Bericht über die 52. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues (GEWISOLA) e.V. vom 26. bis 28. September 2012
Von Harald Grethe, Enno Bahrs, Tilman Becker, Regina Birner, Martina Brockmeier, Stephan Dabbert, Reiner Doluschitz, Christian Lippert und Edda Thiele (Hohenheim)
Der globale Wandel bringt für den Agrar- und Ernährungssektor insgesamt sowie speziell für die Agrarentwicklung und die Welternährung zahlreiche Herausforderungen mit sich. Hierzu gehören zum Beispiel die vielfältigen gesellschaftlichen Anforderungen an eine multifunktionale Landwirtschaft, die zunehmende Verknappung der Produktionsfaktoren Boden und Wasser, sich verändernde Preisrelationen zwischen Biomasse und fossilen Energieträgern, das persistierende, in den letzten Jahren sogar angestiegene globale Ausmaß der Unterernährung sowie die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, bedarf es privatwirtschaftlicher Initiative, leistungsfähiger öffentlicher Institutionen sowie eines hohen zivilgesellschaftlichen Engagements und eines Umbaus der Agrar- und Ernährungspolitik.
Vor diesem Hintergrund fand vom 26. bis zum 28. September 2012 die 52. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues (GEWISOLA) zu dem Thema "Herausforderungen des globalen Wandels für Agrarentwicklung und Welternährung" an der Universität Hohenheim statt. Als Auftakt widmete sich ein Präkonferenzworkshop mit Rednern der Weltbank, des International Trade Centers und aus der Wissenschaft dem Thema "Globale Datenbanken für Handel und Entwicklung". Die Plenarveranstaltungen fokussierten auf den Zusammenhang zwischen internationalem Handel, Ernährungssicherung und Armut, die zunehmende Konkurrenz um die knappen Ressourcen Land und Wasser und im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf den Zusammenhang zwischen Spekulation und der Preisvolatilität auf den Agrarmärkten.
Viele der 44 Arbeitsgruppenvorträge und 36 Posterpräsentationen sowie der Vorträge im Rahmen von zwei organisierten Arbeitsgruppensitzungen setzten sich ebenfalls mit dem Hauptthema der Tagung auseinander, allerdings wurde auch ein breiteres, über das Kernthema der Tagung hinausgehendes Themenfeld abgedeckt. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte der Plenar- und Arbeitsgruppenvorträge sowie über die Posterpräsentationen. Der Großteil der Beiträge wird in dem Tagungsband veröffentlicht werden, der im Sommer 2013 als Band 48 der "Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V." erscheinen wird.
Globale Datenbanken waren in den vergangenen Jahrzehnten häufig der Schlüssel für erfolgreiche Veröffentlichungen. Vielfach ist in der Forschung jedoch nicht bekannt, welche Daten auf globaler Ebene im Agrar- und Ernährungsbereich bereits vorhanden sind und wie Zugang zu ihnen erlangt werden kann. Der GEWISOLA-Tagung war daher ein Prä-Konferenz-Workshop mit dem Titel „Globale Datenbanken für Handel und Entwicklung“ vorangestellt.
Will Martin stellte in seinem Vortrag zunächst die Open Data Initiative der Weltbank vor (http://www.worldbank.org/) und illustrierte sie dann mit Hilfe der World Bank Open Data Site. Ergänzend diskutierte Martin verschiedene Data Tools und zeigt auf, wo Nutzerinnen und Nutzer die wichtigsten Elemente finden und für die jeweiligen Zwecke adäquat visualisieren können. Besonders hob Martin dabei das World Integrated Trade Solutions (WITS) der Weltbank hervor, das komplexe Fragen der Zollkürzungen auf der Ebene von HS6-Zolllinien sowie für nicht-tarifäre Handelshemmnisse behandelt.
Auch das International Trade Centre (ITC) in Genf widmet sich dieser Aufgabe. Andres Aeroe gab hierzu in seinem Vortrag "Providing Data for Transparency in Trade" ebenfalls zunächst einen Überblick über die wesentlichen globalen Datenbasen und die Market Analysis Tools (http://www.intracen.org/marketanalysis). Im Mittelpunkt standen dabei die Vorstellung von Trade Map, Market Access Map, Investment Map, Standards Map und NTM Survey Data sowie die jeweiligen Anwendungsvorteile für Nutzerinnen und Nutzer. Spies wählte für ihren Vortrag "ITC's Work on Protektion Measures" dann zwei der Tools des ITC (Market Access Map, NTM Survey Data) aus, um deren Möglichkeiten mit Hilfe von ausgewählten Anwendungen zu illustrieren. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie dabei der Verwendung dieser Daten in der Handelspolitikanalyse.
Thomas Heckelei beleuchtete die globalen Datenbasen dann aus der Sicht der Nutzer. Hierbei stellte er zunächst eine Typologie der Nutzerinnen und Nutzer vor, für die er jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Daten ableitete. So erfordern ökonometrische Analysen häufig Datenbasen, bei denen Transparenz auch über Entstehung und fehlende Werte im Vordergrund stehen, während für Analysen mit Simulationsmodellen die Konsistenz der Daten eine essentielle Bedeutung hat. Einer seiner wichtigsten Schlussfolgerungen war, dass die Forschung eine Kultur entwickeln muss, bei der Datenbasen zielgerecht entwickelt werden und reproduzierbar sowie für einen Peer-Review-Prozess zugänglich sind.
In seinem Vortrag "Trade and Food Security" widmete Alan Matthews, Trinity College, Dublin, Präsident EAAE, sich dem Zusammenhang zwischen Agrarhandel sowie Ernährungssicherheit und Armut. Zu Beginn seines Vortrags wies Matthews darauf hin, dass sowohl im Hinblick auf das Ziel einer möglichst preisgünstigen Bereitstellung von Nahrungsmitteln für gefährdete Bevölkerungsgruppen wie auch auf das Ziel einer effizienten Ressourcennutzung dem internationalen Handel eine wichtige Rolle zukommt. Darüber hinaus gehend kann Handel zur Stabilität der Nahrungsmittelverfügbarkeit und zur Verringerung von Armut beitragen. Anschließend widmete Matthews sich den verschiedenen Argumenten der Kritiker der globalen Handelsintegration.
Er zeigte, dass sich die Entwicklungsländer (bereinigt um Brasilien) insgesamt zunehmend zu Nettonahrungsmittelimporteuren entwickeln, und dass sowohl inländische Nachfragetrends wie auch die Verknappung von Wasser und Land sowie der erwartete Einfluss des Klimawandels diese Entwicklung noch verstärken werden. Auch haben die Industrieländer ihre Agrarprotektion inzwischen soweit abgebaut, dass ein weiterer Protektionsabbau kaum noch zu wesentlichen Verschiebungen im internationalen Agrarhandel führen wird.
Allerdings sieht Matthews diese Entwicklung zumindest für die große Mehrzahl der Entwicklungsländer nicht problematisch, da ihre Ausgaben für Nahrungsmittelimporte im Verhältnis zu den gesamten Exporteinnahmen langfristig abnehmen und zum Beispiel für die Gruppe der am wenigsten entwickelten Ländern nur noch bei rund 15 Prozent liegen. In seinen Schlussfolgerungen betont Matthews die Notwendigkeit einer liberalen Agrarhandelspolitik bei gleichzeitigem Einsatz von Instrumenten zur Verringerung von Preisinstabilität und zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit von Entwicklungsländern an Preisinstabilität sowie von Investitionen in die Produktivität der Landwirtschaft.
Will Martin, Weltbank, untersuchte in seinem Beitrag "Food Price Spikes, Price Insulation and Poverty" die Armutswirkungen von Politiken, die darauf abzielen, das inländische Preisniveau im Falle von plötzlichen Weltmarktpreisanstiegen unterhalb des Weltmarktpreisniveaus zu stabilisieren. Solche Politiken, wie etwa Zollabsenkungen, Exportsteuern, Exportquoten oder Exportverbote wurden im Zeitraum von 2006 bis 2008 im Rahmen des starken Anstiegs des Weltmarktpreisniveaus für viele Agrarprodukte von zahlreichen Ländern, vor allem Entwicklungsländern, angewendet. Sie können den Anstieg des inländischen Preisniveaus dämpfen und damit zu einer Verringerung der Armut beitragen, wenn arme Haushalte vor allem Nettonahrungsmittelkäufer sind, was in den meisten Entwicklungsländern der Fall ist. Allerdings verstärken Politiken, die den inländischen Preisanstieg dämpfen, damit den internationalen Preisanstieg – die Preisinstabilität wird sozusagen "exportiert" und ein Teil der dämpfenden Wirkung geht verloren.
Mit einem einfachen Modell berechnete Martin die Auswirkungen der stabilisierenden Politiken auf das Weltmarktpreisniveau und projizierte die daraus resultierenden inländischen Preisänderungen auf Haushaltsdatensätze für 30 Entwicklungsländer. Anschließend wurden drei Situationen miteinander verglichen:
Es wurde gezeigt, dass die stabilisierenden Politiken der Jahre 2006 bis 2008 insgesamt zu einer deutlichen Verringerung der Armut verglichen mit der Referenz geführt haben. Allerdings wurde ein Großteil des Stabilisierungseffekts durch die Weltmarktpreiseffekte wieder aufgehoben. Martin schlug deshalb vor, verstärkt alternative Politikinstrumente wie soziale Sicherungsnetze und Lagerhaltung einzusetzen und nationale Preisstabilisierungspolitiken möglichst international zu koordinieren.
Im Mittelpunkt der zweiten Plenarsitzung stand die Rolle der Ressourcen Boden und Wasser für Agrarentwicklung und Welternährung. Unter dem Titel „The Land that Feeds Us: Growing Scarcity and its Implications“ befasste sich Derek Byerlee, ehemals Weltbank, im ersten Teil der Sitzung mit der Ressource Boden. Er wies eingehend darauf hin, dass Land nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen ökologischen, sozialen und kulturellen Wert hat. Daraufhin diskutierte er das Angebot und die Nachfrage nach Land aus globaler Perspektive.
Die Schätzungen über noch verfügbare Bodenressourcen, die nicht bewaldet sind oder unter Schutz stehen, variieren zwischen 1,4 Milliarden Hektar und 450 Millionen Hektar, wobei letztere Zahl von Byerlee eher als realistisch eingestuft wird. Die Intensivierung der Landnutzung durch technischen Fortschritt, die vor allem auch durch die internationale Agrarforschung gefördert wurde, hat, wie Byerlee anhand von Simulationsmodellrechnungen nachwies, zu einer Reduktion der Ausweitung der landwirtschaftlich genutzten Fläche geführt.
