Von Heinke Heise, Wiebke Pirsich und Ludwig Theuvsen
Das Thema Tierwohl (Animal Welfare) hat in jüngerer Vergangenheit sowohl an medialer und gesellschaftlicher als auch an politischer Relevanz gewonnen (11; 20; 41; 51). Es zählt damit zu den Themengebieten, in denen die moderne Agrar- und Ernährungswirtschaft gesellschaftliche Konfliktlinien berührt (49). Die Bevölkerung in westlichen Industrieländern hinterfragt die landwirtschaftliche Nutztierhaltung zunehmend kritisch und rückt mehr und mehr von einer anthropozentrischen Betrachtung des Themas Tierwohl ab (5; 65). Verschiedene Marktforschungsstudien zeigen, dass ein beachtliches Absatzpotential für Produkte aus artgerechterer Haltung besteht. Trotzdem haben, abgesehen von wenigen Ausnahmen, Tierwohl-Labels im europäischen Fleischmarkt bislang keine große Bedeutung erlangt; in Deutschland ist der Marktanteil dieser Produkte marginal (weniger als ein Prozent) (26; 37; 38; 39; 59).
Erklärungen für den begrenzten Markterfolg werden meist auf der Nachfragerseite gesucht. Unter anderem wird auf die Kostenwirkungen verbesserter Tierwohlstandards, die zu einem erheblichen Preisabstand zu Standardware führen, hingewiesen (18). Zudem fehlt es an transparenten und aussagekräftigen Informationen zur tiergerechten Erzeugung eines bestimmten Produktes, sodass die bestehenden Bedenken der Verbraucher bislang nicht in entsprechendes Kaufverhalten umgesetzt werden (9; 44; 52).
Um das Potential von Fleisch aus tiergerechterer Produktion besser als bislang ausschöpfen zu können und eine erfolgreiche Platzierung am Point of Sale zu erreichen, muss eine entsprechende Positionierung im Markt erfolgen. Fleisch aus tiergerechterer Produktion könnte preislich zwischen Standardware und Biofleisch angesiedelt werden, da insbesondere auf die Verwendung von deutlich teureren Bio-Futtermitteln verzichtet werden kann. Zudem führen nicht alle Tierschutzmaßnahmen zu Mehrkosten (26). Ein Tierwohlsegment mit nennenswerten Marktanteilen, das die Realisierung von Größenvorteilen und eine gute Verwertung der Kuppelprodukte ermöglicht, könnte daher zu moderat höheren Preisen als Standardware im Markt positioniert werden (63). So lassen sich im Fleischmarkt auch solche Kunden ansprechen, für die der Preis von Bioprodukten eine zu hohe Hürde für den Produktkauf darstellt (26).
Tierwohl-Labels stellen einen Weg dar, um ein Marktsegment für Produkte mit höheren Tierwohlstandards zu etablieren. Sie können Konsumenten als Qualitätssignal und Orientierungshilfe beim Einkauf dienen und darüber hinaus die für die Umsetzung höherer Tierwohlstandards erforderliche Mehrzahlungsbereitschaft mobilisieren (39). Wichtig ist, dass entsprechende Labels den Erwartungen kritischer Verbraucher an die Verbesserung der Tierwohlstandards in der Nutztierhaltung gerecht werden.
Es gibt bereits erste Studien, die die Standards europäischer Tierwohl-Labels vergleichend gegenüberstellen, eine objektive Bewertung mit entsprechenden Ergebnissen wurde in diesen Untersuchungen aber nicht vorgenommen (13; 58; 64). Zudem fehlen einige europäische Tierwohl-Labels in diesen Betrachtungen, da sie teilweise erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind. Für die ausgewählten Labels dieser Untersuchung ist daher größtenteils noch nicht vertiefend analysiert worden, inwieweit sie einen Beitrag zur Verbesserung der Standards in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung leisten. Diese Studie soll dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schließen. Zu diesem Zweck werden ein Kriterienkatalog sowie ein Bewertungsschema entwickelt, um die ausgewählten Zertifizierungssysteme mit Tierwohlbezug hinsichtlich ihrer Tierwohlstandards vergleichen und bewerten zu können. Durch eine entsprechende Bewertung sollen Orientierungsmöglichkeiten für Verbraucher im Markt geschaffen und eine Verbesserung der Prozessqualität von Lebensmitteln tierischen Ursprungs unterstützt werden.
Um Fleisch aus tiergerechterer Produktion am Markt anbieten zu können, müssen Kriterien zur Bewertung des Tierwohls entwickelt werden. In der wissenschaftlichen Forschung hat sich eine umfassende, integrative Herangehensweise herausgebildet, die sich auf vier Schwerpunkte zur Beurteilung des Wohlbefindens landwirtschaftlicher Nutztiere stützt: Haltungssystem, Tierverhalten, Tiergesundheit und Managementpraxis. Haltungssystem und Managementpraxis sind indirekte Merkmale und lassen sich durch den Produzenten verändern; sie beeinflussen das Tierverhalten und die Tiergesundheit, welche das Wohlbefinden der Tiere unmittelbar widerspiegeln (direkte Merkmale) (6; 9; 19; 26; 40). Dieser ganzheitliche Bewertungsrahmen nennt sich auch "Welfare Quality"-Ansatz, da er maßgeblich von Wissenschaftlern des europäischen "Welfare Quality"-Projektes erarbeitet wurde (15, 51). Abbildung 1 zeigt das Zusammenwirken der vier Kriterien.
Abbildung 1: Kategorien zur Bewertung von Tierwohl.
Quelle: Eigene Erstellung nach (26).
