilze wirken vorrangig als Saprophyten9. Speziell beim Abbau von Zellulose oder Hemizellulose sind sie gemeinsam mit den Bakterien am ruminalen Stoffwechsel beteiligt. Die meisten Hefen sind fakultativ anaerob.
Verschiedene faserabbauende sowie laktatabbauende Bakterien reagieren auf die Anwesenheit von Hefen mit einer Erhöhung ihres Stoffwechsels und ihrer Fortpflanzungsaktivität (20, 21, 23). Die genutzten Eigenschaften sind wiederum für einzelne Saccharomyces-Stämme10 spezifisch. Ebenfalls bekannt sind Stämme mit gegenläufiger Wirkung, wie der Stimulation von Laktatbildnern.
In einer umfassenden Literaturauswertung setzten sich (20) mit den Wirkweisen von Lebendhefen im Pansenstoffwechsel und mit möglichen Effekten der Verfütterung von Lebendhefen an Milchkühe auseinander.
Spezielle Anwendungen für Hefen in der Tierernährung konzentrieren sich auf die Erzeugung natürlicher Hemicellulasen und Cellulasen zwecks Herstellung höherwertiger Proteine und einzelner Aminosäuren aus "billigen" Nebenprodukten wie Reisschalen oder solchen aus der Alkoholindustrie.
Lebendhefen werden als probiotischer Futterzusatzstoff in der Tierernährung eingesetzt.
Ihnen werden im Pansenstoffwechsel folgende mögliche Wirkungen zugeschrieben (6):
Positive Effekte des Einsatzes von Lebendhefen in Fütterungsversuchen wurden häufig beschrieben, aber nicht in allen Versuchsanstellungen immer erreicht (1, 6, 21).
Diese variierenden Versuchsergebnisse belegen, dass vor allem die oben genannte steigende Futteraufnahme von vielfältigen weiteren Faktoren (wie zum Beispiel der Futtermittelauswahl, der Rationszusammensetzung, den Nährstoffgehalten oder dem Pansenmilieu) abhängig ist.
Zu beachten bleibt zusätzlich, dass der Einsatz von Lebendhefen nicht dazu dienen kann, gravierende Fütterungs- und Managementfehler zu korrigieren oder zu eliminieren. Er sollte als eine mögliche Ergänzung "guter fachlicher Fütterungspraxis" verstanden werden (6).
Interessant ist auch, dass durch zusätzliche Verwendung von anaeroben Pansenpilzen pflanzliches Ausgangsmaterial der Biogaserzeugung künftig besser aufgeschlossen werden soll. Da solche Substanzen wie Lignocellulose, der Hauptbestandteil verholzter Pflanzenteile, für Mikroorganismen besonders schwer abbaubar ist, wird aktuell der Einsatz von anaeroben Pansenpilzen in der Biogasproduktion geprüft.
Anaerobe Pilze aus dem Pansen von Wiederkäuern sind in der Lage, Lignocellulose mechanisch und enzymatisch zu zersetzen. Die daraus entstehenden Abbauprodukte sind ein geeigneteres Ausgangsmaterial für Bakterien und Archaeen, die dann die folgenden weiteren Schritte der Biogaserzeugung effizienter gestalten sollen (14).
Ruminale eukaryotische Einzeller sind vor allem Wimpertierchen unterschiedlichster Arten. Man kann sie ganz einfach in große, mittlere und kleine Protozoen einteilen.
Die Anzahl und die Verhältnisänderungen der Protozoen werden von der Fütterung beeinflusst und sind Host-spezifisch. Bei Pansenfermentationsstörungen verschwinden zunächst die großen, dann die mittleren und zuletzt die kleinen Protozoen. Mittels einer Sonde kann man eine Pansensaftprobe nehmen und diese mikroskopisch beurteilen und die Pansengesundheit überprüfen.
Das Vorhandensein von Pansenprotozoen hat Vor- und Nachteile. Bereits Newbold und Jouany (1997 – zit. (22)) berichteten über Unterschiede zwischen verschiedenen Protozoenarten bezüglich ihrer Fähigkeit, die Zahl an Listerien11 in der Pansenflüssigkeit zu reduzieren.