Anschließend diskutierte Byerlee die höchst umstrittene Frage der großflächigen Investitionen in Land. Hier besteht große Unsicherheit hinsichtlich der Zahlen, jedoch kann man davon ausgehen, dass in Afrika südlich der Sahara zwischen 2005 und 2011 etwa 18 Millionen Hektar Gegenstand von großflächigen Investitionen wurden. Byerlee diskutierte ausführlich die Chancen und Risiken solcher großflächiger Investitionen in Boden in den verschiedenen Kontinenten, wobei er vor allem für Afrika, wo die Bodenrechte der einheimischen Bevölkerung kaum gesichert sind, große Risiken konstatierte. Abschließend leitete der Referent Politikempfehlungen für einen nachhaltigen und sozial verträglichen Umgang mit Boden ab und diskutierte den Forschungsbedarf auf diesem Gebiet.
Im zweiten Teil der Plenarsitzung diskutierte Mark Rosegrant, International Food Policy Research Institute (IFPRI), unter dem Titel "Water, Energy, and Food – Challenges and Opportunities for Development" den Zusammenhang zwischen Wasserknappheit und Ernährungssicherung. Der Referent ging zunächst auf die oft negativen Auswirkungen der Bioenergieproduktion auf Wasserverbrauch und Wasserqualität ein. Als nächsten Punkt diskutierte er die Nutzung der Wasserkraft, auf der derzeit weltweit ein Fünftel der Elektrizitätsversorgung beruht. Eingehend behandelte der Referent die Nutzung von Wasser in der Pflanzenproduktion und diskutierte Optionen für eine effizientere Wassernutzung in diesem Bereich.
Anschließend stellte Rosegrant eine Reihe von globalen Simulationsrechnungen vor, die zeigen, dass bei Fortschreibung gegenwärtiger Trends im Jahr 2050 52 Prozent der Weltbevölkerung und 49 Prozent der Weltgetreideproduktion von Wasserknappheit betroffen sein werden. Im günstigsten Szenario kann durch Investitionen in die Verbesserung der Wassernutzungseffizienz für eine Milliarde Menschen das Problem der Wasserknappheit vermieden werden. Abschließend diskutierte Rosegrant die Politikmaßnahmen, die zur Erreichung dieses Zieles förderlich sind.
In einem kurzen Einführungsreferat stellte von Oliver von Ledebur, Thünen Institut, das Ausmaß der in der EU und auf den Weltmärkten beobachteten Preisvolatilität, die verschiedenen Akteuren auf den Agrarterminärkten sowie die zur Analyse des Zusammenhangs zwischen Spekulation und Preisvolatilität verwendeten Analysemethoden dar. Anschließend erläuterten die Podiumsteilnehmer Sabine Miltner, Managing Director und Group Sustainability Officer, Deutsche Bank, Stefan Tangermann, ehemaliger Direktor Handel und Landwirtschaft, OECD, Markus Henn, World Economy, Ecology & Development (WEED), und Volker Petersen, stellvertretender Generalsekretär Deutscher Raiffeisenverband, ihre Sicht auf den Einfluss von Spekulation auf die Preisvolatilität auf den Agrarmärkten und widmeten sich der Frage, ob eine stärkere Regulierung notwendig sei.
Alle Podiumsteilnehmer teilten die Auffassung, dass Spekulation nicht zu einer langfristigen Änderung des Preisniveaus führen kann, da die realen Knappheiten an den Agrarmärkten durch Spekulation langfristig nicht geändert werden können. Einig waren sich alle Podiumsteilnehmer ebenfalls dahingehend, dass die Spekulation mit Agrarprodukten einen wichtigen Beitrag zur Preisstabilisierung liefert. Allerdings vertrat Henn im Gegensatz zu den anderen Podiumsteilnehmer die Ansicht, dass Spekulation insbesondere unter Beteiligung neuer und sektorferner Akteure (zum Beispiel Indexfonds) durchaus über Monate hinweg zur Bildung von Preisblasen beitragen und damit auch preisdestabilsierend wirken könne. Dem wurde von Tangermann entgegengehalten, dass bei einem nicht den Fundamentaldaten entsprechendem Preisniveau an den Terminmärkten traditionelle Händler von Agrarprodukten gegen diese Entwicklung spekulieren würden und es deshalb nur sehr kurzfristig zu einer solchen Entfernung der Terminmärkte von den Fundamentaldaten kommen könne.
Inwieweit eine stärkere Regulierung der Spekulation auf Agrarprodukte sinnvoll sei, waren sich alle Beteiligten einig, dass Maßnahmen für eine bessere Transparenz, wie etwa die Erfassung des Over-the-Counter-Handels, wünschenswert sind. Während Henn auch für eine hierüber hinausgehende Regulierung wie etwa Positionslimits argumentierte, lehnten Miltner und Petersen solche Schritte mit dem Hinweis auf die fehlende Evidenz des Zusammenhangs zwischen Spekulation und Preisvolatilität sowie auf die Gefahr einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der in Europa noch sehr jungen, wenig liquiden Warenterminbörsen ab.
Tangermann wies darauf hin, dass Agrarmärkte aufgrund von unelastischer Nachfrage und unelastischem Angebot grundsätzlich preisvolatil sind: Geringe Mengenänderungen, etwa durch Wetterbedingungen verursacht, können starke Preisausschläge verursachen. Es sei deshalb grundsätzlich wichtig, Konsumenten und Produzenten den Umgang mit solchen Preisschwankungen zu erleichtern, zum Beispiel durch den Zugang ernährungsunsicherer Bevölkerungsgruppen zu sozialen Sicherungssystemen.
Vor dem Hintergrund zunehmend liberalisierter Produkt- und Produktionsmittelmärkte der Agrarwirtschaft, einem anhaltenden betriebsstrukturellen Wandel und in Verbindung damit gestiegener Risiken greifen die Beiträge von Syster Christin Maart, Oliver Mußhoff, Jörn Ewald und von Friederike Anastassiadis, Ulf Liebe sowie Oliver Mußhoff mit der Ermittlung der individuellen Risikoeinstellung oder Präferenzmessung für finanzielle Flexibilität bei durch Strukturwandel bedingten Investitionsentscheidungen hochgradig relevante und aktuelle Fragestellungen auf.
Maart, Mußhoff und Ewald unterziehen hierzu verschiedene Methoden zur Messung der individuellen Risikoeinstellung einem systematischen Vergleich und testen die Methoden an mehreren Stichproben – deutsche und kasachische Landwirte sowie Studierende der Agrarwissenschaften aus Deutschland. Im Ergebnis zeigt sich, dass Risikoeinstellungen von Landwirten sich eher ähnlich sind, als diejenigen von Studierenden im Vergleich zu Landwirten. Dies gilt offenbar weitgehend unabhängig von der geographischen Herkunft und damit verbundenen unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Im Umkehrschluss lässt sich daraus ableiten, dass Entscheidungsträger in landwirtschaftlichen Betrieben hinsichtlich ihrer Risikoeinstellung einer besonderen Betrachtung bedürfen und Ergebnisse aus anderen Branchen oder von anderen Probandengruppen nur bedingt übertragbar sind. Dies kann aus den Besonderheiten der landwirtschaftlichen Erzeugung, unter andrem ihrer Naturgebundenheit, Abhängigkeit von gegebenen Standortbedingungen und ihren strukturellen Besonderheiten erklärt werden.
Ausgangspunkt für die Untersuchungen von Anastassiadis, Liebe und Mußhoff sind häufig durch den betriebsstrukturellen Wandel ausgelöste, größtenteils fremdfinanzierte Investitionen. Diese führen zu sinkenden Eigenkapitalquoten und schränken den finanziellen Spielraum der Betriebe ein. Studierende der Agrarwissenschaften mit hinreichenden einschlägigen Kenntnissen dienen als Probanden eines Discrete-Choice-Experiments, in welchem verschiedene Investitionsalternativen vor dem Hintergrund ihrer Wirkungen auf die finanzielle Flexibilität der Betriebe vergleichend beurteilt werden sollen. Rentabilität, Risiko und Einfluss auf die finanzielle Flexibilität sind die Unterscheidungsmerkmale der Investitionsalternativen, entlang derer der Vergleich vorgenommen wird. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die finanzielle Flexibilität bei Entscheidungen für bestimmte Investitionsalternativen Berücksichtigung findet und dass ihr auch ein ökonomischer Wert beigemessen werden kann. Inwieweit sich daraus allerdings Konsequenzen für die Investitionstheorie ableiten lassen, bedarf einer weiteren Diskussion.
Ein weiterer Beitrag in dieser Sektion stammt von Roland Zieseniß und beschäftigt sich mit der anreizorientierten Entlohnung von Führungskräften in Bezugsgenossenschaften vor dem Hintergrund einer an Maximalwerten orientierten Mitgliederförderung. Die Besonderheiten der genossenschaftlichen Rechtsform sowie ein auch in diesem Wertschöpfungssegment zu verzeichnender Strukturwandel verleihen dieser Fragestellung einen hohen Grad an Relevanz und Aktualität. Ein innovativer, auf Genossenschaften zugeschnittener Entlohnungsansatz wird mit traditionellen Fixlohnsystemen verglichen. Die Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass genossenschaftsspezifischen Systemen Vorzug zu geben ist und dass hiervon eine Steigerung des Mitgliedernutzens ausgehen kann. Dies gilt insbesondere für größere Unternehmen, deren Bedeutung infolge des fortschreitenden Strukturwandels zunimmt.
In einer Literaturauswertung untersucht Matthias Staudigel die Anwendung der Haushaltsproduktionstheorie auf Gesundheit und Ernährung und ihres ursächlichen Zusammenhangs in der ökonomischen Literatur.
17 aktuelle Studien, die die Haushaltsproduktionstheorie auf die Bereiche Gesundheit und Ernährung anwenden, werden in Bezug auf die Formulierung von Nutzenfunktionen sowie Produktionsprozessen einer detaillierten Analyse unterzogen. Staudigel schlussfolgert, dass die elementare Idee der Haushaltsproduktionstheorie, die Separierung des Prozesses der Nutzengenerierung von Aspekten der Haushaltsproduktionstechnologie, nicht konsistent umgesetzt wurde. Die meisten der ausgewerteten Studien betrachten Gesundheit als Z-Gut, und Ernährung als ein Produktionsmittel für das Z-Gut Gesundheit, wodurch wesentlich komplexere Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Ernährung sowie anderen Z-Gütern vernachlässigt werden. Zum Abschluss des Beitrags werden Vorschläge für eine Erweiterung der Anwendung der Haushaltsproduktionstheorie auf die Bereiche Gesundheit und Ernährung vorgeschlagen.
Evita Hanie Pangaribowo bewertet die Bedeutung des indonesischen Ernährungssicherungsprogramms als Element eines umfassenderen sozialen Sicherheitsnetzes. Im Rahmen dieses Programms werden arme Haushalte mit subventioniertem Reis versorgt und es profitieren insbesondere Haushalte in ländlichen, strukturschwachen Gebieten. Um den Erfolg des Programms zu bewerten, wird die difference-in-difference-Methode gewählt und auf einen Zeitreihen-Datensatz angewendet. Die Verfasserin weißt positive Wirkungen des Programms nach. Die Ausgaben für ausgewählte Lebensmittel und Produkte aus dem Non-Food-Bereich erhöhten sich. Ebenfalls geben die begünstigten Haushalte mehr finanzielle Mittel für nährstoffreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch und Milchprodukten aus. Die Verfasserin kommt zu dem Schluss, dass das Programm für Ernährungssicherheit dazu beiträgt, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu mildern, es wird jedoch eine bessere Zielorientierung angemahnt.