Die zentralen Tierschutzprobleme im Bereich des Haltungssystems liegen beispielsweise in der Schweinehaltung derzeit unter anderem bei der Besatzdichte, dem Platzbedarf sowie der baulich technischen Ausrüstung des Stalls (zum Beispiel Raumgestaltung, Verwendung ungeeigneter Bodenbeläge). Defizite im Haltungssystem wirken sich unter anderem auf das Tierverhalten aus. So neigen Schweine, die ihrem ausgeprägten Spiel- und Wühltrieb nicht nachkommen können, häufig zu aggressivem Verhalten gegenüber Artgenossen (zum Beispiel in Form von Schwanzbeißen). Auch die Tiergesundheit kann leiden (zum Beispiel Kannibalismus, Klauenverletzungen, verdickte Gelenke). Aus dem Bereich des Managements wiederum gelten namentlich die Tierbeobachtung, die Inspektion der Bestände, der Umgang mit den Tieren, Maßnahmen zur Hygiene und Krankheitsprävention sowie kurze Transportzeiten als bedeutend für die Aufrechterhaltung des Wohlergehens der Schweine. Praxisübliche Eingriffe am Tier wie zum Beispiel das Schleifen der Eckzähne, das Kürzen der Schwänze oder die betäubungslose Kastration sind für die Tiere mit Schmerzen verbunden und als kritisch zu betrachten (11; 26).
Labels mit Tierwohl-Bezug können als Qualitätssignal dienen, um Verbraucher über die Ausprägung einer wichtigen Prozessqualität, der Tiergerechtheit, zu informieren (46). Der Begriff Label steht für alle Wort- oder Bildzeichen, die auf einem Produkt oder einer Verpackung platziert sind, um produkt- oder prozessbezogene Eigenschaften durch Schlüsselinformationen zu vermitteln (2; 54). Durch Label können Informationsasymmetrien reduziert werden.
Die meisten gelabelten Produkte werden aufgrund der höheren Produktionskosten im Premiumsegment verkauft (21; 22; 45). Das Labelling ist daher ein häufig gewähltes Instrument des überbetrieblichen Marketings, welches Unternehmen die Möglichkeit der Marktsegmentierung bietet (39).
Für den Verbraucher können Labels eine Entscheidungshilfe beim Einkauf sein, denn Vertrauenseigenschaften eines Produktes werden mit Hilfe eines Labels in Sucheigenschaften umgewandelt (11; 43). Da ein Label an sich aber ebenfalls ein Vertrauensprodukt darstellt, wird häufig versucht, seine Glaubwürdigkeit durch externe und unabhängige Kontrollen zu erhöhen (55). Label, die Vertrauenseigenschaften von Lebensmitteln signalisieren, werden daher oftmals auf der Grundlage von Zertifizierungssystemen, vielfach unter Einbeziehung einer glaubwürdigen Drittinstitution (zum Beispiel Staat, Tierschutzorganisation), verliehen. Auch kann die Trägerschaft eines Labels einer in den Augen kritischer Verbraucher glaubwürdigen Institution übertragen werden, wie dies beispielsweise bei dem Tierwohl-Label des Deutschen Tierschutzbundes geschehen ist (62).
Ein Zertifizierungssystem kann Tierwohl in unterschiedlicher Weise berücksichtigen:
In den vergangenen Jahren sind in Europa von unterschiedlichen Institutionen einige Labels mit Tierwohlbezug entwickelt worden. Zum einen sind dies öffentliche Labels, bei denen zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als Standardgeber fungieren; alle Produzenten, die nach den jeweiligen Richtlinien produzieren können sich zertifizieren lassen und das Label verwenden. Zum anderen gibt es private Labels von Unternehmen, die nur deren Vertragspartnern zur Verfügung stehen. Für diese Studie wurden insgesamt vier Tierwohl-Labels mit eigenen Produktionsrichtlinien ausgewählt, es handelt sich hierbei um drei öffentliche und ein privates Label. Allen Labels ist gemein, dass ihre Richtlinien jeweils maßgeblich von Tierschutzorganisationen im jeweiligen Land mitentwickelt wurden. Nachfolgend werden die ausgewählten Labels näher beschrieben.
Das britische Label "Freedom Food" wurde im Jahr 1994 auf Initiative der "Society for Prevention of Cruelty to Animals" (RSPCA) gegründet und kennzeichnet seitdem Produkte, die nach RSPCA Farm Animal Welfare Standards zertifiziert sind. Diese Standards wurden unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse von einem Team aus Wissenschaftlern, Veterinären und Industrievertretern entwickelt. Zudem arbeitet Freedom Food mit Akteuren jeder Wertschöpfungsstufe der Fleischerzeugung zusammen. Es wurden Richtlinien für Fleischrinder, Milchkühe, Masthühner, Legehennen, Puten, Enten, Schweine, Schafe und Lachs entwickelt. Heute werden in Großbritannien unter anderem rund 28 Prozent aller Schweine entsprechend den Standards dieser Richtlinien erzeugt (26; 42; 57).
Die niederländische Tierschutzorganisation De Dierenbescherming vergibt seit dem Jahr 2007 das Label "Beter Leven". Dabei handelt es sich um ein dreistufiges Label-System. Die Ein- und Zwei-Sterne-Auszeichnungen erhalten Produkte aus konventioneller Erzeugung, bei der entsprechend höhere Tierwohlstandards beachtet werden. Mit drei Sternen werden biologisch erzeugte Produkte ausgezeichnet. Mittlerweile gibt es Richtlinien für die Haltung von Mastgeflügel, Schweinen, Rindern und die Produktion von Eiern. Insgesamt bieten 13 der 16 größten niederländischen Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen das Beter Leven-Fleisch an (8; 26; 47).
Das Tierwohl-Label "Für mehr Tierschutz" wird seit dem Jahr 2009 vom Deutschen Tierschutzbund in Zusammenarbeit mit Vertretern aus Wissenschaft, Landwirtschaft, Verarbeitung und Einzelhandel entwickelt; im Jahr 2012 wurde es für Schweine und Masthähnchen im Markt eingeführt. Es umfasst eine Einstiegs- und eine Premiumstufe, denen jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Tierhaltung, den Tiertransport und die Schlachtung zugrunde liegen (29).