Eine protozoenfreie Aufzucht von Geburt scheint deshalb nicht notwendigerweise immer vorteilhaft zu sein.
Protozoen und auch Pilze fördern generell die Futterverdaulichkeit, insbesondere die der schwer verdaulichen Zellwandbestandteile. Gleichzeitig stabilisieren sie die Fermentation und somit auch den pH-Wert im Pansen (10, 13).
Protozoen sind auch am Stickstoffwechsel im Pansen beteiligt. Infolge ihrer proteolytischen Fähigkeiten sind sie einerseits am Abbau der Futterproteine beteiligt, andererseits führt ihre Phagozytose zusätzlich zum Umbau bakterieller Proteine (12).
Das Interesse an einer Defaunierung, das heißt einem selektiven Abtöten ruminaler Protozoen, gewinnt aktuell als mögliche Minderungsstrategie der Methanbildung (wieder) zunehmende Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Forschung mit Wiederkäuern. Für wissenschaftliche Zwecke wird aktuell eine Defaunierung am besten mit Detergentien durchgeführt (10, 12). Ihre praktische Anwendung ist zurzeit jedoch noch längst nicht gegeben.
Schließlich wird das ruminale Mikrobiom als eine Quelle für eine effektivere Biogas- oder Biokraftstofferzeugung angesehen (9).
Das ruminale Mikrobiom des Rindes (Wiederkäuer) enthält – aus der Sicht der industriellen Biokraftstofferzeugung – eine Fülle von "Werkzeugen", die künftig eine wesentlich effektivere Biogas- oder Biokraftstofferzeugung aus cellulosehaltiger Biomasse (Pflanzenresten) ermöglichen könnte.
Es darf erwartet werden, dass die ruminale Mikrobiomforschung, zusätzlich unterstützt durch das Interesse der Biogas- oder Biokraftstofferzeuger, wohl noch viel Neues parat hält.
Der Pansen ist eine prägastrische Fermentationskammer und ein sehr komplexes mikrobielles Ökosystem. Er entstand in einer bereits viele Millionen Jahre umfassenden Koevolution der Wiederkäuer mit zahlreichen Mikroorganismen.
Der Erfolg dieser Koevolution hat längst auch die Aufmerksamkeit von Biotechnologen geweckt. Die ruminale Mikrobiomforschung ist deshalb auch nicht mehr auf spezielle Ziele der Tierernährungsforschung beschränkt, sondern zunehmender Bestandteil der gesamten Agrarforschung einschließlich der Bioenergiegewinnung.
Im Pansen koexistieren eine Vielzahl und Vielfalt von Mikroorganismen, die an die dort herrschenden anoxischen Bedingungen gut angepasst sind, ebenso an das Redoxpotential von etwa - 300 bis - 400 mV, an einen pH-Wert von etwa 6,3 bis 6,5 und an eine konstante Temperatur von rund 39° C.
Die Symbiose zwischen Wiederkäuer (Wirt) und seinem Mikrobiom ist von gegenseitigem Vorteil. Der Wirt liefert beispielsweise Nährstoffe (Cellulose und andere pflanzliche Polysaccharide) und sichert optimale Lebensbedingungen für sein ruminales Mikrobiom.
Die Mikroorganismen schließen für den Wirt unverdauliche Nährstoffe auf und liefern ihm darüber hinaus Proteine oder Aminosäuren sowie lebenswichtige Vitamine.
An der Pansensymbiose sind eine außerordentlich hohe Anzahl von Bakterien, eukaryotische Einzeller und weitere Community-Mitglieder beteiligt.
Die Zahl der Protozoen, hauptsächlich Ciliaten, beträgt rund eine halbe Million pro Milliliter Pansensaft. Sie leben von Bakterien, können aber auch Cellulose oder Stärke vergären. Im Gegensatz zu den Bakterien sind sie für den Wirt nicht lebensnotwendig. Flagellaten (Geißeltierchen) sind eine weitere Gruppe einzelliger, eukaryotischer Lebewesen im Pansen.