Vera Belaya, Heiko Hansen und Beate Pinior stellen fest, dass Lebensmittelskandale zu einer steigenden Nachfrage und einem steigenden politischen Angebot einer stärkeren Regulierung in der Wertschöpfungskette führen. Die Verfasser verfolgen das Ziel, die bestehende Literatur zu den Kosten von lebensmittelbedingten Erkrankungen auszuwerten und zu klassifizieren. Zu ihren wichtigsten Ergebnissen zählt, dass der größte Teil der betrachteten Studien in den USA und in Großbritannien durchgeführt wurde und der Fokus meist auf den Kosten für die Konsumenten lag. Die am häufigsten erhobenen Kostenkomponenten waren die Ausgaben für die medizinische Versorgung, die Verluste aufgrund von Erkrankungen und Todesfällen und für den Staatshaushalt entstehende Kosten. Kaum erhoben wurden für die Privatwirtschaft anfallende Kosten, wozu die deutlich schlechtere Datenverfügbarkeit beiträgt. Weiterhin gibt es zahlreiche Kostenkomponenten, die sich einer monetären Messbarkeit weitgehend entziehen.
Umweltprobleme wie Klimawandel, Wind- und Wassererosion erfordern verstärkt standortangepasste Landnutzungsverfahren. Vor diesem Hintergrund führen Carsten Hermann Emmann, Christian Pannwitz, Christian Schapter und Ludwig Theuvsen eine ökonomische Analyse für Alley-Cropping-Systeme (ACS) für verschiedene Standorte in Brandenburg durch. Als potenzielles ACS wählen sie Kurzumtriebsstreifen (KUS) in verschiedenen Ausgestaltungen hinsichtlich Umtriebszeiten, Baumarten, Pflanzabständen und Ernteverfahren aus.
Als Bewertungsmethode zogen sie die Kapitalwertmethode heran. Dabei verwenden sie die Kapitalwerte einer definierten 20 Hektar Referenz-Ackerfläche über einen Planungszeitraum von 25 Jahren unter verschiedenen Preisniveaus und leiten daraus Kriterien zur Bewertung der betrachteten Systemausgestaltungen der KUS ab. Das ist zum einen der Schwellenwert des biologischen Mehrertrages der Fruchtfolge in einem ACS, der notwendig wäre, um die Konkurrenzfähigkeit des betrachteten Systems zu gewährleisten. Zum anderen wird aus der Kapitalwertminderung der KUS-Fläche eine entsprechende Flächenausgleichszahlung errechnet, damit das zu bewertende ACS ohne einzelbetrieblich Verluste angebaut werden könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass ACS je nach Ausgestaltung des Anbaus einen biologischen Mehrertrag von drei bis zehn Prozent erzielen und durch Flächenausgleichszahlung von 230 bis 800 Euro pro Hektar Kurzumtriebsstreifen gefördert werden müssten, um mit einer Referenz-Ackerfläche konkurrenzfähig zu sein.
Der ökologische Landbau leistet, sofern die Anbaurichtlinien eingehalten werden, einen wichtigen Beitrag zur umweltgerechten Landbewirtschaftung. Alexander Zorn, Christian Lippert und Stephan Dabbert untersuchten in ihrem Beitrag die Möglichkeiten zur Verbesserung von ökologischen Zertifizierungssystemen durch risikobasierte Betriebskontrollen zur Einhaltung der Anbauvorschriften im Ökolandbau.
Der Grundhypothese folgend, dass es betriebliche Eigenschaften gibt, die die Wahrscheinlichkeit der Nichteinhaltung der Anbauverschriften signifikant erhöhen, leiten sie für ihre ökonometrische Analyse, ausgehend von der Economics-of-Crime-Theorie, eine Reihe solcher Eigenschaften ab. Ihre Hypothesen analysieren sie anhand von Logit-Modellen, einer Form der binären Choice-Modelle. Als Datengrundlage verwenden sie einzelbetriebliche Datensätze schweizerischer und deutscher Ökobetriebe der zuständigen Kontrollstellen. Die Daten enthalten Angaben über Häufigkeit und Schwere von Regelverstößen und die sich daraus ergebenden Sanktionen. Im Ergebnissteil können die Autoren zeigen, dass sich anhand der abgeleiteten betrieblichen Eigenschaften die Nichteinhaltung von leichten und schweren Regelverstößen erklären lässt. So weisen zum Beispiel Betriebe mit großer Öko-Kontrollerfahrung oder aber Dauergrünlandbetriebe eine signifikant geringere Sanktionswahrscheinlichkeit auf. Demgegenüber erhöht sich beispielsweise bei Betrieben mit Sonderkulturen die Wahrscheinlichkeit von Regelverstößen.
Sebastian Lakner und Uta Kleinknecht befassen sich in ihrem Beitrag mit dem Themenkomplex der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, Natura2000-Strategie und der Akzeptanz seitens der Landwirtschaft zur Umsetzung der hierfür festgelegten Bewirtschaftungsmaßnahmen im Rahmen von FFH-Managementplänen.
Für ihre Analyse werteten sie Interviews und Abstimmungsunterlagen aus, die im Rahmen der Erstellung von 17 FFH-Managementplänen gewonnen wurden. Insgesamt wurden die Datensätzen von 131 Betrieben mit unterschiedlichen Rechtsformen in Sachsen ausgewertet. Das Entscheidungsverhalten der Landwirte für oder gegen eine naturschutzfachliche Optimierung ihrer Grünlandbewirtschaftung wurde mit einem Binary-Response-Modell (logit/probit) analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass zum Beispiel eine geringe Viehdichte oder aber auch die schon realisierte Umsetzung von komplexeren Agrarumweltprogrammen, zum Beispiel der Ökolandbau, die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung der FFH-Maßnahmen erhöhen. Demgegenüber haben die Betriebsgröße und der Flächenumfang der FFH-Fläche keinen signifikanten Einfluss auf das Entscheidungsverhalten der Landwirte.
Die Beiträge in dieser Arbeitsgruppe befassen sich sowohl mit der empirischen Messung von Preistransmission, wie auch der Abbildung von Preistransmission in allgemeinen Gleichgewichtsmodellen. Ivan Djuric, Linde Götz und Thomas Glauben analysieren die Auswirkungen politischer Marktinterventionen auf die Preistransmission entlang der Weizen-Mehl-Brot-Wertschöpfungskette in Serbien.
Die Analyse der Preisdynamiken zwischen Weizen- und Mehlpreisen in einem Markov-Switching-Fehlerkorrekturmodell zeigt, dass die Getreidemühlen ihre Gewinne im Anschluss an die Agrarpreisspitzen 2007/08 und 2010/11 erhöht haben. Ebenfalls wird gezeigt, dass die Bäckereien und Supermarktketten die Konsumentenpreise für Brot erfolgreich anheben konnten, ungerechtfertigter Weise begründet mit dem Anstieg der Weizen- und Mehlpreise auf dem Spotmarkt. Somit haben große Bäckereien und Supermärkte von der Krisenpolitik profitiert. Ferner zeigen die Analysen, dass die Endkonsumenten nur in beschränktem Umfang von den staatlichen Markteingriffen profitiert und insgesamt Wohlfahrtsverluste erlitten haben. Verglichen mit einer hypothetischen Laissez-faire-Politik wurde der Anstieg der Brotpreise nur zu Beginn der Krise durch die Marktinterventionen gedämpft. Der zusätzliche starke Anstieg der Brotpreise im April 2008 wurde durch die staatlichen Weizenaufkäufe im inländischen Markt verursacht.
In der Analyse der Agrarpreistransmission von internationalen auf nationale Märkte stehen ökonometrische Methoden der Zeitreihenanalyse im Vordergrund. Die Integration der empirischen Ergebnisse in die allgemeine Gleichgewichtsmodellierung, die in der Lage ist, die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Preisschocks zu analysieren, ist allerdings kaum gegeben. Vor diesem Hintergrund diskutieren Khalid Siddig und Harald Grethe in ihrem Beitrag die Möglichkeiten, allgemeine Gleichgewichtsmodelle auf eine empirisch festgestellte Intensität der Preistransmission vom internationalen auf den Inlandsmarkt zu kalibrieren. Aufgrund der vielfältigen Determinanten der modellendogenen Preistransmission wie etwa der Modellstruktur, der Parametrisierung der Verhaltungsfunktionen und der makroökonomischen Schließung, gibt es hierfür eine Vielzahl von Möglichkeiten. Im Rahmen einer systematischen Sensitivitätsanalyse auf Basis eines komparativ-statischen Standard-CGE-Modells wird der Beitrag einzelner Determinanten herausgearbeitet und die Möglichkeiten der Kalibrierung werden vor dem Hintergrund potenzieller Zielkonflikte diskutiert.
Schließlich wird die von Siddig und Grethe entwickelte Methode in einem Beitrag von Harald Grethe, Khalid Siddig, Linde Götz und Rico Ihle auf das Beispiel Israel angewendet und es werden die Auswirkungen von internationalen Hochpreisphasen für Agrarprodukte auf die Einkommensverteilung in Israel untersucht.
In dem ersten Teil des Beitrags wird die Preistransmission für Weizen vom Weltmarkt auf den israelischen Markt mit einer Kointegrationsanalyse empirisch bestimmt. Die Analyse ergibt, dass internationale Preisschwankungen für Weizen vollständig auf den israelischen Inlandsmarkt übertragen werden. Nach einer entsprechenden Kalibrierung eines allgemeinen Gleichgewichtsmodells auf Basis einer israelischen Social-Accounting-Matrix werden die Auswirkungen einer Weltmarktpreiserhöhung für die Produktgruppen Weizen, andere Getreidearten und andere Ackerprodukte auf die Einkommensverteilung in Israel untersucht. Es ergeben sich negative Auswirkungen auf das Einkommen der inländischen Privathaushalte, Konsummengen und Wohlfahrt. Regressive Ausgabeneffekte dominieren progressive Einkommenseffekte und in der Summe ergibt sich eine Zunahme der Einkommensungleichheit.
In der Arbeitsgruppe wurden die Ergebnisse empirischer Studien vorgestellt, welche dynamische Zusammenhänge zwischen Innovationen und Effizienz auf einzelbetrieblicher Ebene der Milchproduktion, Präferenzen für gleichmäßige Zahlungsströme bei Investitionsentscheidungen und die Bedeutung genossenschaftlicher Marktstrukturen auf das Milchpreisniveau thematisieren.
