Besonderheiten des Klimaschutzes im Agrar- und Ernährungssystem – was müssen wir neu denken?

Autor/innen

  • Peter Breunig Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Fakultät Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung, Markgrafenstr. 16, 91746 Weidenbach
  • Marcus Mergenthaler Fachhochschule Südwestfalen - Fachbereich Agrarwirtschaft, Lübecker Ring 2, 59494 Soest

DOI:

https://doi.org/10.12767/buel.v100i2.425

Abstract

Zusammenfassung

Besonderheiten des Klimaschutzes im Agrar- und Ernährungssystem – was müssen wir neu denken?

 

Das globale Agrar- und Ernährungssystem ist weltweit für ein Drittel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich und deutliche Klimaschutzmaßnahmen im Agrar- und Ernährungssektor sind essenziell, um die Klimaziele zu erreichen. Zu der Frage, wie verschiedene Klimawirkungen zu bewerten sind und welche Maßnahmen zum Klimaschutz verfolgt werden sollten, gibt umfangreiche Debatten, zu denen auch die Neubewertung von biogenen Methanemissionen aus der Tierhaltung (GWP*) zählt. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass auch bei einer Betrachtung nach GWP* eine Reduktion von Methanemissionen ein notwendiger und insbesondere ein schnell wirksamer Beitrag zum Klimaschutz darstellt. Eine grundsätzliche Richtungsänderung der bisher vorgeschlagenen Maßnahmen zur Methanemissionsreduktion in der Landwirtschaft scheint daher nicht sinnvoll. Neben dieser Debatte wurden zwei Konzepte zur Bewertung der Klimawirkung des Agrar- und Ernährsungssystems vorgeschlagen und diskutiert, die jedoch deutliche Einschränkungen aufweisen: zum einen die vereinfachende Betrachtung von Treibhausgasen als nationale externe Kosten, die Verlagerungseffekte ignoriert. Zum anderen die Berücksichtigung kurzfristiger CO2-Bindung in Erntegütern, die nicht in Einklang mit geltenden Bilanzierungssystemen zu bringen ist. Im Gegensatz zu diesen Konzepten ist die Einbeziehung von Kohlenstoff-Opportunitätskosten ein neuer Ansatz, der mehrfach in begutachteten Publikationen in unterschiedlichsten Fragestellungen angewendet wurde und zu dem bisher keine grundsätzlichen Einschränkungen identifiziert wurden. Diesem Ansatz liegt zugrunde, dass bei der Klimabewertung in der Landwirtschaft die Besonderheit vorliegt, dass bei Beendigung der Aktivität die Emissionen nicht nur auf null zurück gehen, sondern eine positive Klimawirkung durch die Kohlenstoff-Speicherleistung der natürlichen Vegetation entsteht. Die Kohlenstoff-Opportunitätskosten quantifizieren diese entgangene Kohlenstoff-Speicherleistung in Tonnen CO2 pro Tonne Agrarprodukt. Daraus ergeben sich folgende Grundsätze, die in der Diskussion über die Klimawirkung der Landwirtschaft stärker Einzug halten sollten: (1) Einbeziehung von Kohlenstoff-Opportunitätskosten: nur hierdurch kann eine aus Klimagesichtspunkten effiziente Nutzung der global knappen Fläche erreicht werden. (2) Getrennte Effizienzbetrachtung von Angebots- und Nachfrageseite zur Identifikation von optimierten Handlungsoptionen mit nachfolgender Marktmodellierung, um Marktreaktionen bezüglich Angebots- und Nachfrageseite zu berücksichtigen. (3) Fokus auf die Gesamtbetrachtung von Landschaften, um komplexere Umweltwirkungen umfassend einzubeziehen, insbesondere die Herausforderung des Artensterbens. Folgende Handlungsempfehlungen können abgeleitet werden: (1) Die Umnutzung von natürlicher Vegetation in landwirtschaftlich genutzte Flächen sollte so schnell wie möglich weltweit beendet werden. (2) Auf der Angebotsseite sollten Produktionsemissionen pro Produkteinheit reduziert werden – in der Landwirtschaft insbesondere Methan und Lachgas. Auf der Nachfrageseite ist eine stärker pflanzenbasierte Ernährungsweise notwendig, um ernährungsbezogene Produktionsemissionen und den Flächenbedarf zu senken. (3) Flächen, die in natürlichem Zustand größere Klimavorteile liefern als bei landwirtschaftlicher Nutzung, sollten renaturiert werden. (4) Mehr Lebensmittel auf der vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzfläche zu erzeugen bietet Klimaschutzvorteile, die genutzt werden sollten.

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Veröffentlicht

2022-06-21

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