Die Methanogenese als energieverbrauchender Prozess läuft bei faunierten Tieren verstärkt ab. Eine Reduktion der ruminalen Protozoen-Dichte (Defaunation) ist im Allgemeinen mit einer Reduktion der Methanemission je Kilogramm Futter-Trockenmasseaufnahme verbunden.
Zusätzlich sind Hefen und andere anaerobe Pilze in geringerer Dichte im Pansen vorhanden. Sie sind gleichfalls am Abbau von Hemicellulosen oder weiterer Polymere oder an der Umsetzung von Lignin beteiligt.
Das Verständnis der symbiotischen Beziehungen innerhalb des ruminalen Mikrobioms sowie zwischen Wirt und seinem ruminalen Mikrobiom ist ein wichtiger Schlüssel, um die Milch- und Rindfleischerzeugung immer umweltgerechter zu gestalten und gleichzeitig auch wichtige Rückschlüsse auf die künftige Biogasproduktion zu erhalten.
The ruminal microbiome of cattle
Part 3: Eukaryotic unicellular organisms – additional organisms of the ruminal microbiome
The rumen is a pre-gastric fermentation chamber and a very complex microbial ecosystem. It was formed over many millions of years as the result of the co-evolution of ruminants with numerous microorganisms.
The success of this co-evolution has long aroused the attention of biotechnologists. For this reason, ruminal microbiota research is not limited to the specific objectives of animal nutrition research, but is increasingly part of total agricultural research, including bioenergy production.
A very high variety and diversity of microorganisms coexist in the rumen. They are well adapted to the prevailing anoxic conditions and to the redox potential of about - 300 to - 400 mV, a pH of about 6.3 to 6.5 and a constant temperature of about 39° C.
The symbiosis between ruminants (hosts) and their microbiome is of mutual benefit. The host provides, for example, nutrients (cellulose and other plant polysaccharides) and ensures optimal living conditions for its ruminal microbiome. For the host, the microorganisms digest specific nutrients and provide proteins, amino acids, and essential vitamins.
An extraordinarily high number of bacteria, unicellular eukaryotic protists and other community members are involved in this symbiosis in the rumen.
The number of protozoa, mainly ciliates, is about 0.5 million per milliliter of rumen fluid. They live on bacteria, but can also ferment cellulose or starch. In contrast to bacteria, they are not vital to the host. Flagellates are another group of unicellular eukaryotic organisms in the rumen.
Methanogenesis (as an energy-consuming process) is reinforced in faunated animals. A reduction in ruminal protozoan density (defaunation) is generally associated with a reduction in methane emissions per kilogram of feed dry matter intake.
In addition, yeasts and other anaerobic fungi are present in lower density in the rumen. They are also involved in the degradation of hemicelluloses and other polymers or in the biological conversion of lignin.
The understanding of the symbiotic relationships within the ruminal microbiome and between host and his ruminal microbiome is an important key to make milk and beef production more environmentally-friendly, while drawing also important conclusions about future biogas production.
Le microbiome ruminal des bovins
3e partie : les eucaryotes unicellulaires – autres composants du microbiome ruminal
Le rumen constitue une chambre de fermentation pré-gastrique et un écosystème microbien très complexe. Il a réalisé une coévolution des ruminants avec de nombreux microorganismes qui s’est étendue sur de nombreux millions d’années.
Le succès de cette coévolution a éveillé depuis longtemps l’attention des biotechnologistes. La recherche portant sur le microbiome ruminal n’est donc plus limitée aux objectifs spécifiques de la nutrition de l’animal, elle constitue une part croissante de toute la recherche agricole incluant la production de bioénergie.
Une très grande variété et une forte diversité de microorganismes coexistent dans le rumen et se sont bien adaptés aux conditions d’anoxie qui y règnent, de même qu’au potentiel Redox d’environ - 300 à - 400 mV, à un pH d’environ 6,3 à 6,5 et à une température constante d’enviton 39° C.
La symbiose entre le ruminant (hôte) et son microbiome offre des avantages réciproques. L’hôte fournit par exemple les nutriments (la cellulose et d’autres polysaccharides végétaux) et assure des conditions de vie optimales pour son microbiome ruminal. Les microorganismes digèrent les nutriments indigestes pour l’hôte et lui fournissent en outre les protéïnes ou les acides aminés ainsi que les vitamines essentielles.