Wie Johannes Sauer und Uwe Latacz-Lohmann einleitend darstellen, liegen derzeit nur wenige Ergebnisse empirischer Forschung zu den Determinanten der Produktivitätssteigerung und den Effizienzgewinnen durch technologischen Wandel in der Milchproduktion vor. Als Erfolgsfaktor wird unter anderem das Bildungsniveau der Betriebsleiter identifiziert. Sauer und Latacz-Lohmann differenzieren diesen Befund, indem sie ein Panel von 2.700 deutschen Milchviehbetrieben vom Zeitraum 1995 bis 2010 untersuchen. Dabei schätzen sie je Panelbetrieb das Effizienzniveau des Faktoreinsatzes und die jährliche Rate des technologischen Wandels mit Hilfe einer direktionalen Distanzfunktion. Anschließend indexieren sie die Gesamtproduktivität je Betrieb und Jahr und bestimmen als signifikante Faktoren relativ effizienter Milchproduktion den Grad der Betriebsspezialisierung, Vollerwerb, Kosten des Produktionsfaktors Boden und insbesondere das Bildungsniveau. Abschließend identifizieren Sauer und Latacz-Lohmann anhand eines multinomialen Logitmodells drei Gruppen unter den untersuchten Betrieben: Es sind zum einen sehr junge Betriebsleiter in paralleler Ausbildungsphase, daneben ältere Landwirtschaftsmeister größerer Betriebe in Nordwestdeutschland und schließlich junge Leiter ökologisch wirtschaftender Betriebe mit überwiegend universitärer Bildung in Ostdeutschland, welche Investitionen in innovative Technologien besonders in Effizienzgewinne umsetzen.
Als weiterer Aspekt neben der Gewinnmaximierung könnten Präferenzen für bestimmte Muster in Zahlungsreihen die Auswahl von Investitionsobjekten bestimmen, wie Martin Philipp Steinhorst und Enno Bahrs im zweiten Beitrag der Arbeitsgruppe darlegen.
Die Implikationen der Standardannahme eines barwertmaximierenden Investors, zum Beispiel Präferenzstationarität und konstante oder auch betragsunabhängige Diskontraten, wurden vielfach in verhaltenswissenschaftlichen Experimenten empirisch widerlegt. Das Gros dieser Experimente untersucht allerdings das Entscheidungsverhalten nur an der Gegenüberstellung zweier Zahlungen und selten an Sequenzen von Zahlungen, wie sie bei realen Investitionen meist gegeben sind. Steinhorst und Bahrs baten 501 Landwirte und 184 Agrarrohstoffhändler in einem Experiment grafisch visualisierte und zusätzlich durch die Kennzahlen interner Zinsfuß und Amortisationsdauer verdeutlichte Zahlungssequenzen nach Präferenzen zu ordnen. Im Ergebnis einer Conjointanalyse zeigt sich, dass die Probanden bereit sind, auf interne Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu verzichten, wenn die Zahlungsreihen monoton über die Zeit verlaufen. Diese Zahlungsbereitschaft für Gleichmäßigkeit ist zudem unter den älteren sowie risikoscheuen Teilnehmern des Experiments stärker ausgeprägt.
Im dritten Beitrag der Arbeitsgruppe präsentieren Markus Hanisch, Jens Rommel und Malte Müller erste Ergebnisse einer Untersuchung zur Preisfindung auf dem europäischen Milchmarkt, der von genossenschaftlichen Molkereiunternehmen geprägt ist.
Gemäß der Yardstick-Theorie ist der transparente Informationsfluss in genossenschaftlichen Organisationen dazu geeignet, eine faire Preisbildung zu fördern. Die daraus resultierenden Preise beeinflussen wiederum die Preissetzung nichtgenossenschaftlicher Wettbewerber. Hanisch, Rommel und Müller untersuchen das Milchpreisniveau anhand einer Regressionsanalyse von Paneldaten aus 297 Betrieben der EU-27 im Zeitraum von 2000 bis 2010. Das Preisniveau steigt demnach mit dem Anteil der genossenschaftlichen Milcherfassung, den Preisen für Futtermais, dem BIP, südlicher geografischer Lage und der Dauer der EU-Mitgliedschaft.
Die Nachfrage nach Lebensmitteln besonderer Qualität ist in den vergangenen Jahren durch zwei Entwicklungen getragen. Erstens durch eine stark gestiegene Nachfrage nach Öko-Lebensmitteln und zweitens durch den zunehmenden Wunsch vieler Verbraucher nach Lebensmitteln aus der Region. Bei Öko-Lebensmittel tierischer Herkunft ist es den Verbrauchern wichtig, welches Futter eingesetzt wird. So wird der Einsatz von Gentechnik in der Fütterung von vielen Verbrauchern kritisch gesehen. Weitgehend ungeklärt ist bisher die Frage, ob die Verbraucher die zunehmenden Importe von Öko-Futtermitteln als Problem ansehen.
In dem Beitrag von Salome Wägeli und Ulrich Hamm mit dem Titel: "Wahrnehmung und Präferenz für tierische Öko-Lebensmittel produziert mit regionalen Futtermitteln" wird die Bedeutung der Futtermittelherkunft beim Kauf von tierischen Öko-Lebensmitteln analysiert. Zu drei unterschiedlichen Produktgruppen (Milch, Eier, Schweineschnitzel) mussten die Probanden jeweils drei Auswahlentscheidungen treffen. Die Produkte unterschieden sich in vier Variablen: in der Herkunft des Produkts, der Herkunft der Futtermittel, dem Vorhandensein des Slogans "Ohne Gentechnik, weil Bio" und dem Preis. Es wurden 597 Öko-Konsumenten befragt und die Ergebnisse wurden mit einem multinomialen Logit-Modell ausgewertet. Als Ergebnis ergibt sich, dass Öko-Konsumenten eine regionale Futtermittelherkunft gegenüber einer deutschen oder nicht gekennzeichneten Futtermittelherkunft bevorzugen.
Der zweite Beitrag in dieser Gruppe widmet sich der ökologisch produzierten Milch. Im Beitrag von Thore Holm, Jens-Peter Loy und Carsten Steinhagen mit dem Titel: "Bio auch bei der Preissetzung: Konsummilch in Deutschland" wird die vertikale Preistransmission zwischen den Molkereiabgabepreisen und den Verbraucherpreisen für ökologisch und konventionell erzeugte Konsummilch analysiert.
Hierfür werden 1.060 wöchentliche Preisbeziehungen in dem Zeitraum 2005 bis 2008 in Deutschland untersucht. Eine positive asymmetrische Preistransmission liegt dann vor, wenn bei steigenden Einkaufspreisen (Erzeugerpreis, Molkereiabgabepreis) der Verbraucherpreis im Lebensmitteleinzelhandel signifikant schneller angehoben wird, als er bei sinkenden Einkaufspreisen gesenkt wird. Folglich führt eine positive asymmetrische Preistransmission zu einer temporären Steigerung der Gewinnspanne. Die Ergebnisse zeigen sowohl für Bio-Milch als auch für konventionelle Milch positive Asymmetrien im Preisanpassungsprozess. Im Ausmaß dieser positiven Asymmetrien unterscheiden sich die ökologisch und die konventionell erzeugten Konsummilchprodukte jedoch voneinander: Die Preisasymmetrien bei Bio-Milch sind höher als bei konventioneller Milch. Insbesondere bei den Handelsmarken finden die Autoren eine vergleichsweise geringere Reduktion der Gewinnspanne und einen geringeren Abbau der Preisasymmetrie gegenüber den Herstellermarken als bei konventioneller Milch.
In dem dritten Beitrag in dieser Gruppe geht es um Wein. Dieser Beitrag stammt von Katrin Zander und Meike Janssen mit dem Titel "Präferenzen deutscher Öko-Konsumenten für Wein".
Die Qualitätsbeurteilung von Wein beim Kauf stellt für Verbraucher eine besondere Herausforderung dar. Um sich für einen bestimmten Wein zu entscheiden, stehen oft nur ganz wenige Kriterien zur Wahl. Auch hier, wie bereits in dem Beitrag von Wägeli und Hamm, wurden die Probanden vor eine Wahlentscheidung gestellt. Es wurden dabei die drei Eigenschaften Herkunftsland, Produktionsweise und Preis variiert. Für jedes dieser drei Attribute wurden verschiedene Ausprägungen gewählt. Es wurden etwa 600 Probanden befragt. Die Befragungsergebnisse wurden mit einem Mixed-Logit-Modell ausgewertet. Mixed-Logit-Modelle sind eine verallgemeinerte Form der multinomialen Logit-Modelle. Unter den getesteten Eigenschaften hatte bei Rotwein die ökologische Erzeugung den größten Einfluss auf die Kaufentscheidung, gefolgt vom Preisniveau und dem Herkunftsland. Die Präferenzen für deutschen, französischen und italienischen Wein fielen dabei gleich hoch aus, Spanien hingegen wurde weniger stark bevorzugt. Bei Weißwein spielte die deutsche Herkunft für Verbraucher die wichtigste Rolle, gefolgt von der ökologischen Erzeugung und dem Preisniveau. Es wird gefolgert, dass der Preis als Qualitätsindikator für Verbraucher dient.
In ihrem Beitrag mit dem Titel "Ein agentenbasierter Netzwerk-Ansatz für die Analyse und Entscheidungsunterstützung von landwirtschaftlichen Produzentenorganisationen" befassen sich Evgeny Latynskiy und Thomas Berger mit der Frage, wie kleinbäuerliche Kaffee-Erzeugergemeinschaften in Uganda unterstützt werden können.
Die Arbeit beruhte auf einer innovativen Kombination von drei Forschungsmethoden:
Mit dem MP-MAS wurden die Effekte von verschiedenen Interventionen untersucht, die darauf abzielen, die Funktionsfähigkeit der Erzeugergemeinschaften zu verbessern. Dazu zählen eine kurzfristigere Bezahlung der Erzeuger sowie verschiedene Anreizsysteme, wie etwa die Bezahlung von Preiszuschlägen für die Lieferung größerer Mengen. Die Simulationsergebnisse bezüglich der Wirkungen dieser Interventionen auf Makro- und Mikroebene unterstreichen die Bedeutung sorgfältig geplanter Anreizsysteme für die weitere Entwicklung der Kaffee-Erzeugergemeinschaften in Uganda.
In seinem Beitrag "Action Research Framework in Studying Institutional Market Supply Chains" stellt Getachew Abate Kassa ein Aktionsforschungsprojekt vor, das sich mit dem Lieferkettenmanagement für die Versorgung von Schulen in den USA befasst, die Schulspeisungsprogramme durchführen.
Im Aktionsforschungsprojekt konnte eine aktive Teilnahme der Schuldistrikte, ihrer Partner auf der Ebene der Gemeinden sowie der Nahrungsmittellieferanten erzielt werden. Es führte zur Schaffung von effektiven Austauschbeziehungen zwischen diesen Akteuren. Durch das Projekt konnten sich die Schuldistrikte nicht nur neues Wissen aneignen, sie konnten auch die Flexibilität im Lieferkettenmanagement erhöhen und eine Verbesserung der Bereitstellung von Nahrungsmitteln für die Schulspeisungsprogramme erzielen. Wie der Autor zeigt, war der Forschungsprozess mit Herausforderungen verbunden, die ausreichende Ressourcen und ein anpassungsfähiges und selbstreflexives Management erforderlich machten.