Das Einzelhandelsunternehmen Coop gründete in der Schweiz im Jahr 2007 das private Label "Naturafarm". Der Grundstein der Naturafarm-Tierhaltungsprogramme wurde allerdings bereits in den 1980er Jahren gelegt, damals noch unter dem Namen "Naturaplan". Das Label kennzeichnet Fleisch und Eier aus tierfreundlicher, konventioneller Auslauf- und Freilandhaltung. Die Kriterien der einzelnen Tierhaltungsprogramme sind in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Tierschutz (STS) ausgearbeitet worden. Diese Richtlinien bestehen derzeit für die Erzeugung von Rind-, Kalb-, Schweine- und Hühnerfleisch sowie die Produktion von Eiern. Nach Angaben von Coop wird ein Drittel des gesamten Fleischumsatzes von Coop mit Naturafarm-zertifizierten Produkten erzielt (25; 26).
Die Kriterien der genannten Tierwohl-Labels sind zum Teil bereits Gegenstand wissenschaftlicher Beschreibungen gewesen (13; 26; 39; 58; 64). Es gibt aber bislang keine Studie, die vertiefend analysiert, inwieweit die hier ausgewählten Labels einen Beitrag zur Verbesserung der Standards in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung leisten und dies durch eine kriterienbasierte Evaluation zum Ausdruck bringt.
Vor diesem Hintergrund nimmt die vorliegende Studie anhand eines einschlägigen Kriterienkatalogs eine vergleichende Betrachtung mit anschließender Bewertung der Labels "Freedom Food" (Großbritannien), "Coop Naturafarm" (Schweiz), "Beter Leven *" und "Beter Leven **" (Niederlande) sowie "Für mehr Tierschutz – Einstiegsstufe *" und "Für mehr Tierschutz – Premiumstufe **" (Deutschland) vor. Dies geschieht am Beispiel der Schweineproduktion. Auf diesem Wege wird ein Beitrag zur Weiterentwicklung existierender Ansätze und damit zur Verbesserung der Verbraucherorientierung und Prozessqualität in der Fleischwirtschaft geleistet. Dem Verbraucher kann diese objektive Bewertung der ausgewählten Labels als Entscheidungshilfe beim Produktkauf dienen.
Der Entwicklung des Kriterienkataloges ging eine umfassende Analyse aktueller Literatur zum Tierwohl in der Nutztierhaltung voraus. Die Erkenntnisse dieser Recherche führten zur Auswahl der vier bereits beschriebenen Labels einschließlich ihrer verschiedenen Varianten (zum Beispiel Einstiegs-/Premiumstufe). Die detaillierten Anforderungen, die die Labels an die Haltung von Schweinen stellen, konnten zum Teil über die Homepages der Labels heruntergeladen werden oder wurden auf schriftliche Anfrage zugesandt. Um die jeweiligen Standards der Labels möglichst objektiv bewerten zu können, wurde die Gesetzgebung der Europäischen Union als Grundlage gewählt. Insbesondere die Richtlinien 98/58/EG (über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere) und 2008/120/EG (über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen) sowie die Verordnungen (EG) Nr. 1/2005 (über den Schutz von Tieren beim Transport) und (EG) Nr. 1099/2009 (über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung) waren als Bewertungsgrundlage geeignet (31; 32; 34; 35). Zunächst wurden im Zuge der Entwicklung eines Kriterienkatalogs aus den EU-Richtlinien und -Verordnungen alle Kriterien mit Tierwohlbezug ausgewählt. Die entsprechenden Standards der Labels für diese Kriterien wurden sodann den EU-Vorgaben vergleichend gegenübergestellt. Waren für bestimmte Kriterien keine eigenen Standards durch die Labels definiert, so wurden die im jeweiligen Land geltenden Standards übernommen. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Anforderungen der nationalen Gesetzgebung in den jeweiligen Ländern zum Teil deutlich über die EU-Mindestanforderungen hinausgehen (58). Wurden durch die Labels eigene Kriterien definiert, die nicht in den EU-Vorgaben enthalten waren, aber geeignet erschienen, das Tierwohl maßgeblich zu verbessern, wurden auch diese Kriterien in den Katalog übernommen. Um die Kriterienauswahl übersichtlicher zu gestalten, wurden einige Kriterien des gleichen Bereichs zum Teil zu einem neuen Kriterium zusammengefasst. Auf diese Weise konnte zusätzlich sichergestellt werden, dass eher weniger bedeutsame Kriterien keine zu große Bedeutung in der Bewertung bekamen.
Insgesamt konnten so 38 Kriterien zur Bewertung des Tierwohls ausgewählt werden. Für eine übersichtliche Darstellung wurden die Kriterien den unterschiedlichen Produktionsabschnitten der Schweineerzeugung zugeordnet. Auf den Produktionsabschnitt "Allgemeine Anforderungen" (kurz: Allgemein) entfielen zwölf, auf den Produktionsabschnitt "Zucht und Ferkelerzeugung" (Zucht) elf und auf den Abschnitt "Aufzucht und Mast" (Mast) neun Kriterien. Der Tiertransport und die Schlachtung wurden zu einem Abschnitt "Transport und Schlachtung" (Schlachtung) zusammengefasst, der sechs der Kriterien umfasst. Des Weiteren wurden die Kriterien zur Bewertung des Tierwohls den Kategorien Haltungssystem (Haltung) und Managementpraxis (Management), die indirekt auf das Tierwohl Einfluss nehmen, zugeordnet. Die Bewertung des Tierwohls anhand direkter Merkmale ist zurzeit noch problembehaftet, sodass darauf in dieser Studie verzichtet wurde (10; 30).
Die Evaluation der betrachteten Tierwohl-Labels erfolgte kriterienweise anhand einer dreistufigen Skala. Standards, die keine Verbesserung gegenüber dem EU-Standard erkennen ließen, erhielten null Punkte. Eine geringfügige Verbesserung des Standards gegenüber der EU-Gesetzgebung wurde mit einem Punkt, eine deutliche Verbesserung mit zwei Punkten bewertet. Die Punktevergabe erfolgte auf der Grundlage der Expertenurteile der an der Studie beteiligten Forscher. Die Qualifizierung einer Person als Experte ist möglich, wenn berechtigterweise angenommen werden kann, dass sie über Spezialwissen zu dem untersuchten Sachverhalt verfügt (1).
