Wie die Politik auf die Bedrohung der Biodiversität in Agrarlandschaften durch den Klimawandel reagieren kann

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und Genetische Ressourcen beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Autor/innen

  • Frank Wätzold
  • Peter H. Feindt
  • Enno Bahrs
  • Ulrich Hamm
  • Johannes Isselstein
  • Stefan Schröder
  • Sven Wagner
  • Helmut Wedekind
  • Volkmar Wolters
  • Jens Dauber
  • Eve-Marie Engels
  • Johannes Engels
  • Ernst Tholen
  • Gunter Backes
  • Horst Brandt
  • Andreas Graner
  • Matthias Herdegen
  • Heino Wolf

DOI:

https://doi.org/10.12767/buel.vi232.330

Abstract

Agrarlandschaften beherbergen einen erheblichen Teil der biologischen Vielfalt Deutschlands. Der Schutz und die Förderung dieser Vielfalt ist ein gesellschaftlich anerkanntes Ziel.
Denn erstens hat sich Deutschland national und international verpflichtet, die biologische Vielfalt im Sinne des Naturschutzes zu erhalten.
Zweitens sichert die biologische Vielfalt Genpools, die für die Ökosystemfunktionen (Produktion, Klima-, Boden- und Gewässerschutz) in genutzten Landschaften unter sich ändernden Bedingungen, etwa des Klimawandels, wichtig werden können.
Drittens können genutzte (Kulturarten, Sorten) und begleitende Vielfalt (z.B. Beikräuter, Bodenorganismen, oberirdische Insekten) dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit von Agrarlandschaften unter extremen Bedingungen länger bzw. in einem höheren Maße zu erhalten.
In den zurückliegenden Dekaden hat es einen erheblichen und bis heute anhaltenden Verlust an biologischer Vielfalt in den Agrarlandschaften gegeben. Die Ursachen liegen maßgeblich in den Änderungen der Landnutzung und der Landschaftsstruktur. Der fortschreitende Klimawandel stellt ein weiteres, bislang noch wenig beachtetes Risiko für die biologische Vielfalt dar. Der Wissenschaftliche Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen sieht daher einen dringenden Bedarf, dieses Risiko wirksam in die Gestaltung der Agrarpolitik und insbesondere der Agrarumweltpolitik einzubeziehen.
Allerdings ist die Wirkung der sich ändernden Klimafaktoren auf die biologische Vielfalt und auf die davon abhängigen Ökosystemleistungen der Agrarlandschaft sehr komplex. Präzise Voraussagen zu zukünftigen klimawandelbedingten Veränderungen sind daher mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Das bedeutet, dass die Wirksamkeit physischer und politischer Gegenmaßnahmen derzeit nicht sicher prognostiziert werden kann.
Sicher ist dagegen, dass der Klimawandel die biologische Vielfalt und deren Funktionen zusätzlich zu der aktuellen Art der Landnutzung gefährdet, und dass es Möglichkeiten gibt, dieses Gefährdungsrisiko zu senken.
Daher empfiehlt der Beirat, die Agrarpolitik so weiterzuentwickeln, dass die klimabedingten Risiken für die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften deutlich verringert werden.
Der Beirat fasst den politischen Handlungsbedarf in zehn Leitprinzipien zusammen, die als Orientierung für die künftige Agrar- und Agrarumweltpolitik dienen sollen. Sie adressieren fünf Themenbereiche:
(i) Deutlich verstärkte Anstrengungen in Forschung und Monitoring sowie Foresight-Prozesse sollen dazu beitragen, den Gestaltungs- und Anpassungsspielraum zu erhöhen und die Wirksamkeit von Maßnahmen mit größerer Zuverlässigkeit zu prognostizieren.
(ii) Stärkere Ausrichtung der Agrarpolitik auf die Verbesserung der Resilienz der vielfältigen Funktionen der Agrarlandschaft. Dazu bedarf es einer ‚lernenden Politik‘, die durch Feedback-Schleifen bei Entscheidungsprozessen gekennzeichnet ist, die partizipativ ist, und die Erkenntnisfortschritte kontinuierlich einbezieht.
(iii) Agrarpolitische und agrarumweltpolitische Instrumente sollten einem konsequenten ‚Klimawandelcheck‘ unterzogen werden. Es muss also sichergestellt werden, dass deren Wirkung der notwendigen Anpassung an den Klimawandel nicht entgegensteht, sondern diese unterstützt.
(iv) Prioritäre Handlungsfelder für den Erhalt der biologischen Vielfalt im Klimawandel sind ein Aufhalten der Fragmentierung und Homogenisierung der Agrarlandschaft durch die Förderung vielfältiger Agrarlandschaften und die wirksame Stärkung artenreicher Agrarsysteme.
(v) Handlungsoptionen, die der derzeitige Regelungsrahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik schon jetzt bietet, sollten konsequent genutzt werden. Maßnahmen mit multiplen positiven Wirkungen (win-win-win-Lösungen) sollten priorisiert werden.

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Veröffentlicht

2020-12-01

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