Der Beitrag von Ismail Moumouni, Silvere Tovignan, Mohamed Baco und Guy Nouatin befasst sich unter dem Titel "Pitfalls of Project-Driven Institutional Development in Developing Countries: The Case of Privatisation of Agricultural Services in Benin" mit der Frage, wie die Beteiligung lokaler Akteure in die Planung und Durchführung von Entwicklungsprojekten deren Erfolg verbessern kann.
Dazu werden drei Fälle untersucht, in denen eine Privatisierung von landwirtschaftlichen Dienstleistungen, insbesondere von Agrarforschung und -beratung erfolgte. Die Fälle unterscheiden sich im Hinblick auf den thematischen Fokus der Dienstleistungen (integrierter Pflanzenschutz im ersten Fall, Gemüseproduktion und Tierhaltung im zweiten Fall, Produktion von Wurzelfrüchten im dritten Fall) sowie im Hinblick auf die Finanzierungsmechanismen. In einem qualitativen Forschungsansatz wurden Daten durch halbstrukturierte Interviews und direkte Beobachtung erhoben. Die Studie zeigt, dass eine aktive Partizipation der Nutzer zwar allgemein als Voraussetzung für die Bereitstellung von Dienstleistungen von hoher Qualität angesehen wird, in der Planung und Durchführung der Reformen wurde sie jedoch weitgehend vernachlässigt.
Carsten Holst und Stephan von Cramon-Taubadel befassen sich mit der Preistransmission entlang deutscher Wertschöpfungsketten für Nahrungsmittel. Diese Forschung wurde im Rahmen des europäischen Verbundforschungsvorhabens "Transparency of Food Pricing" durchgeführt.
Hintergrund des Projekts ist der auf den Weltmärkten verschiedener landwirtschaftlicher Produkte seit 2007 beobachtete Anstieg im Nivau und der Volatilität der Preise. Im Verbundprojekt wurden dessen Auswirkungen auf die innereuropäischen Preise für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel analysiert. In der vorgestellten Studie wird die Preistransmission entlang verschiedener Wertschöpfungsketten in ausgewählten Ländern unter Verwendung von Fehler-Korrektur-Modellen untersucht. Empirische Ergebnisse für Deutschland zeigen, dass die Großhandels- und Endverbraucherpreise für Schweinefleischprodukte eher den Entwicklungen der jeweiligen Erzeugerpreise folgen, während der Erzeugerpreis für Milch stark durch die Börsennotierungen für verarbeitete Produkte wie Butter und Milchpulver beeinflusst wird.
Volker Saggau stellte eine Studie mit dem Titel: "Viele Köche verderben den Brei – Agentenbasierte Simulationen zum Föderalismusdurcheinander während der EHEC-Krise" vor.
Dieser Beitrag wendet ein agentenbasiertes Modell zur Analyse unterschiedlicher Informationsszenarien in der EHEC-Krise an. Hierbei wird insbesondere auf die Problematik der Zuständigkeiten und Kompetenzen bei einer Lebensmittelkrise im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland eingegangen. Die Simulationen zeigen, dass die Bündelung von Informationen über unsichere Lebensmittel durch eine zentrale Instanz, die sachlich aufklärt, negative Effekte auf die Wohlfahrt reduzieren kann. Auch wenn das Modell eine starke Vereinfachung der Realität aufweist, können zentrale Prozesse doch gut abgebildet werden. Die Ergebnisse geben Hinweise auf die Ausgestaltung von effizienten Risikokommunikationsstrategien. So konnte gezeigt werden, dass durch eine Risikokommunikation, die von einer zentralen Quelle im Sinne des Food Risk Governance durchgeführt wird, ein Vertrauensabfall und die damit verbundenen negativen Konsequenzen auf den betroffenen Märkten deutlich reduziert werden.
Birgit Schulze befasst sich mit den Herausforderungen des Landhandels unter veränderten Marktbedingungen.
Vor dem Hintergrund zunehmender Konzentration und Markttransparenz sowie sinkender Transaktionskosten wird in diesem Beitrag die Disintermediationsgefahr für die gesamte Landhandelsstufe in Deutschland bewertet. Der Begriff Disintermediation beschreibt dabei das Phänomen der Ausschaltung einer Wertschöpfungsstufe durch Übernahme entsprechender Funktionen seitens der vor- und/oder nachgelagerten Stufen. Der Beitrag basiert auf einer Fokusgruppendiskussion und einer schriftlichen Befragung von Landwirten aus Nord- und Nordost-Deutschland. Es wird untersucht, wie die Landwirte die Situation des Landhandels einschätzen und welche Leistungen der Landhändler zu Kundenzufriedenheit führen und damit ein Potenzial für die Entwicklung von Kernkompetenzen bieten. Die Ergebnisse zeigen, dass neben der Konditionenpolitik auch die Serviceprofilierung entscheidend für die Kundenzufriedenheit ist. Die Autorin folgerte aus der Untersuchung, dass eine Identifikation geschäftsbereichsübergreifender Kernkompetenzen für die Unternehmen des Landhandels angezeigt ist.
Die drei in dieser Sektion vorgestellten Papiere beschäftigen sich mit dem Einfluss von Landfragmentierung und dem Stand der Marktintegration auf die heterogene Technologieausstattung in kleinstrukturierten Landwirtschaftsbetrieben im Kosovo (Johannes Sauer, Sophia Davidova und Matthew Gorton), mit der Bodenpreisbildung im Fall zwangsversteigerter Flächen (Silke Hüttel, Simon Jetzinger und Martin Odening) sowie mit den Einflussfaktoren auf die Risikopräferenzen kleinbäuerlicher Betriebe in Vietnam (Thea Nielsen, Alwin Keil und Manfred Zeller).
Mittels direktionaler Distanzfunktionen, angewandt auf einen Satz einzelbetrieblicher Daten aus dem Kosovo, bestätigen Sauer, Davidova und Gorton die Hypothese, dass die im Kosovo weit verbreiteten kleinparzellierten Landnutzungsstrukturen neben dem Grad der Marktintegration zur Erklärung ebenfalls weit verbreiteter heterogener Technologien in landwirtschaftlichen Betrieben beitragen. Für das gewählte Beispiel des Kosovo ergeben sich hieraus wertvolle Erkenntnisse auf dem Weg der Transformation und einer zunehmenden EU-Integration des Agrarsektors. Auch lassen sich hieraus Konsequenzen für eine zielgerichtete und mit hohen Wirkungspotentialen ausgestattete Agrarinvestitionsförderung im Rahmen der in Implementierung befindlichen ländlichen Entwicklungspläne ableiten. Schließlich wird auch die Dringlichkeit einer systematischen Flurneuordnung offensichtlich.
Am Beispiel von Bodenpreisen aus Brandenburg analysieren Hüttel. Jetzinger und Odening die Preisbildung bei zwangsversteigerten landwirtschaftlichen Flächen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit durch den Notverkauf zu erwartende Preisminderungen von auktionsbedingten Preisaufschlägen kompensiert oder gar überkompensiert werden. Eine besondere Relevanz der Beantwortung dieser Frage ergibt sich unter anderem daraus, dass Beleihungswerte landwirtschaftlicher Flächen an den realisierbaren Bodenpreisen festgemacht werden. Im empirischen Teil erstreckt sich die Datenanalyse auf den Zeitraum von 2000 bis 2011. Es kommt ein Matchingverfahren zur Anwendung, in welchem Preisdaten aus regulären Landverkäufen denjenigen aus Zwangsverfahren gegenübergestellt werden. In Abhängigkeit von der jeweiligen Lage auf dem Bodenmarkt ergibt sich im Ergebnis eine Dominanz von auktionsbedingten Preisaufschlägen. Hieraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Notwendigkeit für Interventionen an dieser Stelle nicht gegeben ist.
Betriebliche Daten und Ergebnisse von Gewinnspielexperimenten von kleinbäuerlichen Betrieben in Vietnam bilden unter anderem die Grundlage der statistischen Analysen von Nielsen, Keil und Zeller. Ziel der durchgeführten Untersuchung ist es, Einflussfaktoren auf Risikopräferenzen von Haushaltvorständen oder Betriebsleitern zu ermitteln. Hieraus können Notwendigkeiten für zielgruppengerechte soziale Sicherungsmaßnahmen sowie für eine gerichtete Investitionsförderung abgeleitet werden. Die Ergebnisse einer Regressionsanalyse lassen erkennen, dass sowohl demografische wie auch Variablen der sozialen Integration maßgeblichen Einfluss auf das Risikoverhalten haben. Die Ergebnisse liefern Anhaltspunkte zur Ausgestaltung gezielter Politikmaßnahmen.
Alexandra Ebbing untersucht in ihrem Beitrag "Verkaufsförderung im Lebensmitteleinzelhandel: Empirische Analyse im Raum Gießen" die als Werbemaßnahmen direkt an die Haushalte verteilten oder der Zeitung beigelegten Handzettel.
Es wurden hierfür die Handzettel von 13 Geschäften des Lebensmitteleinzelhandels über elf Wochen gesammelt und analysiert. Auf den Handzetteln wurden einzelne Produkte angeboten, Sonderangebote ausgelobt, Sondergrößen mit oder ohne Preisnachlass vorgestellt sowie Coupons, Rabatte und andere derartige Maßnahmen angeboten. Diese Verkaufsförderungsmaßnahmen werden in Informations-Promotion, Preis-Promotion und Nicht-Preis-Promotion eingeteilt. In der Regel überwiegt in den Handzetteln die Informations-Promotion mit etwas weniger als 50 Prozent der Fälle. Es folgt die Preis-Promotion. Bei den Discountern liegt der Anteil der Verkaufsförderungsmaßnahmen über den Preis, in der Regel in der Form von Sonderangeboten, in den Handzetteln deutlich niedriger als bei den anderen Geschäftstypen. Weiterhin werden mehr haltbare Produkte für Verkaufsförderungs-Aktionen ausgesucht als verderbliche Produkte. Alkoholische Getränke, Fleisch/Geflügel und alkoholfreie Getränke sind die Warengruppen mit den häufigsten Verkaufsförderungsmaßnahmen.
Der zweite Beitrag in dieser Gruppe stammt von Anna-Maria Engel, Jens Wegener, Marco Lange und Christian Schaper mit dem Titel: "Analyse und Bewertung internationaler Klimalabel und Klimalabelprogramme".