Um zu einer Gesamtbewertung des jeweiligen Labels zu kommen, wurden alle erreichten Punkte zu einer Gesamtsumme addiert. Die Gesamtpunktzahl Null würde folglich bedeuten, dass das entsprechende Label in keinem Kriterium eine Verbesserung gegenüber dem EU-Standard erkennen ließe. Demgegenüber bedeutet eine Gesamtpunktzahl von 76 Punkten, dass bei jedem der 38 Kriterien eine deutliche Verbesserung gegenüber dem EU-Standard durchgesetzt werden konnte. Die Labels wurden sowohl insgesamt als auch getrennt nach den Kategorien Haltung und Management bewertet. Um eine Aussage über die Tierwohlstandards in den einzelnen Produktionsabschnitten treffen zu können, wurden Teilsummen der vergebenen Punkte für die unterschiedlichen Abschnitte gebildet. Alle Punktzahlen wurden zusätzlich als relativer Anteil an der maximal zu erreichenden Punktzahl (Bewertung in Prozent) angegeben, um eine bessere Vergleichbarkeit der Bewertung zwischen den Labels zu schaffen.
Um eine möglichst übersichtliche Darstellung zu gewährleisten, werden zunächst auf Grundlage des erstellten Kriterienkatalogs die Anforderungen der verschiedenen Labels in den Produktionsabschnitten Allgemein, Zucht, Mast und Schlachtung abgebildet und die Labels bewertet (Tabellen 1 bis 4).
Tabelle 1: Kriterien des Produktionsabschnittes Allgemein und Bewertung der Labels | ||||||
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Label | RSPCA Freedom Food | Coop Naturafarm | Dierenbescherming Beter Leven * | Dierenbescherming Beter Leven ** | Tierschutzbund Einstiegsstufe * | Tierschutzbund Premiumstufe ** |
Kriterien H = Haltung M = Management | ||||||
Qualifikation & Schulung des Personals (M) | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 |
Bestandsinspektion & Dokumentation (M) | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 0 |
Fütterungs-/ Tränkeeinrichtungen (H) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Futtermittelqualität (M) | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 |
Wasserqualität (M) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Maßnahmen zur Krankheitsprävention (M) | 1 | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 |
Kontrolle des Gebrauchs von Antibiotika (M) | 0 | 0 | 2 | 2 | 1 | 1 |
Kontrolle der Sterblichkeitsraten (M) | 0 | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Beleuchtung (H) | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Klima & Lüftungstechnik (H) | 1 | 1 | 0 | 0 | 1 | 1 |
Lärm (H) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
externe Kontrollen (M) | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 0 |
Quelle: Eigene Erstellung und Bewertung nach (7; 8; 24; 27; 28; 31; 34; 42; 56).
Tabelle 2: Kriterien des Produktionsabschnitts Zucht und Bewertung der Labels | ||||||
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Label | RSPCA Freedom Food | Coop Naturafarm | Dierenbescherming Beter Leven * | Dierenbescherming Beter Leven ** | Tierschutzbund Einstiegsstufe * | Tierschutzbund Premiumstufe ** |
Kriterien H = Haltung M = Management | ||||||
Zucht (M) | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
Rohfaserversorgung tragender Sauen (H) | 1 | 1 | 0 | 2 | 1 | 1 |
Platzangebot je Sauengruppe (H) | 2 | 2 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Gestaltung der Liegefläche der Sauengruppe (H) | 2 | 2 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Größe und Gestaltung der Abferkelbucht (H) | 2 | 2 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Fixierung der Sau (H) | 1 | 1 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Nestbaumaterial vor dem Abferkeln (H) | 2 | 1 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Säugezeit (M) | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Kastrieren (M) | 2 | 0 | 2 | 1 | 1 | 1 |
Kupieren der Schwänze (M) | 1 | 2 | 0 | 2 | 2 | 2 |
Kürzen der Zähne (M) | 0 | 1 | 1 | 1 | 0 | 0 |
Quelle: Eigene Erstellung und Bewertung nach (7; 8; 24; 27; 28; 31; 34; 42; 56).
Tabelle 3: Kriterien des Produktionsabschnitts Mast und Bewertung der Labels | ||||||
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Label | RSPCA Freedom Food | Coop Naturafarm | Dierenbescherming Beter Leven * | Dierenbescherming Beter Leven ** | Tierschutzbund Einstiegsstufe * | Tierschutzbund Premiumstufe ** |
Kriterien H = Haltung M = Management | ||||||
Tier-Fressplatz-Verhältnis (H) | 1 | 1 | 1 | 1 | 2 | 2 |
Tier-Tränke-Verhältnis (H) | 1 | 1 | 0 | 1 | 1 | 1 |
Begrenzung der täglichen Zunahme (M) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Platzangebot je Schwein (H) | 0 | 2 | 1 | 2 | 1 | 2 |
Trennung der Funktionsbereiche (H) | 0 | 1 | 0 | 1 | 2 | 2 |
Größe und Gestaltung der Liegefläche (H) | 2 | 2 | 0 | 2 | 1 | 2 |
Auslauf im Freien (H) | 0 | 2 | 0 | 2 | 0 | 1 |
Gruppierung und Gruppengröße (M) | 0 | 0 | 1 | 2 | 0 | 0 |
Beschäftigungsmaterial (H) | 2 | 2 | 0 | 2 | 1 | 2 |
Quelle: Eigene Erstellung und Bewertung nach (7; 8; 24; 27; 28; 31; 34; 42; 56).
Tabelle 4: Kriterien des Produktionsabschnitts Schlachtung und Bewertung der Labels | ||||||
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Label | RSPCA Freedom Food | Coop Naturafarm | Dierenbescherming Beter Leven * | Dierenbescherming Beter Leven ** | Tierschutzbund Einstiegsstufe * | Tierschutzbund Premiumstufe ** |
Kriterien H = Haltung M = Management | ||||||
Einsatz von elektrischen Treibhilfen (M) | 2 | 0 | 2 | 2 | 2 | 2 |
Einstreu beim Transport (M) | 2 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 |
Transportzeit (M) | 0 | 1 | 0 | 1 | 2 | 2 |
Auswertung und Nutzung der Schlachtbefunde (M) | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 |
Warte-/Ruhezeit (M) | 1 | 0 | 1 | 1 | 2 | 2 |
Ladedichte (H) | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Quelle: Eigene Erstellung und Bewertung nach (7; 8; 24; 27; 28; 31; 34; 42; 56).