Un nombre extrêmement élevé de bactéries unicellulaires eucaryotiques et d’autres membres de la communauté participent à la symbiose ruminale.
Le nombre des protozoaires, essentiellement des ciliés, s‘élève à environ 0,5 millions par millilitre de liquide ruminal. Ils vivent de bactéries mais ils peuvent aussi provoquer la fermentation de la cellulose ou de l’amidon. Ils ne sont pas vitaux pour l’hôte contrairement aux bactéries. Les flagellés (protozoaires ciliés) représentent un autre groupe unicellulaire, eucaryotique composé d’organismes vivants dans le rumen.
La méthanogenèse en tant que processus consommateur d‘énergie est renforcée pour les animaux faunés. Une réduction de la densité protozoaire ruminale (défaunation) est généralement liée à une réduction des émissions de méthane par kilogramme de masse sèche de fourrages ingérée.
De plus, des levures et autres champignons anaérobies sont présents dans le rumen en plus faible densité. Ils participent de même à la dégradation d’hémicelluloses ou à celle d’autres polymères, voire encore à la conversion de la lignine.
La compréhension des relations symbiotiques dans le microbiome ruminal, ainsi qu’entre l’hôte et son microbiome ruminal est une clé importante pour rendre la production de lait et de bœuf plus favorable à l’environnement et en même temps pour recueillir des conclusions importantes sur la production future de biogaz.
1) Der Begriff "Protozoa" ist heute in vielen zoologischen Klassifizierungsschemata kein systematisches Taxon mehr, da ihre Einteilung hauptsächlich auf verschiedenen phänotypischen Merkmalen (Habitus) beruhte und nicht aufgrund tatsächlicher Verwandtschaftsbeziehungen (8).
2) Heterotrophe nutzen organische Stoffe sowohl als Energiequellen als auch zum Aufbau körpereigener Bestandteile.
3) zum Beispiel nach äußerer Gestalt und Bewimperung, nach Stellung der Cilien, nach Körpergröße,
durch Anwendung von Isolierungsmethoden (in Form von einfachen Filtrations-, Sedimentations- oder Zentrifugationstechniken) (10).
4) Spezifische Abschnitte der ribosomalen RNA.
5) Namensgebendes Merkmal sind hier unterschiedlich ausgestaltete flache Vakuolen unter der Zellmembran (Pellicula), sogenannte Alveolen.
6) Kommt es bei sehr intensiver Stärkeverfütterung zur schnellen Absenkung des pH-Wert im Pansen, sterben die Protozoen ab (10).
7) Flagellata (Geißeltierchen) sind Protozoen, die mit einer Länge von vier bis 15 μm vergleichsweise klein sind (10).
8) Alle Trypanosomen leben parasitär und machen einen Wirtswechsel zwischen einem wirbellosen Vektor und einem Wirbeltierwirt durch.
9) Saprobionte Mikroorganismen leben als Symbionten im Verdauungstrakt von Rindern. Dort zersetzen sie organische Stoffe, die durch die Enzyme des Wirtstieres nicht zerlegt werden können.
10) Gattung in der Abteilung der Schlauchpilze. Ihre weitere taxonomische Zuordnung: Saccharomyces, Hefen (Gattung), Familie Saccharomycetaceae, Ordnung Saccharomycetales (Echte Hefen), Klasse Saccharomycetes (8).
11) Die häufigsten Infektionsquellen für Rinder sind unzureichend vergorene oder verschmutzte Silagen oder auch verdorbenes Heu.
Prof. Dr. habil. Wilfried Brade
TiHo Hannover
zurzeit: Leibniz-Institut (FBN) für Nutztierbiologie Dummerstorf
Wilhelm-Stahl-Allee 2
18196 Dummerstorf
Email: brade@fbn-dummerstorf.de
Prof. Dr. habil. Ottmar Distl
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung
Bünteweg 17p
30559 Hannover
Email: ottmar.distl@tiho-hannover.de