In den vergangenen Jahren haben eine Reihe von Unternehmen Anstrengungen unternommen, um nachhaltiger zu produzieren und dies auch zu kommunizieren. Dabei stellt die Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase, insbesondere CO2, einen Aspekt dar, der in dem Beitrag untersucht wird. Es werden 19 Klimalabel oder Klimalabelprogramme untersucht. Um die einzelnen Klimalabel miteinander vergleichen zu können, werden Qualitätskriterien entwickelt. Bei den Qualitätskriterien handelt es sich um die Anwendung von Standards, den Ablauf der Validierung, Verifizierung und Zertifizierung sowie die Methode der Kompensation von CO2-äquivalenten Emissionen mit Carbon Credits. Diese Kriterien stellen die wesentlichen Qualitätsmerkmale eines Klimalabels dar. Die Analyse zeigte, dass deutliche Unterschiede bei der Ausgestaltung der Inhalte und der Qualität der einzelnen Programme bestehen. Die Autoren fordern zur Erhöhung der Transparenz von Klimalabeln international einheitliche Standards für die Bilanzierung und Kompensation von CO2- oder äquivalenten Emissionen.
Schimmelpilzgifte (Mykotoxine) sind Stoffwechselprodukte bestimmter Pilze. Wichtige Mykotoxin-Bildner finden sich in der Pilzgattung Fusarium, als deren Leittoxin das Deoxynivalenol (DON) gilt. Der dritte Beitrag in dieser Gruppe stammt von Katharina Raupach und Rainer Marggraf und hat den Titel: "Unzureichender Verbraucherschutz vor dem Mykotoxin Deoxynivalenol – Aktuelle Situation und Verbesserungsmöglichkeiten".
Die Autoren vergleichen die DON-Gehalte von Getreide in den Jahren 2001 bis 2010 mit der Menge, die für das durchschnittliche Kleinkind als unbedenklich betrachtet wird. Im Jahr 2007 lag dieser Wert so hoch, dass, so die Autoren, anzunehmen ist, das durchschnittliche Kleinkinder in diesem Jahr mehr DON aufgenommen haben, als toxikologisch unbedenklich ist. Es wurden 19 Experten befragt, wie dieses Risiko verringert werden kann. Auf der Basis dieser Expertenmeinungen zeigen sich besondere Defizite in der konsequenten Anwendung vorbeugender Maßnahmen durch die Landwirtschaft und im Einsatz eines ausreichenden Monitorings.
In dieser Arbeitsgruppe gehen zunächst Mathias Kirchner und Erwin Schmid der Frage nach, inwieweit sich die Agrarhandelspolitik auf die Umwelt in der niederösterreichischen Region Marchfeld auswirkt.
Konkret untersuchen sie den Einfluss von Änderungen bei Agrarzöllen und Agrarumweltprogrammen auf die Stickstoffauswaschung und den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Oberboden. Das hierzu verwendete, die regionale Produzentenrente maximierende lineare Optimierungsmodell ist mit einem biophysikalischen Simulationsmodel verknüpft. Der Unsicherheit bezüglich der künftigen Agrarpreise, der Zölle und staatlichen Subventionszahlungen wird durch Monte-Carlo-Simulationen der entsprechenden Modellparameter Rechnung getragen. Als Ergebnis von 5.000 Modelläufen werden Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur Produzentenrente und zu den genannten Umweltgrößen ausgewiesen. Letztere werden anschließend mittels multipler linearer Regressionsmodelle weiter analysiert. Dabei ergibt sich zum Beispiel ein signifikanter positiver Einfluss der durchschnittlichen Feldfruchtpreise auf die Nitratauswaschung. Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Änderungen der Agrarhandelspolitik zwar signifikante, aber nur geringe Wirkungen auf die Umweltqualität in der betrachteten Region haben.
Norbert Schulz, Gunnar Breustedt und Uwe Latacz-Lohmann untersuchen mit Hilfe eines Discrete Choice Experiments die Determinanten der Bereitschaft schleswig-holsteinischer Landwirte in den Regionen Eiderstedt und Südtondern, an Vertragsnaturschutzprogrammen teilzunehmen.
Erwartungsgemäß steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Landwirt einen bestimmten Vertrag wählt, mit der Höhe der Kompensationszahlung sowie mit schwächeren vertragsbedingten Auflagen. Die Teilnahmewahrscheinlichkeit wird darüber hinaus durch einige betriebsindividuelle Determinanten beeinflusst: Sie ist zum Beispiel für Landwirte, die schon bei Naturschutzprogrammen mitmachen, größer und sie sinkt im Fall von Indikatoren – beispielsweise ein höherer Viehbesatz – die auf intensive Bewirtschaftung hindeuten. Schließlich werden aus den geschätzten Koeffizienten des multinomialen Logitmodells die marginalen monetären Willingness to Accept bestimmt, die mit Änderungen der entsprechenden vertrags- oder betriebsspezifischen Determinanten einhergehen.
Anhand eines Computable General Equilibrium (CGE) Modells für das relativ wasserarme Israel untersuchen Jonas Luckmann, Khalid Siddig, Dorothee Flaig und Harald Grethe die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen eines reduzierten Angebots an natürlichem Grund- und Oberflächenfrischwasser sowie einer zunehmenden Nutzung alternativer Wasserressourcen aus Abwasseraufbereitung, Brackwasser und Meerwasserentsalzung.
In ihrem Modell gehen aus verschiedenen Aktivitäten unterschiedliche "Wasserprodukte" hervor, die entweder als Vorleistungen in weiteren Produktionsaktivitäten Verwendung finden oder von den Haushalten verbraucht werden. Die Modellergebnisse legen nahe, dass insbesondere der Agrarsektor als größter Wassernutzer von einer Verringerung der natürlichen Frischwasserverfügbarkeit betroffen wäre. Dieser Effekt könnte jedoch durch verbesserte Substitutionsmöglichkeiten abgemildert werden. Vor allem allseits verwendbares entsalztes Meerwasser könnte diesbezüglich einen Beitrag leisten. Die restliche Wirtschaft ist von einem reduzierten Frischwasserangebot weniger betroffen, da Wasser in den übrigen Wirtschaftsbereichen eine weniger bedeutende Vorleistung ist und der Wassersektor selbst im Vergleich zur gesamten Volkswirtschaft relativ klein ist.
In der Sitzung zum Thema Handel stehen die EU und ihre Politik mit wichtigen Handelspartnern im Mittelpunkt. Tanja Engelbert und Martina Brockmeier stellen eine Analyse des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Indien unter Berücksichtigung von nicht-tarifären Handelshemmnissen im Agrar- und Ernährungsbereich vor.
Mit Hilfe eines theoriebasierten Gravitationsmodells werden die Effekte von grenzinduzierenden Barrieren im Handel zwischen der EU und Indien ermittelt. Nach Korrektur in Bezug auf wirtschaftliche Größen und beobachtbare Handelskosten spiegeln diese Effekte die NTBs wider, die nach Umwandlung in Zolläquivalente (AVEs) in das Global Trade Analysis Project (GTAP) Modell integriert werden. Die ökonometrischen Schätzergebnisse zeigen die hohe Bedeutung der NTBs im Handel mit Agrar- und Ernährungsprodukten zwischen der EU und Indien, während die GTAP-Simulationen die Abhängigkeit des Wohlfahrtsgewinns vom liberalisierenden Sektor und der Höhe der Zollkürzungen illustrieren. Der Wohlfahrtseffekt infolge des NTB-Abbaus ist dabei höher als der aus den Zollkürzungen resultierende Effekt.
Alexander Gocht, Raphael Albrecht, Markus Ehrmann, Horst Gömann, Werner Kleinhanß, Rainer Klepper, Ernst-Oliver von Ledebur, Frank Offermann, Bernhard Osterburg, Andrea Rothe, Lilli Aline Schroeder und Heinz Wendt befassen sich in ihrem Beitrag mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 und ihren Auswirkungen auf die EU.
Im Mittelpunkt steht dabei die Aufgabe der Quotenreglung für den Zuckersektor nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs 2014/15 und die damit verbunden Auswirkungen auf die EU-Zuckermärkte und die Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland. Mit Hilfe von zwei, in Bezug auf die Preisentwicklungen, unterschiedlichen Szenarien werden Ergebnisse für das Simulationsjahr 2020/2021 mit Hilfe TI-Modellverbunds quantifiziert. Annahmegemäß werden hierbei keine bedeutenden Substitutionsmöglichkeiten von Zucker durch Isoglukose sowie unbegrenzte Exportmöglichkeiten nach Abschaffung des EU-Quotensystems unterstellt. Bei niedrigem Weltmarktpreis wird die EU den Zuckermarkt durch einen entsprechenden Außenschutz abschirmen, so dass die Abschaffung der Quote die Produktion in Deutschland zwar nicht gefährdet, jedoch bei anhaltendem Strukturwandel zu einer Konzentration an den wettbewerbsfähigsten Standorten führen wird.
Martina Brockmeier, Kirsten Urban und Fan Yang befassen sich mit dem Agrarhandel in einer globalisierten Welt.
Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welchen Einfluss ökonomische und politische Faktoren auf die Entwicklung der Weltagrarmarktpreise haben. Mit Hilfe des GTAP-Modells berechnen die Autorinnen ein Referenzszenario sowie einen erfolgreichen Abschluss der WTO-Verhandlungen. Entsprechend ihrer Analyse steigen die globalen Handelsmengen im Agrar- und Ernährungssektor deutlich an. Eine erweiterte Zerlegung des Gesamteffekts zeigt darüber hinaus, dass Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen wesentlich bedeutender sind als Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen. Die Implementierung der aktuellsten Vorschläge zu den WTO-Verhandlungen führt zum erwarteten Anstieg der globalen Handelsmengen, der im Bereich der Veredlungsindustrie ursächlich auf den Abbau der Handelsbarrieren in Industrieländern zurückzuführen ist.
Felix Schläpfer und Stefan Mann suchen in ihrem Beitrag nach einem Weg, nicht-marktgängige Leistungen der schweizerischen Landwirtschaft in die agrarbezogene volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu integrieren.
Hierzu erwägen sie drei Vorgehensweisen:
Während sie die Abschätzung letzterer auch wegen des diesbezüglichen Datenmangels als problematisch erachten, errechnen sie mittels der beiden erstgenannten Methoden einen Wert von 1,3 und 0,8 Milliarden Schweizer Franken. Wird dieser Betrag der agrarischen Wertschöpfung hinzugerechnet, ergibt sich ein zwar positiver, jedoch moderater Beitrag des Agrarsektors zur gesamten Wertschöpfung. Der Bewertungsprozess könnte durch einen klar formulierten, demokratisch legitimierten Katalog von Zielen und Mitteln für die Erbringung nicht-marktgängiger Leistungen erleichtert werden.
Inwieweit Unternehmensplanspiele als kostengünstige Methode zur Politikfolgenabschätzung verwendbar sind, ist eine Frage der Oliver Mußhoff und Norbert Hirschhauer im Hinblick auf die Stickstoffextensivierung nachgehen.