Basierend auf der Punktevergabe in den Tabellen 1 bis 4 ergeben sich die in Tabelle 5 dargestellten Gesamtpunktzahlen sowie Angaben in Prozent der maximal erreichbaren Punktzahlen. Darüber hinaus werden die Ergebnisse getrennt für die Kategorien Management und Haltung dargestellt.
Tabelle 5: Gesamtbewertung der einzelnen Labels | ||||||||||||
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Label | RSPCA Freedom Food | Coop Naturafarm | Dierenbescherming Beter Leven * | Dierenbescherming Beter Leven ** | Tierschutzbund Einstiegsstufe * | Tierschutzbund Premiumstufe ** | ||||||
Kategorie | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent |
Gesamt | 29 | 38 | 30 | 39 | 19 | 25 | 35 | 46 | 25 | 33 | 30 | 39 |
Management | 11 | 28 | 8 | 20 | 15 | 38 | 17 | 43 | 14 | 35 | 15 | 38 |
Haltung | 18 | 50 | 22 | 61 | 4 | 11 | 18 | 50 | 11 | 31 | 15 | 42 |
Quelle: Eigene Berechnung.
Die Ergebnisse lassen eine Rangierung der untersuchten Labels zu, allerdings sind die Abstände in einzelnen Teilen der Bewertung marginal. Das Label "Beter Leven **" belegt in der Gesamtbewertung den ersten Platz mit 46 Prozent der maximal erreichbaren Punktzahl. Mit zehn Prozentpunkten Abstand folgen die Label "Naturafarm" und "Für mehr Tierschutz **" auf Rang zwei mit 39 Prozent der Maximalpunktzahl. Mit 38 Prozent der erreichbaren Punkte folgt das britische Label "Freedom Food" dicht auf Platz vier, gefolgt von der Einstiegsstufe des Deutschen Tierschutzbundes (33 Prozent). Das Schlusslicht in der Rangierung bildet das Einstiegsniveau des niederländischen Beter Leven-Labels mit 25 Prozent der möglichen Punkte. Das insgesamt schlechte Abschneiden des Labels "Beter Leven *" lässt sich dadurch erklären, dass lediglich für 15 der insgesamt 38 Kriterien höhere Standards definiert wurden. Zudem stellen diese meist nur eine geringfügige Verbesserung gegenüber den EU-Mindeststandards in der Schweinehaltung dar. Im Vergleich dazu wurden für "Beter Leven **" bei 28 Kriterien erhöhte Standards festgelegt, in neun Kriterien weichen die erhöhten Standards sogar deutlich von der europäischen Gesetzgebung ab.
Eine Aufteilung der Kriterien in die Kategorien Haltungssystem und Management führt zu veränderten Rangierungen der Label. Betrachtet man nur die Kategorie Management, so zeigt sich, dass das Label "Beter-Leven **" hier durchschnittlich die höchsten Standards definiert hat; es erreicht bei diesem Teilaspekt 43 Prozent der maximalen Punktzahl. Auf Rang zwei folgen das Label "Beter Leven *" sowie das Premiumlabel ** des Deutschen Tierschutzbundes mit 38 Prozent der Punkte, dicht gefolgt von dem Einstiegslabel * des Deutschen Tierschutzbundes mit 35 Prozent der möglichen Punkte. Das Label "Freedom Food" erreicht 28 Prozent, "Naturafarm" 20 Prozent der maximal zu erreichenden Punktzahl.
Auch bei der Betrachtung der Kategorie Haltungssystem ergibt sich eine Rangierung, die deutlich von der Gesamtbewertung abweicht. Hier erreicht das Label "Naturafarm" die beste Bewertung mit durchschnittlich 61 Prozent der möglichen Punkte. Die Labels "Freedom Food" und "Beter Leven **" erhalten 50 Prozent der maximal erreichbaren Punktzahl und liegen damit gemeinsam auf Rang zwei. Platz vier und fünf gehen an die Labels des Deutschen Tierschutzbundes mit 42 Prozent (Premiumstufe **) und 31 Prozent (Einstiegsstufe *) der Maximalpunktzahl. Das Label "Beter Leven *" erreicht in dieser Teilrangierung nur elf Prozent der möglichen Punkte, da lediglich für vier Kriterien in der Kategorie Haltungssystem zusätzliche Standards definiert wurden, die zudem auch nur eine geringfügige Verbesserung gegenüber den gesetzlichen Standards darstellen.
Die folgende Tabelle zeigt die Bewertung der Label in den einzelnen Produktionsabschnitten.
Tabelle 6: Bewertung der Labels in den einzelnen Produktionsabschnitten | ||||||||||||
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Label | RSPCA Freedom Food | Coop Naturafarm | Dierenbescherming Beter Leven * | Dierenbescherming Beter Leven ** | Tierschutzbund Einstiegsstufe * | Tierschutzbund Premiumstufe ** | ||||||
Produktionsabschnitt | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent | Punkte | in Prozent |
Allgemein | 5 | 21 | 5 | 21 | 8 | 33 | 8 | 33 | 4 | 17 | 5 | 21 |
Zucht | 13 | 59 | 13 | 59 | 4 | 18 | 12 | 55 | 5 | 23 | 5 | 23 |
Mast | 6 | 33 | 11 | 61 | 3 | 17 | 13 | 72 | 8 | 44 | 12 | 67 |
Schlachtung | 5 | 42 | 1 | 8 | 3 | 25 | 4 | 33 | 8 | 67 | 8 | 67 |
Quelle: Eigene Berechnung.
Mit Bezug auf die "Allgemeinen Anforderungen" lässt sich keine klare Rangierung der untersuchten Labels erkennen. Die meisten Punkte erreichen die niederländischen Labels "Beter Leven *" und "Beter Leven **" mit insgesamt 33 Prozent. Auf Platz drei folgen gleich drei Labels; "Freedom Food", "Naturafarm", "Für mehr Tierwohl Premiumstufe **" erreichen jeweils 21 Prozent der möglichen Punkte. Die Einstiegsstufe * des Deutschen Tierschutzbundes belegt in diesem Teilabschnitt den letzten Rang mit 17 Proznet der erreichbaren Punkte.