In ihrem mehrperiodischen Planspiel werden die studentischen Teilnehmer in der Rolle landwirtschaftlicher Unternehmer mit verschiedenen Maßnahmen zur Verringerung der Stickstoffintensität konfrontiert. Dabei zeigt sich, dass die Teilnehmer sehr unterschiedlich auf die vorgesehenen Politikmaßnahmen reagieren, obwohl deren Gewinnwirksamkeit gleich ist. Die Autoren sehen hierin einen Hinweis, dass die je Einheit an Steuermitteln bewirkbaren Verhaltensänderungen maßgeblich vom konkreten Design der entsprechenden staatlichen Maßnahme abhängen. So erweisen sich im Planspiel Prämienzahlungen für freiwillige Umweltleistungen als weniger wirksam, um das politisch gewünschte Umweltverhalten herbeizuführen, als formale Umweltauflagen. Die Autoren plädieren dafür, derartige Hinweise auf zum Teil überraschende Verhaltensmuster in spezifischeren Studien weiter zu verfolgen.
Theorie und Praxis der sozialwissenschaftlichen Agrarforschung behandeln Andrea Knierim, Sonja Siart, Kathrin Müller und Wolfgang Bokelmann am Beispiel des Innovationsnetzwerks Klimaanpassung Brandenburg Berlin (INKA BB).
Dieses Netzwerk hat zum Ziel, die nachhaltige Nutzung von Land- und Wasserressourcen im Nordosten Deutschlands unter sich verändernden Klimabedingungen sicherzustellen und soll die Akteure in Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft befähigen, flexibel auf den einsetzenden Klimawandel zu reagieren. Methodisch bedienen sich die Autoren eines Aktionsforschungsansatzes. In ihrem Beitrag werden, neben einigen theoretischen Überlegungen zu einer systemorientierten sozialwissenschaftlichen Agrarforschung, Interventionen zur Beförderung der Netzwerkentwicklung durch Reflexionsprozesse und zur Erarbeitung von Anpassungsstrategien am Beispiel des INKA BB dargestellt und diskutiert.
Monika Zehetmeier, Markus Gandorfer, Imke de Boer und Alois Heißenhuber fragen nach der Rolle der Unsicherheit bei der Bilanzierung von Treibhausgasemissionen in der Milchviehhaltung.
Für ihre Studie haben sie ein bestehendes deterministisches Model zur Berechnung der Treibhausgasemissionen von Milchviehbetrieben mit unterschiedlicher Milchleistung und verschiedenen Rinderrassen für eine stochastische Modellierung weiterentwickelt. Die Modellsimulationen ergeben für jedes Wahrscheinlichkeitsniveau die höchsten durchschnittlichen Treibhausgasemissionen bei den niedrigsten angenommenen Milchleistungen von 6.000 Kilogramm pro Jahr, sofern die Emissionen auf Milch und Rindfleisch entsprechend ihres jeweiligen Beitrags zum gesamten Produktionswert aufgeteilt werden. Wird die Mutterkuhhaltung als alternative Möglichkeit der Rindfleischerzeugung in das erweiterte System integriert, schneidet das System mit der niedrigsten Milchleistung jedoch am besten ab. Auch die Ergebnisse für Systeme mit höheren Milchleistungen hängen stark davon ab, wie die Koppelprodukte berücksichtigt werden. Darüber hinaus hat die Unsicherheit bezüglich des Sojaschrotemissionsfaktors einen großen Einfluss auf die Klimagasrangfolge der modellierten Milchviehsysteme.
Heiko Dreyer analysiert die Bestimmungsgründe für den deutschen Außenhandel mit Produkten der Agrar- und Ernährungswirtschaft in einem Gravitationsmodell.
Ein Schwerpunkt der Betrachtung liegt in der Quantifizierung der Bedeutung der europäischen Marktintegration für den Außenhandel. Hierfür wird eine Modellspezifikation unter Berücksichtigung des Wechselkursrisikos verwendet. Die Ergebnisse lassen einen deutlich positiven Effekt der Marktintegration erkennen. Die Mitgliedschaft eines deutschen Handelspartners in der Europäischen Union ist für den Handel bedeutender als die Einführung des Euros in diesem Land. Mit EU-Staaten, die den Euro nicht eingeführt haben, werden im Vergleich zu Nicht-EU-Staaten 2,3-mal so viele Waren ausgetauscht. Hat ein EU-Staat den Euro eingeführt, so erhöht sich der Außenhandel mit Deutschland um weitere 70 Prozent. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass das Wechselkursrisiko einen signifikanten negativen Einfluss auf den Außenhandel hat. Wird ein signifikanter Einfluss gefunden, ist dieser klein und positiv.
Christoph Schmitz und Hermann Lotze-Campen beschäftigen sich mit dem Agrarhandel und seinen Auswirkungen auf die Umwelt.
Sie gehen davon aus, dass sich der Trend der Liberalisierung im Agrarhandel in der Zukunft wahrscheinlich weiter fortsetzt. Es ergibt sich daraus die Frage, welche globalen und lokalen Auswirkungen auf die Umwelt entstehen werden. Für die Analyse der Zusammenhänge wird das Modell MAgPIE (Model of Agricultural Production and its Impact on the Environment) genutzt. Es wird mit dem dynamische Vegetationsmodell LPJmL (Lund-Potsdam-Jena managed Land Dynamic Global Vegetation and Water Balance Model) gekoppelt, um räumliche Land- und Wassernutzungsänderungen zu simulieren. Die Ergebnisse zeigen, dass es zu einer fortschreitenden Abholzung im Amazonasbecken kommen wird. Im Gegensatz dazu wird ein Rückgang der Entwaldung in pazifischen Ländern wie Malaysia und Indonesien erwartet. Weltweit würden rund 40 Millionen Hektar Wald zusätzlich gerodet werden, was rund 26 Gigatonnen zusätzliche CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 verursachen würde. Die Wasserknappheit nimmt vor allem in Süd- und Südost-Asien und dem Nahen Osten zu. Die Verfasser empfehlen, mehr und früher in klima- und umweltfreundliche Technologien zu investieren.
Janine Empen, Jens-Peter Loy und Thomas Glauben betrachten die räumlichen Preissetzungsstrategien für Bier in Deutschland.
In welcher Weise Markentreue räumliche Preissetzungsstrategien beeinflusst, ist dabei die zentrale Frage. In der auf Einzelhandelsscannerdaten beruhenden Studie konnte gezeigt werden, dass die Marken stärker beworben werden, je näher der Verkaufsort an der Brauerei liegt. Die regulären Durchschnittspreise sind niedriger, wenn sich der Verkaufsort nahe der Brauerei befindet. Diese Strategie der Generierung neuer Kunden zahlt sich anschließend aus, wenn wieder Normalpreise verlangt werden. Die Autoren schlussfolgern, dass es sich bei Markentreue um ein endogenes Konstrukt handelt: die Kunden werden erst durch den erstmaligen Erwerb, ausgelöst durch das Sonderangebot, treu. Alternativ kann auch die Loss-Leader-Strategie die beobachtete Preissetzungsstrategie erklären.
Qualitätsstandards spielen eine zunehmende Rolle im internationalen Handel und sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Natur schwer zu quantifizieren. Der Beitrag von Marie-Luise Rau und Karl Shutes beschäftigt sich mit den Qualitätsstandards für Importprodukte im internationalen Agrarhandel, wobei im EU-Forschungsprojekt NTM-Impact erhobene Daten zur Anwendung kommen. Es wurde ein Heterogenitätsindex, in dem binäre, geordnete sowie numerische Daten kombiniert werden können, entwickelt und errechnet. Die Ergebnisse zeigen die Unterschiedlichkeit in den Qualitätsstandards sowohl zwischen Ländern wie auch zwischen Produktgruppen.
Die Sitzung begann mit einer einleitenden Erläuterung von Christian Lippert zum Begriff der post-autistischen Ökonomie.
Wie Lippert ausführte, ist ein Autist jemand, dem es schwer fällt, sein soziales Umfeld wahrzunehmen und mit diesem zu kommunizieren, der jedoch in der Lage ist, erstaunliche Intelligenzleistungen zu vollbringen. In Analogie dazu haben im Jahr 2000 unzufriedene Studierende französischer Hochschulen den Begriff des Autismus auf die Wirtschaftswissenschaften bezogen und dabei insbesondere die als realitätsfern empfundene, starke Mathematisierung kritisiert. Sie forderten eine post-autistische Ökonomie, woraus eine internationale Bewegung mit mehreren elektronischen Zeitschriften entstand. Lippert diskutierte verschiedene Faktoren, die zu „autistischen“ Tendenzen in der Agrarökonomie führen, zum Beispiel die Schwierigkeit, interdisziplinäre Arbeiten oder detaillierte Fallstudien in hochrangigen Zeitschriften zu veröffentlichen.
Anschließend zeigten Alois Heißenhuber und Markus Gandorfer auf, dass die Berücksichtigung der oft vernachlässigten Verfahrens- und Terminkosten im Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen zu einer realitätsnäheren Einschätzung von Skalenerträgen führt. Gleiches gilt für die Berücksichtigung der Betriebsleiterfähigkeiten in der Milchviehhaltung, woraus sich die Notwendigkeit einer differenzierteren landwirtschaftlichen Beratung ableitet.
Achim Spiller und Anke Zühlsdorf betrachteten in ihrem Referat das Problem der Marktintransparenz auf Lebensmittelmärkten. Die Autoren zeigten, dass die Markttheorie in Zeiten ausdifferenzierter Konsumgütermärkte und heterogener Präferenzen auf ein realitätsnäheres Verbraucherbild und einen erweiterten Blick auf opportunistisches Verhaltens zu gründen sei.
Regina Birner zeigte auf, dass die Agrarökonomie, die sich mit Entwicklungsländern befasst, im Allgemeinen um große Realitätsnähe bemüht ist. Politikinstrumente wie Handelsliberalisierung oder Subventionierung werden jedoch oft wenig differenziert nach den Maßgaben der "reinen Lehre" bewertet, woran auch die Agrarpreiskrise von 2008 nur wenig geändert hat.
Vera Bitsch hob das Potenzial der "empirisch begründeten Theorie" ("Grounded Theory") als einen vielversprechenden Ansatz zur Erforschung real existierender Probleme hervor. Ludger Schulze-Pals leitete die anschließende Diskussion und fasste die wichtigsten Punkte zusammen, wobei er die Notwendigkeit für einen stärkeren interdisziplinären Austausch sowie die Einbeziehung von Praxispartnern in die Diskussion betonte.
In der gemeinsam vom BMELV und der Universität Hohenheim organisierten Arbeitsgruppensitzung wurden Potenzial, Herausforderungen und Grenzen von AMIS aus Sicht der Bundespolitik (Volker Appel, Sigrun Neuwerth, BMELV) der Wissenschaft (Bernhard Brümmer, Universität Göttingen), der Privatwirtschaft (Hermann Steep, Cargill GmbH) sowie einer der an AMIS beteiligten internationalen Organisationen (Sergiy Zorya, Weltbank) diskutiert.