In dem Produktionsabschnitt "Zucht" erreichen die Labels "Freedom-Food" und "Naturafarm" gemeinsam den ersten Rang mit 59 Prozent der maximal möglichen Punkte. Der zweite Platz geht hier an das Label "Beter Leven **" mit 55 Prozent der Punkte. Mit deutlichem Abstand folgen dann die beiden Labels des Deutschen Tierschutzbundes gemeinsam auf Platz 4 mit jeweils 23 Prozent der möglichen Punkte, gefolgt von "Beter Leven *" mit 18 Prozent. Das schlechte Abschneiden von "Beter Leven *" ist erneut darauf zurückzuführen, dass lediglich für zwei Kriterien höhere Vorgaben gegenüber den EU-Mindeststandards formuliert wurden.
Im Produktionsabschnitt "Mast" führt erneut das Label "Beter Leven **"; es erreicht in dieser Kategorie 72 Prozent der maximalen Punktzahl. Das Premium-Label des Deutschen Tierschutzbundes liegt mit 67 Prozent der Punkte auf Rang zwei, gefolgt vom Label "Naturafarm" mit 61 Prozent der Punkte. Mit deutlichem Abstand folgen die Labels "Für mehr Tierschutz *" (43,8 Prozent), "Freedom Food" (33 Prozent) und "Beter Leven *" (25 Prozent). Auch hier hat das Label "Beter Leven *" lediglich für drei Kriterien höhere Vorgaben formuliert.
In dem Produktionsabschnitt "Schlachtung" gewinnen die Labels des Deutschen Tierschutzbundes in der Bewertung, sie erreichen jeweils 67 Prozent der maximal erreichbaren Punkte. Platz drei in diesem Produktionsabschnitt geht an das Label "Freedom Food" (42 Prozent der Punkte). Auf Platz vier und fünf folgen dann die niederländischen Labels mit 33 Prozent ("Beter Leven **") und 25 Prozent ("Beter Leven *"). Das Schlusslicht dieser Rangierung bildet das Label "Naturafarm", da es lediglich für das Kriterium "Transportzeit" geringfügig oberhalb der europäischen Gesetzgebung liegende Standards definiert.
In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass die untersuchten Label-Initiativen unterschiedlich weitreichende Verbesserungen gegenüber den gesetzlich definierten Mindeststandards der Europäischen Union in den Bereichen Haltungssystem und Managementpraxis für die verschiedenen Produktionsabschnitte etabliert haben. Sie lassen somit eine Auseinandersetzung mit den steigenden Bedenken der Konsumenten gegenüber der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung erkennen. Jedes der Labels lässt allerdings unter Tierwohlaspekten noch – im Einzelfall unterschiedlich große – Verbesserungspotentiale erahnen. So zeigen beispielsweise die Labels "Freedom Food" und "Naturafarm" in der Kategorie Managementsystem noch Schwächen, während sie in der Kategorie Haltungssystem bereits deutliche Verbesserungen gegenüber den europäischen Mindeststandards darstellen.
Auch mit Blick auf die verschiedenen Produktionsabschnitte haben die Labels unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. So weist beispielsweise das Label "Naturafarm" in den Abschnitten "Zucht" und "Mast" bereits hohe Punktzahlen auf, während im Produktionsabschnitt "Schlachtung" kaum Verbesserungen hinsichtlich des Tierwohls festgestellt werden konnten. Hingegen sieht der Deutsche Tierschutzbund mit seinen Labels bereits bedeutende Verbesserungen im Produktionsabschnitt "Schlachtung" vor, während im Produktionsabschnitt "Zucht" noch erhebliches Verbesserungspotential besteht.
Deutlich sichtbar sind die Unterschiede zwischen den Einstiegs- und den Premiumstufen, sofern die Labels diese Differenzierung vorsehen. Die Einstiegstufen des niederländischen und des deutschen Labels weisen im Vergleich zur jeweiligen Premiumstufe bewusst deutlich geringere Tierwohlstandards auf. Durch die erheblich geringeren Anforderungen an die Produktion entstehen den Produzenten weniger zusätzliche Kosten, sodass das Fleisch mit einem vergleichsweise geringen Preisabstand zu Standardprodukten auf dem Markt angeboten werden kann. Die Einstiegsstufe * des Deutschen Tierschutzbundes zum Beispiel kann realisiert werden, ohne dass die Landwirte aufwändige Umbauten ihrer konventionellen Ställe vornehmen müssen. Die Einstiegsstufen der Labels haben damit eine wichtige Funktion im Markt, da sie sowohl den Produzenten wie auch den Konsumenten eine attraktive Möglichkeit bieten, in das Tierwohl-Segment einzusteigen. So konnte das niederländische Label "Beter Leven *" bereits große Erfolge in der Marktdurchdringung erzielen. Die größte niederländische Supermarktkette "Alber Heijn" etwa vertreibt im Frischfleischsortiment mittlerweile ausschließlich Schweinefleisch, das mindestens Beter Leven *-zertifiziert ist (60). Der Preis der breiten Marktdurchdringung sind gegenüber der Premiumstufe geringere Verbesserungen beim Tierwohl. Hierin kommt eine im Label-Bereich generell zu beobachtende Differenzierung in "Goldstandards" und "Massenmarkt-Strategie" zum Ausdruck. Während erstere deutliche Verbesserungen in einem vergleichsweise kleinen Marktsegment realisieren, zielen letztere auf wesentlich größere Teile des Marktes, erreichen dort aber geringere Fortschritte gegenüber Standardprodukten (23; 26).
Die untersuchten Labels sind bereits verschieden lange am Markt aktiv. Daher stehen zu den einzelnen Labels derzeit unterschiedlich viele Kennzahlen bereit; eine ökonomische Bewertung der untersuchten Konzepte steht bisher gleichwohl grundsätzlich noch aus. So fehlen teilweise Daten über die Marktdurchdringung sowie zusätzliche Kosten, die auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen wie auch für den Konsumenten entstehen. Auch Daten über die Anzahl der an den Labels teilnehmenden Betriebe sowie die pro Jahr geschlachteten Tiere wären wichtig, um die Relevanz der untersuchten Labels am Markt und dadurch schließlich den tatsächlichen Beitrag, den die verschiedenen Initiativen zur Verbesserung des Tierwohls leisten, abschätzen zu können. Ebenso fehlt es an Informationen, die eine fundierte Einschätzung der ökonomischen Nachhaltigkeit der verschiedenen Label-Initiativen gestatten würden. Zwar kann bei bereits länger am Markt etablierten Programmen wie dem Naturafarm- oder dem Freedom Food-Label davon ausgegangen werden, dass sie für die beteiligten Akteure ausreichend rentabel sind, für neuere Initiativen wie die des Deutschen Tierschutzbundes kann dies dagegen noch nicht angenommen werden.
Zukünftige Studien sollten darüber hinaus die Möglichkeit, eine Bewertung der Labels anhand der direkten Merkmale Tiergesundheit und Tierverhalten vorzunehmen, näher untersuchen. Die Bewertung von Tierwohl anhand direkter Merkmale war bereits Gegenstand großer europäischer Forschungsprojekte (Welfare Quality Approach). Allerdings ist die Messung von Tierwohl anhand direkter Merkmale, insbesondere des Merkmals Tierverhalten, zurzeit noch problembehaftet, sodass die Praxistauglichkeit entsprechender Ansätze zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gegeben ist (10; 30). Grundsätzlich sollte aber in Betracht gezogen werden, den Erfolg verschiedener umgesetzter Tierwohl-Standards auf Basis einer objektiven Messung von Tiergesundheit und Tierverhalten zu bewerten. So könnten am Einzeltier erhobene Gesundheits- und Verhaltensdaten zukünftig als Erfolgskennzahlen für indirekte Tierwohlmaßnahmen in den Bereichen Management und Haltung dienen. Weiterhin wäre es möglich, auf Grundlage einer objektiven Messung des Tierwohls den tatsächlichen Einfluss einzelner Kriterien auf das Tierwohl zu ermitteln. So wird in der Forschung derzeit intensiv über eine unterschiedliche Gewichtung von Kriterien bei der Bewertung von Tierhaltungssystemen diskutiert, da nicht alle Kriterien einen gleich starken Einfluss auf das Wohlbefinden der Tiere haben (15; 17; 61). Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen aber fundierte Ergebnisse, um die Wichtigkeit einzelner Kriterien sicher bestimmen zu können. Daher wurde in dieser Studie auf die unterschiedliche Gewichtung der in die Untersuchung einbezogenen Kriterien verzichtet. Für zukünftige Studien wäre es jedoch denkbar, Tierhaltungsexperten aus Wissenschaft und Praxis den jeweiligen Einfluss verschiedener Management- und Haltungsmaßnahmen auf Tiergesundheit und Tierverhalten abschätzen zulassen, um den Einfluss dieser Maßnahmen auf das Tierwohl noch genauer in die Bewertung einbeziehen zu können. Als Resultat könnte ein indexbasiertes Ranking der untersuchten Labels entstehen, welches sich problemlos auf weitere Tierwohl-Labels übertragen lassen würde. So könnten möglicherweise nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Produzenten in der Europäischen Union wichtige Informationen bereitgestellt werden. Zudem könnten über diese Vorgehensweise die Objektivität und Transparenz des erstellten Rankings weiter erhöht werden. Auch entstehen durch diese Methode präzise und wiederholbare Ergebnisse, die dem Anspruch genügen, den zentralen Tierschutzproblemen die größte Bedeutung beizumessen (15). Die Absicherung der Auswahl und Gewichtung von Kriterien ist in der Wissenschaft ein etabliertes Verfahren. Allerdings muss hier beachtet werden, dass sich die Sichtweisen verschiedener Experten teilweise erheblich unterscheiden können (61).
Nicht alle zentralen Tierschutzprobleme, die in der Literatur etwa in Bezug auf die Mastschweineproduktion genannt werden (zum Beispiel 66), konnten in dem erstellten Kriterienkatalog berücksichtigt werden. Grund dafür ist, dass es auf europäischer Ebene für diese Kriterien bislang keine Gesetzesgrundlage gibt und auch die Labels nicht zu allen Problemen Standards gesetzt haben (zum Beispiel Lüftungstechnik) (9; 23). Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, um die existierenden Lücken in der Gesetzgebung und den Zertifizierungsstandards schließen zu können.
Ebenso kann die getroffene Kriterienauswahl in dieser Studie kritisch diskutiert werden. So wurden Kriterien ausgewählt, deren Bedeutung für das Tierwohl in der Forschung durchaus kontrovers diskutiert wird. Dies gilt insbesondere für den Arzneimitteleinsatz. Restriktionen in diesem Bereich können sich unter bestimmten Bedingungen negativ auf die Tiergesundheit und damit das Tierwohl auswirken, insbesondere dann, wenn kranke Tiere nicht den Möglichkeiten entsprechend behandelt werden, um die Vermarktungsfähigkeit als Label-Produkt nicht zu gefährden. Allerdings kann die Limitierung des Antibiotikaeinsatzes die Landwirte wiederum zu einem bestmöglichen Gesundheitsmanagement im Bestand anhalten. Es ist daher zu überdenken, die Auswahl der Kriterien in zukünftigen Studien durch eine Expertenbefragung absichern zu lassen.
Eventuell könnten in zukünftigen Studien auch die verschiedenen nationalen Gesetzgebungen zum Tierwohl stärker berücksichtigt werden, da diese teilweise bereits in Einzelaspekten über die EU-Standards hinausgehen (54). Auch gibt es Kriterien, die zwar durch die Europäische Union geregelt sind, hinsichtlich derer aber keines der untersuchten Labels von dem europäischen Standard abweicht (zum Beispiel Ladedichte). Zukünftige Studien sollten sich daher der Frage widmen, ob bei diesen Kriterien bereits ein Optimum erreicht ist, sodass eine Verbesserung der europäischen Standards nicht notwendig erscheint, oder ob die Etablierung von erhöhten Standards aufgrund fehlender Erkenntnisse und Erfahrungen aus Forschung und Praxis oder angesichts einer schwierigen Operationalisierung durch die untersuchten Label-Initiativen bislang nicht weiter verfolgt wurde.