Appel und Neuwerth beschrieben die Entstehungsgeschichte und Ziele von AMIS, das auf eine Initiative der G20-Agrarminister im Juni 2011 zurückgeht, sowie seine gegenwärtige Struktur und Handlungsfelder. Das AMIS-Sekretariat ist an der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO) angesiedelt und koordiniert die Tätigkeit der Global Food Market Information Group und des Rapid Response Forums. Ziel von AMIS ist die Schaffung von mehr Markttransparenz durch die Verbesserung nationaler Marktinformationssysteme sowie durch die zentrale Bereitstellung globaler Marktbilanz- und Preisinformationen. Außerdem wurde mit dem Rapid Response Forum eine Plattform für den frühzeitigen Informationsaustausch zur Krisenprävention sowie zur Vorbereitung einer Koordination von marktpolitischen Interventionen geschaffen.
Im Anschluss an den Einführungsvortrag widmete Brümmer sich der Messung von Preisvolatilität sowie dem Zusammenhang zwischen Lagerbeständen und Preisvolatilität. Er zeigte, dass verbesserte Informationen über Lagerbestände die Preisvolatilität dämpfen können. Steep begrüßte die Initiative für eine Verbesserung der Markttransparenz, wies aber auch darauf hin, dass es insbesondere für große Unternehmen interessant sei, vorhandene Marktinformationen nicht öffentlich zu machen, sondern zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zu verwenden. Weiterhin sei die vorhandene Datenmenge schon heute sehr hoch und die Herausforderung bestände darin, die Daten entsprechend den Nutzerinteressen gezielt filtern und abfragen zu können. Schließlich diskutierte Zorya die Herausforderungen und Grenzen für AMIS. Insbesondere solle die Initiative nicht nach ihrem kurzfristigen Erfolg, sondern nach ihren langfristigen Wirkungen bewertet werden.
Es wurden 36 Poster in sechs parallelen Gruppen in Kurzvorträgen vorgestellt und diskutiert.
Der globale Wandel bringt für den Agrar- und Ernährungssektor insgesamt sowie speziell für die Agrarentwicklung und die Welternährung zahlreiche Herausforderungen mit sich. Hierzu gehören die gesellschaftlichen Anforderungen an eine multifunktionale Landwirtschaft, die zunehmende Verknappung der Produktionsfaktoren Boden und Wasser, sich verändernde Preisrelationen zwischen Biomasse und fossilen Energieträgern, das persistierende globale Ausmaß der Unterernährung sowie die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es privatwirtschaftlicher Initiative, leistungsfähiger öffentlicher Institutionen sowie eines hohen zivilgesellschaftlichen Engagements und eines Umbaus der Agrar- und Ernährungspolitik.
Vor diesem Hintergrund fand vom 26. bis 28. September 2012 die 52. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues zu dem Thema "Herausforderungen des globalen Wandels für Agrarentwicklung und Welternährung" an der Universität Hohenheim statt.
Am ersten Tag nahmen ALAN MATTHEWS (Trinity College, Dublin) und WILL MARTIN (Weltbank) zur Rolle des internationalen Handels für die Ernährungssicherung und Armutsbekämpfung Stellung. Es wurde gezeigt, dass Agrarhandel zur Ernährungssicherung beitragen kann, aber auch Risiken mit der zunehmenden Liberalisierung verbunden sind, wenn keine Begleitung durch die Politik erfolgt. DEREK BYERLEE (ehemals Weltbank) und MARK ROSEGRANT (IFPRI) setzten sich mit der zunehmenden Knappheit von landwirtschaftlichen Flächen und Wasser auseinander. Unter anderem wurden die Chancen und Risiken großflächiger Investitionen in Boden diskutiert, wobei vor allem für Afrika, wo die Bodenrechte der einheimischen Bevölkerung kaum gesichert sind, große Risiken bestehen. Wichtige Schritte zum Umgang mit der globalen Wasserknappheit währen mehr zielgerichtete Investitionen, die die Produktivität im Bereich der Wassernutzung erhöhen, die Prüfung der Förderung der Bioenergieproduktion sowie der Abbau marktverzerrender Subventionen.
Die 44 Arbeitsgruppenvorträge, 36 Posterpräsentationen sowie zwei organisierte Arbeitsgruppensitzungen am zweiten und dritten Tag der Tagung deckten ein breites Themenspektrum ab. In der Plenarveranstaltung am Abschlusstag wurde der Frage nachgegangen, ob Spekulation zur Volatilität der Agrarpreise beiträgt und ob daraus abgeleitet ein Bedarf an stärkerer Regulierung besteht. Nach einer Einführung von OLIVER VON LEDEBUR (Thünen Institut) schloss sich eine von MARKUS HENN (WEED), SABINE MILTNER (Deutsche Bank), VOLKER PETERSEN (Deutscher Raiffeisenverband) und STEFAN TANGERMANN (ehemals OECD) teilweise kontrovers geführte Diskussionsrunde an. Insgesamt diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jahrestagung die Herausforderungen des globalen Wandels für die landwirtschaftliche Entwicklung und die Ernährungssicherung intensiv und formulierten eine Vielzahl von Empfehlungen, mit diesen Herausforderungen umzugehen, wie auch weiteren Forschungsbedarf.
- Report on the 52nd Annual Conference of the German Society of Economic and Social Sciences in Agriculture (Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues – GEWISOLA),
26 September to 28 September 2012
Global change causes numerous challenges for the agricultural and food sectors in general, and for agricultural development and global food security in particular. Among these challenges are societal demands related to multifunctional agriculture, changing price ratios between biomass and fossil energy sources, the persisting global dimension of undernourishment, the increasing scarcity of global resources such as land and water, and the expected consequences of climate change. Dealing with these challenges does not only require private sector initiatives, effective public institutions, and a strong commitment on the part of civil society but also a reshaping of the agricultural and food policy. Against this background, the 52nd Annual Conference of the German Society of Economic and Social Sciences in Agriculture was held at the University of Hohenheim and focused on the topic "Challenges of Global Change for Agricultural Development and World Food Security".
In the plenary opening sessions, ALAN MATTHEWS (Trinity College, Dublin) and WILL MARTIN (World Bank) discussed the role of international trade for global food security and poverty reduction. It was shown that, on the one hand, agricultural trade could contribute to food security, while on the other hand increasing liberalisation also entailed risks if no appropriate complementary policies were pursued. DEREK BYERLEE (formerly World Bank) and MARK ROSEGRANT (IFPRI) analysed the increasing scarcity of agricultural land and water and discussed the opportunities and risks associated with large scale investments in land. It was pointed out that in Africa where there is an insufficient regulation of property rights of the indigenous population; the risks seemed to outweigh the opportunities. Important steps in addressing global water scarcity could be investments to increase water productivity, the reorientation of bioenergy policies, and the reduction of distorting subsidies.
On the whole, 44 contributed papers, 36 poster presentations, and two working group meetings covered a wide range of topics. On the final day of the conference, a plenary session addressed the impact of speculation on agricultural price volatility and the need for more regulation in the financial sector. After an introduction by OLIVER VON LEDEBUR (Thünen Institute), panelists MARKUS HENN (WEED), SABINE MILTNER (Deutsche Bank), VOLKER PETERSEN (Deutscher Raiffeisenverband), and STEFAN TANGERMANN (formerly OECD) presented their views and engaged in a lively debate. Throughout the conference participants actively discussed the challenges for agricultural development and food security which are brought about by global change, and put forth recommendations on how to address them.
- Rapport sur le 52e congrès annuel de la société Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues (GEWISOLA) e.V., du 26 au 28 septembre 2012
Pour le secteur rural et agro-alimentaire en général et pour le développement rural et l’alimentation mondiale en particulier, le changement global entraîne de nombreux enjeux comme, par exemple, les exigences sociales dans l ecadre d’une agriculture multifonctionelle, la pénurie croissante de terres et d‘eau en tant que facteurs de production, les variations dans les relations des prix à payer pour la biomasse et pour les énergies fossiles, l’ampleur persistante de la sous-alimentation dans le monde ainsi que les conséquences prévisibles du changement climatique. Pour relever ces défis il est autant besoin de l’initiative économique du secteur privé et d’institutions publiques performantes que de l’engagement fort de la société civile et d’une restructuration de la politique agricole et alimentaire. Sur cette trame se tint du 26 au 28 septembre 2012 à l’université de Hohenheim la 52ème session annuelle de la société allemande des sciences économiques et sociales rurales (GEWISOLA) ayant pour sujet Les enjeux du changement global pour le développement rural et l’alimentation mondiale.
Lors de la première journée M. MATTHEWS du Trinity College (Dublin) et M. MARTIN de la Banque mondiale se prononcèrent sur le rôle des échanges internationaux pour l’alimentation mondiale et la lutte contre la pauvreté. Bien que les échanges agricoles puissent contribuer à l’amélioration de l’alimentation il y aurait aussi des risques liés à une libéralisation croissante, tant que celle-ci n’est pas accompagnée de mesures politiques. M. BYERLEE (ancien collaborateur de la Banque mondiale) et M. ROSEGRANT (IFPRI) traitèrent de la rareté croissante des terres agricoles et de l‘eau. Entre autres y furent abordés les chances et les risques de vastes investissements dans les terres agricoles qui impliquent de grands risques surtout pour l‘Afrique, où les droits fonciers de la population locale ne sont guère assurés. D’importants points de départ pour affronter le manque d’eau à l’échelle planétaire seraient plus d’investissements ciblés ayant pour but d’augmenter la productivité dans le domaine de l’utilisation de l’eau, la remise en cause de la production subventionnée de bioénergie ainsi que la suppression de subventions ayant pour conséquence des distorsions de marché.
Les 44 ateliers et 36 présentations de posters qui eurent lieu au cours de la deuxième et de la troisième journée du congrès couvrirent une grande étendue de sujets. Finalement, dans la session plénière, la question était de savoir si la spéculation contribue à la volatilité des prix agricoles ce qui entrainerait le besoin d’une réglementation plus prononcée. Une entrée en matière par M. VON LEDEBUR (Institut Thuenen) fut suivie d’une table ronde où discutaient, parfois de façon controverse, Mme MILTNER (Deutsche Bank), M. HENN (WEED), M. PETERSEN (Deutscher Raiffeisenverband) et M. TANGERMANN (ancien collaborateur de OCDE). Dans l’ensemble, les particpants du congrès annuel ont mené une discussion animée et engagée sur les défis que représente le changement global pour le développement agricole et la sécurité alimentaire et ils ont formulé nombre de recommendations quant à la relève de ces défis ainsi qu’au besoin continue de recherches dans ce contexte.
Prof. Dr. Harald Grethe, Institut für Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktlehre, grethe@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Enno Bahrs, Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre, bahrs@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Tilman Becker Institut für Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktlehre, tilman.becker@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Regina Birner, Institut für Agrar- und Sozialökonomie in den Tropen und Subtropen, Regina.Birner@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Martina Brockmeier, Institut für Agrar- und Sozialökonomie in den Tropen und Subtropen, martina.brockmeier@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Stephan Dabbert, Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre, Stephan.Dabbert@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Reiner Doluschitz, Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre, Reiner.Doluschitz@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Christian Lippert, Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre, Christian.Lippert@uni-hohenheim.de
Dr. Edda Thiele, Institut für Agrarpolitik und landwirtschaftliche Marktlehre, thiele@uni-hohenheim.de
alle: Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart, Deutschland