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keinen wissenschaftlich fundierten Standard, der allgemeinverbindlich zur Erfassung und Beurteilung des Wohlbefindens von Nutztieren herangezogen werden könnte (14). In der Wissenschaft herrscht daher Einigkeit darüber, dass die Ausgestaltung eines jeden Bewertungsmodells konkret vom Anwendungszusammenhang und der Zielrichtung des Konzepts und damit auch von der Perspektive des Betrachters abhängt (16; 50). Der oftmals geforderten größeren Übersichtlichkeit der "Label-Landschaft" zwecks Vermeidung einer Überforderung der Verbraucher (11) steht dieser Status quo im Wege; auch insoweit wird somit Forschungs- und Handlungsbedarf erkennbar.
Ungeachtet der Limitationen dieser Studie und des daraus abgeleiteten weiteren Forschungsbedarfs lässt sich aber bereits sagen, dass die untersuchten Tierwohl-Labels zertifizierten Fleischproduzenten, -verarbeitern und Handelsunternehmen eine Möglichkeit bieten, sich im Markt zu differenzieren (39) und der wiederholt festgestellten starken Fokussierung auf den Preis speziell im deutschen Fleischmarkt (26; 60) entgegenzutreten. Darüber hinaus sind die Labels geeignet, die Transparenz für den Verbraucher zu erhöhen und so der schlechten Reputation der Fleischbranche entgegenzuwirken (3). Dem Konsumenten können die Tierwohl-Labels als Qualitätssignal und Orientierungshilfe beim Einkauf dienen, um seine Präferenzen für Fleisch aus tiergerechterer Haltung in Kaufentscheidungen umsetzen zu können (43). Die kriteriengestützte Bewertung der verschiedenen Labels ist damit insgesamt ein Beitrag dazu, den Anforderungen der Gesellschaft an eine tiergerechtere Produktion Rechnung zu tragen.
In jüngerer Vergangenheit hat sich gezeigt, dass das Thema Tierwohl in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung die Öffentlichkeit bewegt. Zugleich liegen nur wenige klar verständliche Informationen vor, die es dem Konsumenten erlauben, Produkte tierischen Ursprungs auf Grundlage einer bewussten Kaufentscheidung auszuwählen. Neben der Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen gehört die Etablierung sogenannter Tierwohl-Labels zu den dominierenden Entwicklungen der vergangenen Jahre, um den Erwartungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Eine objektive Evaluierung insbesondere neuerer Konzepte zur Verbesserung des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung steht bislang überwiegend noch aus. Ziel dieses Beitrags ist es daher, auf Grundlage eines eigens entwickelten Kriterienkatalogs eine Bewertung ausgewählter europäischer Tierwohl-Labels für Schweinefleisch vorzunehmen und auf diesem Wege einen Beitrag zur besseren Information der Konsumenten und der Weiterentwicklung existierender Ansätze zu leisten. Die kriterienbasierte Bewertung zeigt, dass es hinsichtlich der Verbesserung der Tierwohlstandards erhebliche Unterschiede zwischen den betrachteten Labels gibt. Die Ergebnisse sind sowohl für Konsumenten und andere Adressaten der Labels als auch für Unternehmen, die das Tierwohlsegment im Fleischmarkt erschließen wollen, von weitreichender Bedeutung.
In recent times, the issue of animal welfare in intensive livestock farming has been of growing interest to representatives of media, politics and the broad public, while at the same time clear and comprehensive information enabling consumers to make an informed choice regarding the products of animal origin they buy is scarce. Along with more stringent regulatory framework, establishing so-called animal welfare labels has been one of the most significant developments in recent years in order to address the expectations of society. To date, there is scarcely any objective evaluation on improved animal welfare in intensive livestock farming, in particular with regard to these newer concepts. Therefore, the objective of this study is to evaluate selected European animal welfare labels for pork on the basis of a specifically designed catalogue of criteria, and thus contribute to providing consumers with better information, and to further developing existing approaches. Criteria based evaluation shows that with regard to improving animal welfare there are significant differences between the labels considered. The results are of prime importance for both, consumers and companies intending to invest in the animal welfare market segment.
Dans un récent passé le sujet du bien-être animal dans la détention des animaux de rente a suscité l’intérêt du grand public. En même temps on ne dispose que de peu d’informations compréhensibles permettant au consommateur de sélectionner les produits d’origine animale sur la base d’une décision d’achat consciente. Au cours des dernières années la mise en place de soi-disant labels de bien-être animal a, en complément aux conditions cadre juridiques plus restreintes, été destinée à remplir les exigences de la société. Une évaluation objective de ces nouveaux concepts visant à améliorer le bien-être animal n’existe pas encore. Pour cette raison le but de la présente étude est de procéder à une évaluation d’un choix de labels européens de bien-être animal pour la viande de porc sur la base d’un catalogue de critères définis afin de contribuer ainsi à une meilleure information des consommateurs et de poursuivre les approches existantes. L’évaluation basée sur des critères montre qu’il y a des différences considérables entre les différents labels en ce qui concerne l’amélioration du bien-être des animaux. Les résultats sont d’une importance primordiale et pour les consommateurs et pour les entreprises qui souhaitent investir dans le secteur du bien-être animal sur le marché de la viande.
Dieses Projekt ist Bestandteil des Programms "Animal Welfare in Intensive Livestock Production Systems". Die Autoren danken dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur für die finanzielle Unterstützung.
M. Sc. Heinke Heise und Prof. Dr. Ludwig Theuvsen
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness
Georg-August-Universität Göttingen
Platz der Göttinger Sieben 5
37073 Göttingen
heinke.heise@agr.uni-goettingen.de